Papierverbunde: Mehr Abfall und weniger Recycling?

Kritisch sieht eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen die Substitution von reinen Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde, also Verpackungen aus einem Materialmix aus Papier und Kunststoff. Der Wirtschaftsverband Papierverarbeitung widerspricht.

Der Anteil an Papierverbunden bei Verpackungen wird voraussichtlich bis 2025 weiter zunehmen, und damit auch das Abfallaufkommen. Die GVM erwartet insgesamt 25.000 Tonnen mehr Abfälle durch Papierverbunde im Jahr 2025. Laut Studie würden diese nicht selten mit dem Attribut „weniger Plastik“ beworben und dem Verbraucher damit eine besondere Umweltfreundlichkeit suggeriert. Vor allem bei Serviceverpackungen und höherpreisigen Lebensmitteln sowie Bio-Artikeln sei dieser Trend häufiger zu beobachten. Den Studienergebnissen zufolge bereitet das Recycling von Papierverbunden Probleme. So sei in der Regel nur der Faseranteil der Verbundverpackung recyclingfähig, welcher meist bei über 70 Prozent liege. Für die übrige Kunststoffbeschichtung bliebe nur der Weg der energetischen Verwertung. Zudem konstatiert die GVM, „dass das faktische Recycling des Faseranteils zurzeit massiv hinter der theoretischen Recyclingfähigkeit herhinkt.“

„Der Ersatz ist Greenwashing“
Papierverbunde ersetzten aber zum Teil auch Kunststoffverpackungen, die nach heutigem Stand nicht oder nur begrenzt recyclingfähig sind. Aufgrund der derzeit stattfindenden Investitionen in die Kreislaufwirtschaft geht jedoch die GVM davon aus, dass sich die Recyclingfähigkeit im Kunststoffverpackungsmarkt bis 2025 weiter deutlich verbessern wird. Die Substitution durch Papierverbunde hingegen behindere die Optimierung der Recyclingfähigkeit im Kunststoffverpackungsmarkt.

„Wie so oft lohnt sich ein zweiter Blick, auch hinter grün wirkende Überschriften und Werbebotschaften“, sieht sich Dr. Isabell Schmidt, IK-Geschäftsführerin und Expertin für Kreislaufwirtschaft, in der skeptischen Haltung bestätigt. „Der Ersatz von Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde ist Greenwashing. Wenn es bei der Verpackung auf die besonderen Eigenschaften des Materials Kunststoff ankommt, dann sollte auf Papierfasern komplett verzichtet und eine voll recyclingfähige Kunststoffverpackung gewählt werden.“

Dass diesen Weg auch viele Inverkehrbringer mitgehen wollen, würden die von der GVM geführten Interviews zeigen. Viele Marktteilnehmer äußerten angeblich starke Zweifel an der ökologischen Vorteilhaftigkeit von Papierverbunden und wollen im Sinne der Nachhaltigkeit den Einsatz von Kunststoffrezyklaten stärken. Die überwiegende Zahl der Befragten wolle ihre Kunststoffverpackungen nicht durch Papierverbunde ersetzen.

„Mehr Spekulationen als faktenbasierte Prognosen“
Den Vorwurf des „Greenwashings“ weist der Wirtschaftsverband Papierverarbeitung (WPV) in einer Stellungnahme mit Nachdruck zurück: „Angesichts von Nachfrageverschiebungen, Innovationen bei Herstellung und Recycling von Verpackungen und neuer staatlicher Regularien ist die Methode der GVM-Studie mehr als fraglich, aus dem Status quo von 2021 Entwicklungen auf den Verpackungsmärkten bis 2025 zu prognostizieren.“ Dass sich die Autoren der Studie hier selbst nicht sicher seien, würden Formulierungen wie „wir gehen davon aus“, „es ist nicht unwahrscheinlich“ oder „wenn man eine bessere Recyclingfähigkeit der Kunststoffverpackungen in 2025 zu Grunde legt“ zeigen: „Hier handelt es sich offensichtlich mehr um Spekulationen als um faktenbasierte Prognosen.“

 

Über die Studie
Die von der GVM durchgeführte Studie analysiert folgende Fragestellungen: Wie stark wirkt sich die Substitution durch Papierverbunde voraussichtlich bis 2025 aus? In welchen Marktsegmenten findet sie statt? Und welche Auswirkungen besitzt sie auf den Materialverbrauch und die Recyclingfähigkeit der Verpackungen?

Als Papierverbunde zählen dabei alle kunststoffbeschichteten Papierverpackungen mit oder ohne Aluminium, auch wenn der Papieranteil bei über 95 Prozent liegt. Die Substitution von Kunststoffverpackungen durch reine Papierverpackungen und andere Materialen sowie der Trend zu unverpackter Ware waren nicht Gegenstand der Studie. Die Recyclingfähigkeit bemisst sich nach dem Mindeststandard der Zentralen Stelle Verpackungsregister.

 

Bezüglich der Recyclingfähigkeit beziehe sich die GVM auf den „Mindeststandard“ der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR), der seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahr 2019 jährlich überarbeitet, einer öffentlichen Konsultation unterzogen und in aktualisierter Fassung veröffentlicht werde. Der WPV fragt sich: „Wie kann die heutige Recyclingfähigkeit von Verpackungen für Szenarien des Jahres 2025 herangezogen werden, ohne die dann geltenden Beurteilungskriterien des ZSVR-Mindeststandards im Detail zu kennen?“

Andere Schlussfolgerungen
Unabhängig von den methodischen Zweifeln kommt der WPV bei einer ausgewogeneren Auswertung der Ergebnisse der Studie zu deutlich anderen Schlussfolgerungen als die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen und die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung: „GVM prognostiziert, dass bis 2025 insgesamt 60,9 kt Kunststoffverpackungen durch PPK-Verbunde substituiert werden, wovon 28,2 kt der substituierten Kunststoffverpackungen nicht recyclingfähig sind. Für die substituierenden PPK-Verbunde stuft GVM insgesamt 9,3 kt als nicht-recyclingfähig ein. Im Vergleich zu den 28,2 kt unrecycelbaren Kunststoffverpackungen sind dies 67 Prozent weniger nicht-recyclingfähiges Material. Selbst wenn GVM für 2025 von einer verbesserten Recyclingfähigkeit der Kunststoffverpackungen ausgeht, würden immer noch 16,1 kt nicht recyclingfähige Kunststoffverpackungen anfallen, hingegen nur 9,3 kt unrecycelbare PPK-Verbunde. Dies entspricht immer noch 42 Prozent weniger nicht-recyclingfähiges Material!“

Die Auswirkungen der Substitution auf Recyclingfähigkeit und Abfallvermeidung wertet der Wirtschaftsverband Papierverarbeitung als großen Erfolg. Dass Hersteller und Inverkehrbringer von PPK-Verbunden Greenwashing betreiben würden, sei völlig aus der Luft gegriffen und unseriös. Wichtig sei vielmehr, dass durch den Einsatz von PPK-Verbunden die Menge an Abfall, der nicht recyclingfähig ist, signifikant zurückgeht.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2021, Seite: 21, Foto: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM))

 

Anzeige