„Tracer-Based-Sorting“ – Die Zukunft der Kunststoffverwertung

Im Oktober dieses Jahres war es wieder soweit: Die eREC, die virtuelle Messe der Recyclingbranche, öffnete für zahlreiche internationale Besucher bereits zum zweiten Mal dieses Jahr ihre Pforten und zeichnete sich neben vielen Ausstellern durch eine sehr aufschlussreiche und zeitgleich anspruchsvolle Veranstaltungsagenda aus.

Unter den interessierten Zuschauern fanden die spannenden und professionellen Webinare, die verschiedene Recyclingthemen aus diversen Perspektiven beleuchteten, sehr viel Zuspruch.

Die Kreislaufwirtschaft steht aktuell vor einem ihrer größten Probleme: die Kunststoffverwertung. Der Ressourcenverbrauch spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle. Grund hierfür: Die Basis für die hochwertige Verwertung von Kunststoff sind fossile Energieträger.

Webinar-Screenshot, Quelle: MSV GmbH

Dr. Beate Kummer ist Chemikerin und für die Polysecure GmbH im Bereich Business Development tätig. Dieses junge, stark wachsende Technologieunternehmen zeichnet sich durch hohe Qualität, Wirtschaftlichkeit und sichere Technologie aus und bietet für viele Originalhersteller eine einzigartige Produktschutz-Technologie an. Das interdisziplinäre Team von über 30, meist akademischen Mitarbeitern, das sehr forschungsintensive Arbeit leistet, hat bereits 25 Patente eingereicht. Zudem arbeitet die Polysecure GmbH mit starken Partnern wie beispielsweise Siemens, Continental und Suez zusammen. Gemeinsam erstellen sie zahlreiche Machbarkeitsstudien und arbeiten an Förderprojekten.

Das eREC-Webinar von Beate Kummer mit dem Titel „Polysecure: Innovative Technologien als Baustein für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft“ befasste sich mit neuartigen Technologien, die darauf abzielen, den Sekundärrohstoff-Markt weiter zu verbessern und den Rezyklat-Einsatz in Deutschland und in Europa maßgeblich zu steigern. Allein die Tatsache, dass die Rezyklat-Einsatzquote von Kunststoffen in Deutschland insgesamt bei nur vier Prozent liegt, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass man Kunststoffe höherer Qualität für den Sekundärrohstoff-Markt zur Verfügung stellen muss, um so eine effektivere Kreislaufwirtschaft gewährleisten zu können. Die Problematik besteht darin, dass Kunststoffe aus dem Post-Consumer-Bereich eine sehr hohe Verunreinigungsrate aufweisen, sodass es recht schwierig ist, sie voneinander zu trennen und sie letztendlich gut zu recyceln.

Der Vortrag von Beate Kummer beleuchtet in diesem Rahmen dessen neue innovative Verfahren, sogenannte Marker-Technologien der Polysecure GmbH, die ein verlässliches Sortieren von Artikeln und Materialien nach vorgegebenen Kriterien ermöglichen. Polysecure hat dieses „Tracer-Based-Sorting“ (kurz TBS) mit einem Produzenten für das Abtrennen von glasfaserhaltigen PVC-Flakes bereits industriell validiert. Viele führende Unternehmen aus der Kunststoffindustrie haben bereits über 60.000 Tonnen ihrer Produkte erfolgreich mit Polysecure-Markern gekennzeichnet.

Beate Kummer erklärte zu Beginn ihres Vortrags die zahlreichen Chancen, die der „European Green Deal“ bereitstellt, um die „Kreislaufwirtschaft als eine echte Kreislaufwirtschaft in den Branchen zu etablieren“. Sie betonte, dass man „einen Weg finden muss, um die Ressourcenwirtschaft effizienter zu machen“. Viele Ziele des „European Green Deals“ bewegen sich in den Bereichen Klimaneutralität und Umweltschutz. Die Umsetzung aller Maßnahmen, die diesen Zielen dienlich sind, sollen sich Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2050 auf zwei Billionen Euro belaufen. Beate Kummer machte darauf aufmerksam, dass der „European Green Deal“ eine neue Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft mit höheren Verwertungsquoten darstellt; er hat jedoch ein Manko im Bereich der Produzentenverantwortung und einem echten Design für Nachhaltigkeit. Darauf sollte mehr Wert gelegt werden.

Hervorgehoben wurde auch der neue Entwurf der EU-Regelung zur Batterieverwertung, der für alle 27 EU-Mitgliedstaaten einen verpflichtenden Rezyklat-Anteil und einen sogenannten

Webinar-Screenshot, Quelle: MSV GmbH

„Material-Passport“ einführen möchte. Auch die EU-Regelung „Single Use Plastic Directive“ fördert die Kreislaufwirtschaft, indem sie Einwegprodukte beschränkt und Mehrweg- und stofflich verwertbare Kunststoffe fördert. Dadurch wird auch auf nationaler Ebene die stoffliche Verwertungsquote schrittweise angehoben. „Die RESAG-Initiative von einzelnen Bundesländern in Deutschland geht in die Richtung, dass man versuchen möchte, bei allen Kunststoffen in allen Bereichen beispielsweise Qualitätsanforderungen zu erlassen, um insgesamt den Rezyklat-Anteil zu stärken“, so schilderte Beate Kummer. „Polysecure stellt eine Reihe an innovativen Technologien bereit, um genau diesen Anforderungen gerecht zu werden. Sie zeichnen sich durch hohe Verwertungsquoten und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft aus.“

Markertechnologie zur Erkennung und Nachverfolgung
Die erste Technologie, die Beate Kummer in ihrem Vortrag hervorhob, ist die Markertechnologie zur Erkennung und Nachverfolgung der Produkte. Diese Marker sind anorganische, individuell optimierte und synthetisierte kristalline Partikel und zeigen eine sehr starke Floureszenz. Durch die zusätzlich hohen Quantenausbeuten kann die Signalstärke- und qualität durch stärkere Anregung erhöht werden. Ihre gute thermische und chemische Stabilität sowie ihre geringe Löslichkeit sind sehr effektive Voraussetzungen für eine gute Biokompatibilität. Auch wurden schon erste toxikologische Tests durchgeführt und bestanden. Derzeit läuft auch die Zulassung für den Trinkwasserkontakt, was letzten Endes eine sehr positive Wirkung auf die Recyclingwirtschaft der Kunststoffe haben könnte.

Polysecure ist in vielen verschiedenen Forschungsvorhaben mit etlichen namhaften Unternehmen beteiligt. Dabei werden einige neue Technologien erfunden und weiterentwickelt, so beispielsweise die benannte Marker-Technologie. Sie ist insbesondere im Bereich Patente und Produktschutz sehr wertvoll: „Das Einbringen von Floureszenzmarkern im Herstellungsprozess markiert das Produkt mit einem Code, ohne dass es dessen Eigenschaften ändert. Da die Markierung mit dem Code nachträglich nicht möglich ist, werden die Ansprüche der Originalhersteller und ihrer Produkte geschützt. Sie sind nützlich in vielen Bereichen wie beispielsweise in der Abwehr unberechtigter Gewährleistungen und im Nachweis von Plagiaten in einer Wertschöpfungskette“, fasst es Beate Kummer zusammen.

Auch in der Produktidentifizierung überzeugt diese neue Technologie: Im globalen Markt zielt man auf fälschungssichere und robuste Produkte ab. Jedes markierte Produkt weist einen floureszierenden „3D-Sternenhimmel“ auf, der bei jedem einzelnen Produkt ein zufälliges Muster hat und somit einmalig ist. Individuelle Produkte können dadurch fälschungssicher identifiziert werden. So entsteht ein nicht kopierbarer, robuster, individueller Fingerabdruck eines Produktes.

Eine andere interessante Technologie-Anwendung sind die sogenannten „POLTAG“. Will man Informationen homogen in festen und flüssigen Materialen speichern und aus kleinsten Proben auslesen, ist diese innovative Technologie bestens dafür geeignet. Polysecure kann diese patentierten „POLTAG“-Makromoleküle synthetisieren, sodass ihre Monomere viele Millionen Codes darstellen, die man selbst bei geringsten Konzentrationen aus kleinsten Proben auslesen kann. Da die Makromoleküle thermisch, chemisch und mechanisch wesentlich robuster sind als die natürliche DNA, kann man zum Beispiel auch Kunststoffe markieren.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass somit erstmalig eine Materialmarkierungs-Technologie existiert, die ein enormes Code-Spektrum aufweist und die auch von Zusammensetzung, optischen Eigenschaften und den Additiven der Matrixmaterialien praktisch nicht abhängt. Ihr großer Nutzen liegt unter anderem im Nachweis der Originalität und beliebiger Herstelldaten von Feststoffen, Flüssigkeiten und Endprodukten. Außerdem kann die Technologie Auskunft über die Rezyklat-Quote in verschiedenen Produkten geben.

TBS – Tracer-Based-Sorting
Schließlich stellte Beate Kummer das neu entwickelte „Tracer-Based-Sorting“, kurz TBS-Sortierverfahren vor. Es handelt sich hierbei um ein effizientes Sortieren von Materialströmen nach relevanten, definierbaren Spezifikationen. Es werden dabei Verpackungen markiert, um sie dann gut sortieren und in verschiedene Stoffströme einteilen zu können. Es gibt bereits die erste Marktanwendung, nämlich die Auftrennung von PVC-Partikeln bei PVC-Fensterprofile mit Glasfasern. Diese Praxis kann auf viele andere Anwendungen übertragen werden. Das „TBS“ wurde im BMBF-Projekt „MaReK“ weiterentwickelt. Im Zuge dessen wurde zum ersten Mal auch eine kleine Pilot-Sortieranlage für Kunststoffverpackungen konstruiert. „Man kann die Marker in die Produkte beziehungsweise in die Verpackungsmaterialien oder aber auch auf die Etiketten auftragen,“ erklärte Beate Kummer. Parallel hierzu hat ein umfassendes Stakeholder-Projekt stattgefunden, um alle Meinungen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenzubringen und zu reflektieren. Heutzutage ist es eine große Herausforderung, effizient und zuverlässig den Kunststoffabfall in verschiedene Fraktionen zu trennen. Die innovative Technologie des „TBS“ wird in Zukunft jedoch dabei eine große, hilfreiche Rolle spielen: „Die Idee ist es eben, dass es gelingen muss, dass man beispielsweise Food- von Nonfood-Verpackungen abtrennen, dass man Lebensmittel PET-Verpackungen mit speziellen Barriere-Eigenschaften ausschleusen und auch die PET-Verpackungen für Getränke sortieren kann,“ betont Beate Kummer.

Das neue Sortierverfahren TBS weist viele Vorteile auf:

  • Chaotische Lage und Deformation von Verpackungen beeinflussen die Verlässlichkeit des Verfahrens nicht
  • Es genügen kleine Tracer-Mengen; dabei ist die Detektion schnell, günstig und sehr verlässlich
  • Tracer können mit der Druckfarbe abgewaschen werden, sodass es zu keinen Verschleppungen kommt.

Es handelt sich somit um eine effiziente, verlässliche Sortiertechnologie für 20 bis 40 Fraktionen je Abfallstrom, die erstmalig ein solch gezieltes Sortieren überhaupt ermöglicht und hierbei eine Sortierqualität von über 95 Prozent erreicht. Bilderkennung durch Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Wassermarken sind prinzipiell weniger für eine solche Sortierung geeignet und erreichen weder die Sortierqualität noch die Wirtschaftlichkeit von „TBS“. Auch im Gegensatz zur bestehenden Sortiertechnologie „NIR“, die nur Hauptpolymere erkennen kann, überzeugt die „TBS“-Methode. Die Tracer-Kosten liegen ungefähr bei 20 Euro pro Tonne Verpackungsmaterial.

Natürlich müssen Politik und Technologie bei einer solchen Produkteinführung Hand in Hand gehen, und politische Herausforderungen sind notwendig: Mit dem Sortiersystem „TBS“ kann nun der Anwendungsbereich der Ökodesignrichtlinie auf europäischer und auf nationaler Ebene auf alle Produkte ausgeweitet werden. Zudem können die Sortierkriterien der dualen Systeme angepasst werden, um so höhere Quoten zu erreichen. Schlussendlich betont Beate Kummer, dass es ausschlaggebend ist, Sortier- und Gesamtverwertungsquoten für alle Abfälle zu erhöhen und eine neue Definition von Recyclingfähigkeit zu formulieren, die für alle Arten von Abfällen gilt.

Aufgezeichneten Vortrag auf YouTube ansehen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2021, Seite 16, Autorin: Annetta Buttitta, Webinar-Screenshot, Quelle: MSV GmbH)