Restabfallsortierung wegweisend für höhere Recyclingraten

Die Sortierung gemischter Siedlungsabfälle (Hausmüll) vor der Verbrennung kann eine der getrennten Sammlung von Kunststoffen überlegene Lösung sein. Das haben Tomra und das Abfallmanagement-Unternehmen Ivar in Norwegen gezeigt. Ivar betreibt am Standort Forus, zwischen den Städten Stavanger und Sandnes im Südwesten des Landes gelegen, eine Sortieranlage für gemischte Siedlungsabfälle. Die Abfälle sammelt das Unternehmen in zehn umliegenden Gemeinden mit insgesamt etwa 325.000 Einwohnern.

Foto: Tomra Recycling

Auf der Suche nach einer Lösung für mehr wertstoffliche Rückgewinnung aus gemischten Siedlungsabfällen wandte sich Ivar an Tomra. Im Testzentrum des Herstellers in Deutschland ermittelten sie gemeinsam anhand von Hausmüllproben aus der norwegischen Region das Potential einer gemischten Abfallsortierung. Nach den Erkenntnissen funktionierte die Papierrückgewinnung aus den Siedlungsabfallströmen schon recht gut. Die Kunststoffsammlung wurde als verbesserungswürdig erachtet. Der Hausmüll enthielt große Mengen an Kunststoffen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch getrennt gesammelt wurden.

Auf Grundlage der Analyse und der noch nicht voll ausgeschöpften Möglichkeiten bei der Sortierung von Hausmüll wurde ein neuer Business Case entwickelt. Das Ergebnis: der Bau einer vollautomatischen Sortieranlage für gemischte Abfälle, bestehend aus einer neuen Anlage für Kunststoffsortierung, Kunststoffaufbereitung, Papiersortierung sowie die Abschaffung der getrennten Kunststoffsammlung in der Region, für die Ivar zuständig ist. Die bisher getrennt gesammelten Kunststoffe werden nun ebenfalls über die graue Tonne entsorgt und in der Anlage verwertet. Infolgedessen gehen nur noch die Rückstände in eine Müllverbrennungsanlage mit Strom- und Energieerzeugung für Fernwärmesysteme.

Ende 2014 fiel der Startschuss für das Projekt. Seitdem arbeiteten Ivar, der Anlagenbauer Sutco Recycling Technik und Tomra als Lieferant der Sortiertechnologien gemeinsam an der Umsetzung. Die Anlage wurde im Januar 2019 in Betrieb genommen und verarbeitet rund 40 Tonnen Hausmüll pro Stunde. 22 hochmoderne Autosort-Maschinen von Tomra sortieren hier effizient und effektiv Kunststoffe (PET, PS, LDPE, HDPE und PP) und Papier (Mischpapier, Pappe und Getränkekartons) aus dem gesammelten Restmüll (graue Tonne). Darüber hinaus werden Metalle (Aluminium und Stahl) rückgewonnen.

Foto: Tomra Recycling

Vorsortierung
Sobald das gesammelte Material der Anlage zugeführt ist, werden Objekte, die größer als 350 Millimeter sind, durch ein Abfallsieb sortiert und zerkleinert. Im Anschluss trennen zwei Trommelsiebe das Material in drei Zielgrößen: 0-60 mm, 60-150 mm und 150-320 mm. In einem zweiten Schritt gewinnen die Autosort-Maschinen 90 Prozent der mittelgroßen (60-150 mm) und großen (150-320 mm) Kunststofffraktionen zurück, bevor sie gemischtes Papier extrahieren. Schließlich werden durch Magnete und Wirbelstromscheider sowohl die Nichteisen- als auch die Eisenmetalle entfernt.

Verwertung von Kunststoffen und Papier
Nachdem die Kunststoffe vorsortiert worden sind, erfolgt die Unterscheidung nach Materialart. Zunächst trennen Ballastikseparatoren Kunststofffolien und Hartkunststoffe. Danach übernehmen 14 Autosort-Maschinen die Trennung der Hartkunststoffe in PP, HDPE, PS und PET und erzeugen eine saubere Fraktion von LDPE-Folien. Um den Reinheitsgrad weiter zu erhöhen, durchlaufen diese Materialfraktionen einen zweiten Sortierschritt, in dem die restlichen Verunreinigungen entfernt werden. Die hochwertigen PS- und PET-Endfraktionen werden dann in materialtypspezifische Ballen verpackt und an verschiedene Recyclinganlagen in Europa versandt, während LDPE, HDPE und PP in der Forus-Anlage gewaschen, getrocknet, granuliert und als Granulat verkauft werden.

Gleichzeitig wird die gemischte Papierfraktion inklusive Kartonfraktionen aus der getrennten Sammlung in einer separaten Sortieranlage auf dem Gelände in Einzelfaktionen separiert. Die Sortierung erweist sich auch hier als sehr effizient: Von den 23.250 Tonnen an sortiertem Papier pro Schicht, werden 95,7 Prozent des Eingangsmaterials zu vier verkaufsfähigen Papierprodukten wie Deinking-Papier, OCC (Wellpappe), Getränkekartonagen und Mischpapier/Kartonagen verarbeitet.

Zielführende Technologie
In Forus sortieren die Autosort-Maschinen Papier in drei und Kunststoffe in sechs Zielfraktionen. Die hochentwickelte Sortiertechnologie kombiniert Nahinfrarot (NIR) und visuelle Spek­trometer (VIS). Die Sortiergenauigkeit nach Materialart und Farbe beruht vor allem auf der patentierten integrierten Flying Beam-Technologie von Tomra, die das Licht gleichmäßig über das gesamte Förderband verteilt und das gesamte Material, das den Scanner passiert, scannt und analysiert. Der Sensor sendet das entsprechende Signal an die Ventilblöcke der Maschine, die die Informationen des Scanners übersetzen und die gescannten Teile entweder auswerfen oder behalten.

Bei der Inbetriebnahme im Jahr 2019 setzte sich Ivar zwei Ziele: zum einen die Rückgewinnung nahezu aller Kunststoffarten (PE, PP, PS und PET) und zum anderen das Erreichen von Reinheitsgraden von 95/96 Prozent bei der Sortierung von LDPE, PP, HDPE, PS und PET. Dank der hochpräzisen Sortiermaschinen erreichte die Anlage schnell Reinheitsgrade von bis zu 98 Prozent. In der Papiersortierung wurden bereits mehr als 85 Prozent aller Getränkekartons erfolgreich aus dem Hausmüllstrom getrennt.

Ein neues Leben für Kunststoffe
Nach der Extraktion der Wertstoffe aus dem Eingangsmaterial werden die sortierten Fraktionen einem umfangreichen Recyclingprozess unterzogen. Homogene PET- und PS-Ballen sowie Eisen- und Nichteisenmetalle werden an europäische Recyclingunternehmen verkauft. Polyolefine (LDPE, HDPE und PP) werden an Ort und Stelle zu Flakes zerkleinert, heiß gewaschen, getrocknet, pelletiert und dann als Industrieprodukte vermarktet. Tausende Tonnen PE und PP aus Hausmüll konnten mit diesem umfangreichen und präzisen Prozess der Verbrennung entzogen werden. Der Business Case bei Ivar beweist, dass die Sortierung vor der Entsorgung recycelbare Materialien vor der Verbrennung verschont und damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Vor der Eröffnung der Abfallsortieranlage war die Quote der getrennten Sammlung in der Region schon hoch: 65 Prozent der in den Gemeinden gesammelten Abfälle wurden sortiert. Mit der Inbetriebnahme der Anlage liegt die Verwertungsquote von Wertstoffen nun bei 74 Prozent.

Nach vorne schauend
Die Ergebnisse nach Einführung des neuen Abfallmanagements haben gezeigt, dass die Sortierung von gemischten Abfällen vor der Verbrennung zahlreiche Vorteile mit sich bringt: Im Fallbeispiel der Region in Norwegen entfällt die Notwendigkeit der getrennten Sammlung von Kunststoffverpackungen und die damit verbundenen Kosten, sodass Ivar in der Lage ist, marktreifes Recyclingmaterial für neue Produkte und Verpackungen bereitzustellen und gleichzeitig seinen CO2-Fußabdruck erheblich zu verringern. Darüber hinaus haben die Partner bereits damit begonnen, zu untersuchen, ob Glas und Bioabfall aus der Feinfraktion (0-60 mm) wirtschaftlich gewonnen werden können.

Die Automatisierung des Sortierprozesses mit modernster Technologie hat stark zu diesem Wandel beigetragen. Die Partner sind jedoch davon überzeugt, dass die Automatisierung die Abfallsortierung nur ergänzt, aber niemals die lokalen Systeme zur getrennten Abfallsammlung ersetzen wird. Vielmehr müssen die Komponenten einer optimalen Abfallbewirtschaftung Hand in Hand gehen – von der Sammlung über die Sortierung gemischter Abfälle bis hin zum Recycling –, um den größten Einfluss auf die Recyclingmenge zu haben. In Norwegen funktioniert das bereits.

www.ivar.no
www.tomra.com/recycling

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2022, Seite 38, Foto: Tomra Recycling )