Verhalten optimistisch

Die Verbraucher konnten im Berichtsmonat Juli ihre Einkaufspreise je nach Werk und Sorte um durchschnittlich 10 Euro pro Tonne zurücknehmen. Immer noch ist der Bedarf der Werke entsprechend ihrer Auftragslage sehr unterschiedlich und reicht von keiner bis zu einer normalen Zukaufmenge.

Im Osten Deutschlands konnten die Werke wegen der größtenteils im Juli bis Anfang August durchgeführten Werksferien Preisreduzierungen von 10 bis 15 Euro pro Tonne durchsetzen. Auch während der Stillstandzeiten sind Anlieferungen in gewissem Umfang möglich, da wohl nicht alle Verbraucher mit den gewünschten Mengen versorgt wurden und beim Start nach den Ferien ausreichende Lagermengen zur Verfügung stehen sollen. Im Norden stieg der Schrottzukaufbedarf des Handels gegenüber dem Vormonat an. Je nach Werk reduzierte der Verbraucher den Preis um 5 bis 10 Euro pro Tonne. Im Nordwesten war der Bedarf durch die beginnende Ferienzeit vermindert. Auf Abschläge von 10 Euro pro Tonne reagierten die Anbieter mit geringen Mengenangeboten. Der Zukaufbedarf des Handels war in der Westregion verschwindend gering. An der Saar war nur ein Verbraucher mit einem Abschlag von 10 Euro pro Tonne bei relativ gutem Bedarf im Markt und im Südwesten senkte der Käufer bei hohem Zukaufbedarf den Einkaufspreis je nach Sorte, Lieferant und Zeitpunkt des Abschlusses um 5 bis 12 Euro pro Tonne. Im Süden konzentrierte sich der Verbraucher auf den Zukauf von verbundenen Unternehmen, und die angebotenen Preise waren für die übrigen eher unattraktiv.

Die Bundesregierung spricht in ihrem Bericht zur wirtschaftlichen Lage im Juli von einem spürbaren Aufholprozess bei allerdings immer noch starker Unterauslastung der Kapazitäten. Diesen Aufholprozess bezeichnet sie zwar als dynamisch, aber erst am Anfang stehend. Das langsam steigende Neuschrottaufkommen bestätigt die Beobachtung. Marktteilnehmer sprechen insgesamt von einer Produktion auf einem sehr flachen Niveau, denn immer noch ist Kurzarbeit bei vielen Unternehmen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Auslastung der Schrottwirtschaft ist entsprechend unterschiedlich. Für viele Händler wirkten sich sowohl im Juni als auch im Juli die guten Exportmöglichkeiten in Drittländer stabilisierend aus.

Nachbarländer
Die Auftragslage italienischer Stahlhersteller ist ebenso unterschiedlich wie überall in Europa. Bei einigen war der Bedarf erfreulich hoch, andere kauften kaum Mengen zu. Je nach Verbraucher blieben die Preise unverändert, oder die Lieferanten mussten Abschläge von 10 Euro pro Tonne akzeptieren. Der Verbraucher in Luxemburg kaufte wie schon im Vormonat deutlich mehr Schrott als noch im Mai. Mit Preisreduzierungen je nach Sorte von 7 bis 10 Euro waren bei Redaktionsschluss die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. Belgische und französische Werke kürzten bei schwacher Nachfrage die Angebotspreise um 7,50 bis 10 Euro pro Tonne. Da das Preisniveau unter dem in Deutschland lag, dauerten die Verhandlungen zum Teil noch über den 17. Juli 2020 an, oder es wurden lediglich Kontaktmengen geliefert beziehungsweise auf Abschlüsse verzichtet. In Österreich sanken bei einem ferienbedingt verminderten Bedarf die Preise für Neuschrott um 10 Euro pro Tonne und für Altschrott um 15 Euro pro Tonne. Es erfolgte eine Korrektur zum Vormonat, als die Preise unverändert geblieben waren. Kaum Zukaufbedarf hatte die Schweiz bei einem Preisabschlag von 5 Euro pro Tonne. In Tschechien lagen die angebotenen Einkaufspreise der Werke um 8 bis 10 Euro pro Tonne niedriger als im Juni. Von den beiden inländischen Verbrauchern verfügt der eine über eine erfreulich gute Auslastung, während der andere die Produktion wegen der schwierigen Marktlage kürzen musste. In Polen sind die Schrottpreise um rund 5 Euro pro Tonne gefallen. Die Nachfrage nach Baustahl ist fest und damit einhergehend der Schrottbedarf. Im Vereinigten Königreich konnten die Schrottverbraucher die angedachten 10 Euro pro Tonne doch nicht durchsetzen, sodass sich die Abschläge bei rund 5 Euro pro Tonne einpendelten. Trotz der geringen Nachfrage der inländischen Werke war das Angebot knapp, da das Aufkommen gering, die Exportmöglichkeiten jedoch gut waren. Die Einkaufspreise der Gießereien blieben größtenteils unverändert beziehungsweise mit 5 Euro pro Tonne etwas niedriger als im Vormonat.

 

Handlungskonzept Stahl
Am 15. Juli 2020 stellte Wirtschaftsminister Altmaier das „Handlungskonzept Stahl“ vor. Dazu eine Bemerkung. Es ist aus Sicht der Schrottwirtschaft selbstverständlich begrüßenswert, wenn die Stahlindustrie als systemrelevanter Industriezweig unterstützt wird und erhalten bleibt. Die im Rahmen des Green Deal geforderte Transformation zu einer CO2-neutralen Produktion ist nicht nur teuer und ambitioniert: Sie muss aus ökologischen und ökonomischen Gründen unterstützt werden. Die Schrottwirtschaft hätte sich jedoch eine verstärkte konzeptionelle Einbindung des Rohstoffs Schrott gewünscht. Rund 45 Prozent der deutschen Rohstahlproduktion basierten im vergangenen Jahr auf dem Einsatz von Schrott, was einer Menge von knapp 18 Millionen Tonnen entspricht. Es ist nicht korrekt, dass die dadurch eingesparten Emissionen keine ausreichende Würdigung finden. Bis zur gewünschten Umstellung der Hochofenroute wird noch etwas Zeit vergehen, und diese Zeit sollte die Stahlindustrie nutzten, um alle Möglichkeiten eines verstärkten Schrotteinsatzes in ihren integrierten Hüttenwerken auszuloten. Selbst bei den Elektrostahlwerken dürfte noch genügend Potenzial zur Effizienzsteigerung vorhanden sein. Die lapidare Aussage, die Schrottqualität sei nicht ausreichend, ist ein mehr als schwaches Argument, denn einer verstärkten qualitätsgesicherten Aufbereitung des zusätzlich benötigten Rohstoffs stehen sicherlich erheblich weniger Hindernisse und Kosten entgegen als der angestrebten Prozessumstellung.

 

Gießereien
Die wirtschaftliche Lage ist bei den meisten Gießereien angespannt, auch wenn sich bei einzelnen die Auslastung zu verbessern beginnt. Die an keinen Preisindex gebundenen Gießereien haben ihre Schrotteinkaufspreise im Juli um rund 10 Euro pro Tonne gegenüber Juni zurückgenommen. Die Werksferien, die je nach Auftragslage über das übliche Maß hinausgehen, werden im August die Nachfrage zusätzlich dämpfen. Einen kleinen Lichtblick vermittelte der Ifo-Konjunkturspiegel für das verarbeitende Gewerbe vom Juni 2020, denn die befragten Eisen-, Stahl- und Tempergießereien erwarten in den kommenden sechs Monaten eine leichte Belebung, die sie im vergangenen Monat noch ausgeschlossen hatten. Die starke chinesische Nachfrage nach Roheisen auf dem Weltmarkt lässt die Preise weiter steigen. Dies wird die europäischen Roheisenimporteure weniger tangieren, da der feste Euro gegenüber dem US-Dollar in gewissem Umfang preisdämpfend wirkt und die Erhöhungen auf Dollarbasis nicht in vollem Umfang auf die Verbraucher durchschlagen. Dies ist jedoch angesichts der angespannten Lage bei vielen Gießereien nur ein schwacher Trost.

Tiefseeexport
Obwohl die europäischen Lieferanten zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch keine Abschlüsse für August tätigen konnten, ist die Nachfrage der türkischen Verbraucher erfreulich hoch und stabil. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Schrottversorgung türkischer Werke werden im August kontinentaleuropäische Exporteure wieder zum Zuge kommen. Die türkischen Baustahlhersteller erfreuen sich sowohl einer festen Nachfrage im Inland als auch einer steigenden, vor allem im Fernen Osten. Die Werke konnten außerdem leichte Preiserhöhungen durchsetzen und somit ihre Margen verbessern. Die Schrottexporteure pochen nun ihrerseits auf Preisanpassungen. Mittlerweile sind die Frachtraten im Tiefseemarkt um 2 bis 4 US-Dollar pro Tonne gestiegen, und der Euro ist, wie erwähnt, gegenüber dem Dollar fester geworden, sodass die Preissteigerungen auf Dollarbasis umgerechnet in Euro geringer ausfallen.
Neben verbesserten Exportmöglichkeiten nach Ägypten zeigt Pakistan ein wachsendes Kaufinteresse. Hinter den indischen Abnehmern stehen noch Fragezeichen, da die verstärkte Ausbreitung des Coronavirus im Land möglicherweise einer Belebung der Stahlindustrie entgegensteht. Dennoch könnten die Europäer vom Ausfall der südafrikanischen Schrottlieferungen profitieren. Südafrika hat ab dem 3. Juli 2020 vorerst seine Schrottexporte für einen Zeitraum von zwei Monaten verboten. Indien bezog im vergangenen Jahr immerhin rund 415.000 Tonnen Schrott aus diesem Land. Vom ohnehin wachsenden Schrottverbrauch indischer Hersteller konnten die EU(28)-Exporteure in den letzten Jahren ebenfalls profitieren. Laut Eurostat steigerten sie ihre Exporte von 900.000 Tonnen in 2017 auf 1,9 Millionen Tonnen in 2019.

Schlussbemerkungen
Die Marktteilnehmer sind für August verhalten optimistisch. Die meisten rechnen nicht damit, dass die Schrottpreise im August sinken. Sie erwarten eher seitwärtsgerichtete Preise. Aus dem NE-Metallbereich berichtete der Handel, dass zwar die Börsennotierungen deutlich gestiegen sind, die Absatzmöglichkeiten zum Beispiel für Aluminium jedoch kritisch bleiben. So leiden die polnischen und italienischen Aluminiumgießereien, die für die Automobilindustrie produzieren, nach wie vor unter einer starken Unterauslastung und fragen demzufolge kaum Aluminium nach. Die Marktteilnehmer hoffen ab September auf Besserung. Leider bleibt unklar, wie sich die Auftragslage bei den Stahlwerken und Gießereien im kommenden Monat und darüber hinaus entwickeln wird. Da die meisten Elektrostahlwerke Schrottanlieferungen im verminderten Umfang auch während der Werksstillstände ermöglichen, scheint sie zumindest in naher Zukunft nicht schlecht zu sein. Möglicherweise will man mit einem gewissen Lageraufbau dem durch die steigenden Exportmöglichkeiten bedingten Preisauftrieb entgegenwirken. Die Marktentwicklung bleibt sehr volatil und besitzt genauso viel Aufwärts- wie Abwärtspotenzial.

Redaktionsschluss 17.07.2020, BG-J/bvse

(EU-Recycling 08/2020, Seite 38, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)

 

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