Textilrecycling: Ist die Branche fit für die Umsetzung der EU-Vorgaben?

Das diskutierte der 9. Internationale Alttextiltag 2022 in Amsterdam. Die Beteiligten zeigten sich optimistisch, dass eine funktionierende textile Kreislaufwirtschaft gelingen kann.

Der Expertenkonsens der vortragenden Referenten aus den Bereichen von EU-Politik, Forschung und Technologie sowie der Hersteller lässt den Schluss zu, dass der ambitionierte Zeitplan des EU-Green-Deals und insbesondere der EU-Textil-Strategie eingehalten werden kann, wenn alle am Prozess beteiligten Akteure eng zusammen arbeiten und eine gemeinsame Linie finden.

„Die aktuellen Vorgaben und Punkte der EU-Textil-Strategie finden grundsätzlich Zustimmung in der deutschen Textilrecyclingbranche. Optimistisch lässt uns auch die wahrgenommene positive Haltung seitens der Hersteller zu diesen Plänen in die Zukunft blicken“, fasste Stefan Voigt, bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Textilrecycling, seine Eindrücke von der Tagung zusammen und stellte dabei klar: „Die Textilrecycler kämpfen weiterhin mit Bergen von Alttextilien niedriger Qualität und immens steigenden Kosten. Eine Umsetzung der EU-Vorgaben unter Berücksichtigung der sozialen Komponenten und des angestrebten Einsatzes von Recyclingfasern in Neuware kann nur gelingen, wenn hier in Zusammenarbeit mit den Herstellern ein geeignetes Verantwortungskonzept der Hersteller gefunden wird, in dessen Struktur eine starke Beteiligung der Alttextilrecycler vorgesehen wird.“

Stefan Voigt (Foto: bvse)

Stand bei Getrenntsammlungspflicht und EPR-Systemen?
Die von der EU-Kommission eingeführte Getrenntsammlungspflicht ab 2025 kann möglicherweise nicht überall problemlos umgesetzt werden. Voigt: „Mit den bestehenden, gut funktionierenden Sammel- und Sortiersystemen sind wir in Deutschland sehr gut aufgestellt, aber das ist längst nicht in allen EU-Mitgliedstaaten der Fall. Sicher ist, dass die Einführung von EPR-Systemen durch die EU-Textilstrategie an Dominanz und Schnelligkeit gewinnen und in Zukunft ein vorherrschendes Thema sein wird.“ Wie die Gestaltung dieser Systeme aussehe, sei jedoch ungewiss. Die Arbeit an diesen Systemen stelle bereits seit einiger Zeit und auch in Zukunft einen Schwerpunkt in der Arbeit des Verbandes dar, erklärte Voigt auf Nachfrage.

Die Vorstellung des Verbandes verdeutlichte bvse-Rechtsrefentin Deliana Bungard: „Unterschiedliche und bereits bei anderen Stoffströmen etablierte EPR-Systeme bergen sowohl Chancen als auch Risiken. Jetzt kommt es darauf an, mit den Entscheidungsträgern in der Politik ein auf die Textilrecyclingwirtschaft zugeschnittenes System zu entwickeln. Der bvse setzt sich dafür ein, dass es aus der Entsorgungswirtschaft eine gemeinsame Stimme für einen Standard geben wird.“ Mehr regulatorische Maßnahmen, die sich aus dem Green Deal ergeben, lassen immer kleinteiligere Gesetze befürchten, die den Bürokratieaufwand weiter erhöhen. Die Politik bleibt aufgefordert, die richtigen Instrumente und Anreize für einen Paradigmenwechsel im Textilrecycling zu setzen.

Auch Julia Blees, Volljuristin und Policy Officer bei EuRIC, bestätigte in ihren Ausführungen zur im März vorgestellten EU-Textil-Strategie, dass das Thema der Herstellerverantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines der vier wichtigsten Schlüsselthemen aus insgesamt 24 Maßnahmen des EU-Papiers sei. In der guten Zusammenarbeit mit dem europäischen Branchendachverband EuRIC werde man sich im Sinne bester Lösungen konstruktiv und schlagkräftig auf EU-Ebene einsetzen, betonten die anwesenden Vertreter beider Verbände.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2022, Seite 12, Foto: PICVISA)