Meilensteine in der Arbeitssicherheit
Wie sich das Thema Arbeitssicherheit im Recycling in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, zeigt ein Beitrag von Heike Munro, Geschäftsführerin U-Tech Gesellschaft für Maschinensicherheit mbH.
Bei der Abfallverwertung hat Deutschland die Nase vorn: Über 10.700 kommunale und private Unternehmen, mehr als 310.000 Beschäftigte, rund 84 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr – diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache (Zahlen laut Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2020). Und doch gibt es Schattenseiten: Eines der dominierenden Probleme im Recycling war über viele Jahre die Unfallgefahr. Wie hat sich die Industrie in dieser Hinsicht entwickelt?
Wenn Menschen an Maschinen arbeiten, sind sie von Risiken umgeben – im Umfeld des Recyclings ist dies besonders ausgeprägt. Ob Mitarbeiter an der Ballenpresse stehen, ein Förderband beschicken oder am Umschlag tätig sind: Überall lauern erhebliche Gefahren. Schutzlos ausgeliefert sind die Beschäftigten längst nicht mehr. Vielmehr haben die für Sicherheit Verantwortlichen die Arbeitssicherheit immer stärker auf dem Schirm – und ergreifen erfolgreich Maßnahmen, um Beschäftigte zu schützen. Beispiele wie das der Weig Gruppe zeigen, dass ein hohes Maß an Bewusstsein dazu führt, dass Unfälle konsequent vermieden werden können. Dort werden Mitarbeiter laufend im Zuge von Unterweisungen in puncto Sicherheit informiert – diese ist auch Teil täglicher Routinen. In Verbindung mit dem Einsatz von Personenschutzsystemen ist dort über viele Jahre hinweg kein Arbeitsunfall aufgetreten.
Deutlicher Rückgang der Unfallzahlen seit 1992
Doch wie stellt sich die Situation im übergreifenden Kontext dar? Von bundesweit 806.217 registrierten Arbeitsunfällen für das Jahr 2021 sind 24.299 der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie zuzuordnen. Damit ist die Zahl der Arbeitsunfälle im zweiten Corona-Pandemiejahr im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Die bislang vorliegenden Zahlen für 2022 deuten auf eine nochmalig leichte Steigerung hin – ein negativer Trend. Doch viel entscheidender ist die Entwicklung über einen längeren Zeitraum. Bei der Betrachtung der Entwicklung über drei Jahrzehnte wird deutlich, dass hier Meilensteine gesetzt wurden: Gegenüber dem Rekord-Unfalljahr 1992 mit knapp 1,9 Millionen Arbeitsunfällen hat sich die Zahl mehr als halbiert. Mit durchschnittlich 19,78 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1.000 Vollarbeitern verzeichnete 2021 damit eine der niedrigsten Arbeitsunfallquoten in der Geschichte.
Insgesamt 510 tödliche Arbeitsunfälle waren im Jahr 2021 bundesweit zu beklagen. Zwar ist jeder Einzelfall äußerst tragisch, doch immerhin positiv ist das Signal, dass auch diese Zahl eine erhebliche Reduktion gegenüber der Vergangenheit bedeutet. Im Jahr 2000 waren es noch 1.153 Menschen, die bei der Arbeit zum Opfer eines tödlichen Unfalls wurden. Heute verzeichnen in Europa lediglich Großbritannien und die Niederlande weniger tödliche Unfälle pro 100.000 Erwerbstätige als Deutschland. Die Rate hierzulande liegt nun bei 0,78 Fällen (Stand: 2018), während der EU-weite Schnitt 1,63 beträgt. Wissenswert ist dabei, dass ein Unfall als tödlich gilt, wenn er innerhalb eines Jahres nach dem Schadenereignis zum Tode des Opfers führt.
Unfallrisiken senken im Recycling
Bei der Minderung der Zahl und der Schwere von Arbeitsunfällen – im Recycling wie in anderen Industrien – kommt eine Reihe von Faktoren zum Tragen. So wurden in vielen Firmen umfassende Schutzkonzepte entwickelt. Kommunikation und Unterweisungen durch Führungskräfte sind dabei eine tragende Säule. Ferner sind Warn- und Sicherheitssysteme ein entscheidender Hebel für eine erfolgreiche Prävention zur Vermeidung von Unfällen. Experten unterstützen bei der Frage, welche Lösung im Hinblick auf den jeweiligen Bedarf am besten geeignet ist. Hier steht insbesondere der Schutz vor Unfällen an Maschinen im Fokus. Darüber hinaus gilt es auch, Risiken in Hof und Halle zu minimieren, etwa bei Kollisionen von Mitarbeitern mit Fahrzeugen. Das Bemühen, in Arbeitssicherheit zu investieren, wird branchenübergreifend deutlich. Laufend verschärfte Richtlinien sind dabei ein entscheidender Motivationsfaktor. Denn insbesondere seitens der Berufsgenossenschaften und des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurden über die Jahre unterschiedliche Initiativen lanciert, um Normen weiterzuentwickeln.
Vision Zero: Eine Welt ohne Arbeitsunfälle
Die Vision Zero Initiative der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (ISSA) verfolgt das Ziel einer Welt ohne Arbeitsunfälle und arbeitsbedingten Erkrankungen. Höchste Priorität hat dabei die Vermeidung tödlicher und schwerer Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dazu gehört auch eine umfassende Präventionskultur. Hinter der Initiative stehen Organisationen, die sich auf außerordentliche Weise für dieses Ziel engagieren. Mehr Infos unter: visionzero.global/de
Der Weg zur Normierung berührungslos funktionierender Schutzsysteme
Elektronische Personenschutzsysteme sind ein entscheidender Baustein, um die Sicherheit für Menschen zu erhöhen, die an Maschinen tätig sind. Doch erst mit einer Normierung werden solche Schutzsysteme in der Industrie implementierbar. U-Tech war über viele Jahre daran beteiligt, die Normierung RFID-basierter, berührungslos funktionierender Schutzsysteme zu voranzutreiben. In der Folge zählen diese heutzutage in weiten Bereichen zum Industriestandard.
- In den Anfangsjahren ab 2000 lag das Hauptaugenmerk auf der Definition der „berührungslos wirkenden Schutzsysteme“ und auf Untersuchungen, ob und wie RFID-Technologie grundsätzlich in Personenschutzsystemen zugelassen werden kann.
- Hierfür mussten zunächst passende europäische Normen identifiziert werden, die einer Prüfung zugrunde gelegt werden konnten.
- Die erste Baumusterprüfbescheinigung für ein solches System wurde Anfang 2003 basierend auf DIN EU 60947-5-3 und 954-1 vom Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit (BGIA, jetzt IFA) ausgestellt.
- Nach der Ausarbeitung von Anforderungen folgte 2007 eine Prüfempfehlung für „Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen in RFID-Technologie zum ergänzenden Körperschutz an Ballenpressenanlagen“.
- Mit der Version der Maschinenrichtline DIN EN 61496-1 (2014) und DIN EN ISO 13849-1 von 2015 etablierte sich erstmal seine umfassende Norm, die bis heute relevant ist.
- Präventionsforen sind darüber hinaus kontinuierlich mit der Ausarbeitung neuer und verbesserter Richtlinien beschäftigt, in denen auch neue Unfallszenarien berücksichtigt sind.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2023, Seite 28 -Fachbeitrag-, Foto: U-Tech)