GewAbfV: Noch keine (Ver-)Ordnung beim Gewerbeabfall

Im Auftrag des Umweltbundesamtes haben Experten über Grundlagen für die Evaluierung der Gewerbeabfallverordnung nachgedacht. Der 147-seitige Bericht verdeutlicht, warum und wo es bei der Umsetzung der GewAbfV hakt.

Bei den rund 20.000 Betrieben, die das Statistische Bundesamt als Abfallerzeuger erfasste, fielen 2018 mindestens 5,4 Millionen Megagramm (oder Tonnen) gewerbliche Siedlungsabfälle an, davon rund zwei Drittel (63 Masseprozent) in getrennt gesammelten Fraktionen (rund 3,4 Mio. Mg). Die übrige Menge von rund zwei Millionen Megagramm (37 Masseprozent) setzte sich zusammen aus getrennt vom Hausmüll angelieferten oder eingesammelten gemischten gewerblichen Siedlungsabfällen (ggSiedlAbf), gemischten Verpackungen aus gewerblichen Anfallstellen sowie gewerblichem Sperrmüll.

Statt 90 nur 33 Prozent Getrenntsammlung
Der Anteil produktionsspezifischer Gewerbeabfälle spielt bei der Erfüllung der Getrenntsammlungsquote eine große Rolle. Werden die gewerblichen Abfälle, die in den Betrieben auflaufen, mit einbezogen, erzielen die Wirtschaftsbereiche Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwarenherstellung eine Getrennterfassung von ≥ 90 Masseprozent. Dürfen die produktionsspezifischen Gewerbeabfälle aber nicht berücksichtigt werden, fällt die Quote bei Maschinen- und Fahrzeugbau auf 66 Masseprozent – womit ihre Abfälle einer Vorbehandlungsflicht unterliegen –, für die Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwarenproduzenten auf rund 33 Prozent.

Die bislang für Gewerbe- und Industrieabfälle vorliegenden Daten sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, warnen die Autoren des UBA-Berichts: „Das Gesamtaufkommen getrennt erfasster gewerblicher Siedlungsabfälle in Deutschland kann nicht quantitativ benannt werden“, da bundesweit keine entsprechenden statistischen Erhebungen durchgeführt werden. Hochrechnungen aufgrund der vorhandenen Teilerhebungen seien nicht zielführend, da insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe Informationen fehlen, die als Grundlage genutzt werden könnten.

Wenig Informationen vorliegend
Auch die vorliegenden Landeslisten zum Bestand der insgesamt 279 öffentlich aufgeführten Vorbehandlungsanlagen erweisen sich als wenig hilfreich. Das liegt an ihrer Uneinheitlichkeit: Mal ließen Bundesländer die technische Ausstattung der Anlagen nach Gewerbeabfallgesetz behördlich prüfen, mal genügte eine formlose Anmeldung durch den Anlagenbetreiber. Die Listen – so die UBA-Beurteilung – lieferten überwiegend keine Informationen darüber, ob an den betreffenden Standorten ggSiedlAbf oder ausschließlich gemischte Bau- und Abbruchabfälle behandelt werden können. Gleiches gilt für die Behandlungskapazitäten und die behandelten Abfallmengen. Der Bericht kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass – zieht man die laut Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung genehmigten Standorte hinzu – tatsächlich insgesamt 361 Vorbehandlungsanlagen zur Verfügung stehen.

Foto: Dr. Jürgen Kroll

Alles in allem lasse sich daher nur abschätzen, dass gewerbliche Siedlungsabfälle zu rund 60 Prozent als Monofraktionen und zu 40 Prozent als Gemisch mit grundsätzlich schlechterem Recyclingpotenzial erfasst werden. Positiv schlägt zu Buche, dass sich der Anteil an ggSiedlAbf, die thermisch behandelt werden, zwischen 2016 und 2020 von 46 auf 32 Prozent verringerte, während im gleichen Zeitraum der Anteil der in Sortieranlagen verarbeiteten Gemische von 36 auf 45 Prozent und der für sonstige Behandlungsanlagen angefallene von acht auf zwölf Prozent stieg. Allerdings: „Die dabei erzeugten Mengen an Sortierresten und EBS hatten wiederum einen Anstieg der beiden Fraktionen als Input in die energetische Verwertung zur Folge.“ Außerdem – so das UBA-Papier – habe sich schon vor 2017 der Trend abgezeichnet, dass der Anteil recycelbarer Fraktionen im Output von Behandlungsanlagen abnimmt; es seien spürbar weniger Wertstoffe in Abfallgemischen enthalten. Zurückgeführt wird dies vor allem auf wirtschaftliche Anreize bei der Getrenntsammlung. Die Novelle der Gewerbeabfallverordnung sei dafür aber nicht hauptursächlich, sondern besäße bestenfalls unterstützende Funktion.

Nur elf Masseprozent recycelte Abfälle
Eine Fragebogen-Aktion im Jahr 2020 ergab, dass die Voll- und Kaskadenanlagen 18 Masseprozent der angenommenen Abfälle in eine Wertstoff-fraktion sortieren, 34 Masseprozent zu Ersatzbrennstoffen verarbeiten, 26 Masseprozent als Sortierrest zur energetischen Verwertung ausschleusen und zehn Masseprozent als Mineralikfraktion nutzen. Fünf Masseprozent gelten als Abfälle zur Beseitigung, während vier Masseprozent als nicht sortierfähig zur energetischen Verwertung vorgesehen werden. Die zur Wertstofffraktion zählenden Fe-Metalle und PPK gehen überwiegend ins Recycling, während Holz und Kunststoffe hauptsächlich energetisch genutzt werden. Von der Mineralik – 60 Masseprozent Steine, 40 Masseprozent Feinkorn – finden 40 Masseprozent der Steine und 20 Masseprozent des Feinkorns den Weg ins Recycling. Somit besteht die Outputfraktion der Voll- und Kaskadenanlagen nur zu elf Masseprozent aus recycelten Abfällen, während 72 Masseprozent auf Ersatzbrennstoffe, Sortierreste und knapp die Hälfte des aussortierten Wertstoffe (46 Masseprozent) zur Verbrennung entfallen.

Energetisch verwertete Anteile sehr hoch
Die Stoffströme speziell der Vollanlagen, die ausschließlich ggSiedlAbf behandeln, spalten sich auf in sechs Masseprozent Wertstoffe aus den gemischten Siedlungsabfällen abgetrennt, etwa 37 Masseprozent als EBS und weitere 55 Masseprozent als Sortierrest, separiert für eine energetische Verwertung, sowie mineralische Fraktionen und Abfälle zur Beseitigung in Höhe von unter einem Masseprozent.

Behandeln die einbezogenen Vollanlagen neben ggSiedlAbf aber auch gemischte Bauabfälle, separieren sie aus den Gemischen 13 Masseprozent an Wertstoffen, 33 Masseprozent als EBS, einen Sortierrest von rund 35 Masseprozent und mineralische Fraktionen in Höhe von zehn Masseprozent. Hinzu kommen Abfälle zur Beseitigung mit vier Masseprozent und drei Masseprozent als nicht sortierfähig und zur energetischen Verwertung vorgesehen. Der Wertstoffanteil beläuft sich bei Behandlung von ausschließlichen ggSiedlAbf auf sechs Masseprozent, bei zusätzlich gemischten Bauabfällen auf 13 Masseprozent. In der Summe: „Mit insgesamt 96 Masseprozent bzw. 71 Masseprozent sind die energetisch verwerteten Anteile sehr hoch.“

Kaskadenbehandlung nicht verordnungskonform
Eine Bilanzierung der Stoffströme in der ersten Behandlungsstufe von Kaskadenanlagen, die an 15 Anlagen vorgenommen wurde, ergab den Austrag von acht Masseprozent an Wertstoffen und 41 Masseprozent als Sortierreste. Hinzu kamen rund neun Masseprozent Mineralik-Fraktion, etwa sechs Masseprozent als EBS, fünf Masseprozent zur Beseitigung sowie weitere fünf Masseprozent, die als nicht sortierfähig eingestuft und direkt einer energetischen Verwertung zugeführt werden. Der Stoffstrom, der nach erster Sortierung in eine zweite Kaskadenstufe gelangt, beläuft sich auf 26 Masseprozent. Insgesamt werden damit fast 47 Masseprozent des Inputs als EBS oder Sortierrest der Verbrennung zugeführt werden. Die UBA-Studie kommt daher zu dem Schluss: „Dies widerspricht dem grundsätzlichen Vorrang der Vorbehandlung vor der energetischen Verwertung und stellt keine verordnungskonforme Behandlung von Abfallgemischen i.S.d. GewAbfV dar. Vorgeschaltete Anlagen dürfen als erste Stufe einer Kaskade keine Abfallgemische zur sonstigen, insbesondere energetischen Verwertung ausschleusen.“ Vielmehr – wird vermutet – „dass es sich hier um ein Standardvorgehen handelt, das in der Praxis weit verbreitet ist“. Nur ein Viertel des Outputs werde einer nachgeschalteten Anlage zugeführt.

Die Analyse des Umweltbundesamtes führt zu dem Schluss, dass die Recyclingquoten für Gewerbeabfälle der Jahre 2019 bis 2021 „weit hinter dem theoretischen Potenzial zurückliegen“. Und zwar deshalb, weil nach Aussage der Betreiber von Vorbehandlungsanlagen eine tiefergehende Sortierung durch die Konkurrenz auf dem Markt für energetische Verwertung „nicht zu rechtfertigen“ sei. Oder wie es die Berichterstatter formulieren: Es bestünde „für den Abfallerzeuger bzw. die Entsorger (vorrangig Containerdienste) ein finanzieller Anreiz zur Umgehung der Vorbehandlungspflicht.“

24 Handlungsempfehlungen
Abhilfe könnte durch angepasste Energiepreise, die Einführung einer Rezyklateinsatzquote, bessere Absatzmöglichkeiten für erzeugte Fraktionen und weniger komplexe Genehmigungsverfahren erreicht werden. Außerdem bedenkt der Bericht unter anderem eine Änderung von Recy­cling- und Sortierquoten, beleuchtet eine mögliche Verschärfung der Dokumentationspflichten und benennt Ausnahmetatbestände. Die abschließenden 24 „Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Umsetzung der GewAbfV“ des Berichtes sehen als Adressaten von Optimierungen vor allem Abfallerzeuger und -besitzer, die Betreiber von Vorbehandlungsanlagen und die Vollzugsbehörden der Länder vor, richten sich aber hauptsächlich an das Bundesumweltministerium, die Länderministerien sowie an LAGA und LAG GADSYS (Länderarbeitsgruppe Gemeinsame Abfall-DV-Systeme).

Bei all dem gilt zu bedenken: Die Betreiber von Vorbehandlungsanlagen sind weder die Produzenten der Abfälle noch die Verfasser entsprechender Verordnungen.

Der UBA-Bericht ist unter umweltbundesamt.de/publikationen/erarbeitung-von-grundlagen-fuer-die-evaluierung-der erhältlich.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2023, Seite 6, Foto: Andi Karg)