„Kreislaufwirtschaft braucht Automatisierung und KI“

Regulierungsdiskussion und mangelnde Technologieoffenheit gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Das machte die VDI-Konferenz „Automation“ in Baden-Baden deutlich. Um die Industrie unabhängiger von Rohstofflieferländern und resilient aufzustellen, seien Investitionen in Automatisierung und KI erforderlich.

Prof. Michael Weyrich, Vorsitzender der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik und Leiter des Instituts für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme an der Universität Stuttgart, kritisierte, dass wir uns in der gesellschaftlichen Diskussion auf Fragen der Ethik, des Rechts und der Regulierung konzentrieren würden, ohne die konkreten technologischen Herausforderungen aufzuzeigen und uns für deren technische Lösung zu begeistern. Technologieoffenheit sei ein großes Thema in der Mess- und Automatisierungstechnik. Man sollte zuerst technologieoffen über die Möglichkeiten nachdenken und dann die Technologien machen, die man aus rechtlichen und ethischen Gründen auch umsetzen will.

Ruf nach nachhaltigen Geschäftsmodellen
Jetzt und in Zukunft ermöglicht die Digitalisierung und Automatisierung Nachhaltigkeit in allen Sektoren, meint Dr. Wilhelm Otten, Vorsitzender des interdisziplinären Gremiums Digitale Transformation im VDI und Inhaber von WOtten Consulting. Der Aufbau und das Management der Kreislaufwirtschaft seien für den Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidend, denn 45 Prozent des Primärenergiebedarfs des Landes fließen in Produktion und Gewerbe.

„Wesentliche Rohstoffe sind in ihren Vorkommen limitiert und müssen importiert werden. Kreislaufwirtschaft macht die Industrie unabhängig von Rohstofflieferländern und resilient“, verdeutlichte Otten. Doch der Aufbau der Kreislaufwirtschaft verlange Veränderungen. Festmachen ließe sich das an einem anderen Kaufverhalten und dem Ruf nach nachhaltigen Geschäftsmodellen: „Das Informationsmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungsketten unter Nutzung der Simulation und KI ist entscheidend, um die notwendige Transparenz zu schaffen und die Kreislaufwirtschaft zu optimieren.“ Wilhelm Otten ist sich sicher, dass in der Produktion KI nur in Verbindung mit ingenieurtechnischen Kompetenzen erfolgreich sein wird: „Zur Meisterung dieser Herausforderungen bedarf es überzeugter, junger Ingenieurinnen und Ingenieure, die die Technologieentwicklung vorantreiben und gestalten.“

Umgang mit extremen Daten
Prof. Iris Gräßler, Vorsitzende des VDI-Fachbeirats Digitalisierung und Virtualisierung sowie Vorstand am Heinz Nixdorf Institut an der Universität Paderborn, bekräftigte auf dem Kongress: „Um Klimaneutralität zu erreichen, brauchen wir kreislauffähige Produkte.“ Mit der Forderung nach Kreislaufwirtschaft würden nicht nur die technischen Systeme an sich komplexer, sondern auch ihre Lebenszyklen. „Wir kämpfen heute damit, dass zwischen Entwicklung und Rezyklierung eines Produkts ein ganzes Produktleben liegt – also bei einem Kraftfahrzeug durchaus zwei Jahrzehnte Zeit. Das heißt, wir müssen uns heute überlegen, welche Mengen und Qualitäten an rezykliertem Material in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren zur Verfügung stehen werden“, führte sie weiter aus.

Ressourcenverbräuche, Abgasemissionen und Recyclingprozesse, die über einen Digitalen Zwilling abgebildet werden, gingen mit massenhaften Datenmengen einher. „Diese Datenmengen stammen aus verschiedenen Quellen, unterliegen großen Schwankungen und Unsicherheiten – wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von extremen Daten“, ordnete Gräßler ein. Für die Expertin reichen etablierte Verfahren wie Heuristiken, Modelle und Simulationen nicht mehr aus, um Daten vollständig und schnell genug berücksichtigen zu können. „Mithilfe von KI-Algorithmen werden zukünftige Entwicklungsentscheidungen unterstützt. Es gilt also, mit Automatisierung und KI die Grundlagen für eine neue Leistungsfähigkeit in der Produktentstehung zu legen“, schloss Iris Gräßler.

Digitale Lösungen werden wesentliche Grundlagen zur Erreichung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft darstellen. Mehr dazu ist im VDI-Statusreport „Digitalisierung schafft Transparenz für die Kreislaufwirtschaft“ zu erfahren: vdi.de/ueber-uns/presse/publikationen/details/digitalisierung-schafft-transparenz-fuer-die-kreislaufwirtschaft

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2023, Seite 21, Abb.: VDI / Westend61/gettyimages.com)