BDSV Branchentreff: Stahlrecycling braucht organisatorische Änderungen

Die deutschen Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen blicken pessimistisch auf das kommende Jahr. Doch der BDSV Branchentreff 2024 am 9. und 10. Oktober in München unter dem Motto „CO2 minimieren – Stahlrecycling maximieren“ machte deutlich, welches Potenzial in diesem Industriezweig steckt. Und welche politischen Bremsklötze zukünftig entfernt werden müssen.

Die diesjährige Branchenumfrage der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) deckte auf, dass rund 59 Prozent der befragten Unternehmen im kommenden Jahr eine schlechtere Geschäftslage erwarten; lediglich zwei Prozent glauben an eine Besserung der Situation. Die Zahl der Stahlschrott-verarbeitenden Betriebe, die mittelfristig höhere Investitionen tätigen wollen, hat sich in etwa halbiert – nur noch 15 anstelle 28 Prozent. Und knapp 21 der befragten Unternehmen haben Investitionen aufgrund zu langwieriger Genehmigungsverfahren aufgegeben.

Durch Unsicherheiten gebremst
Unter den Hemmnissen besitzt die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung das meiste Gewicht, gefolgt vom Mangel an Lkw-Fahrern und hohen Transportkosten. Hinzu kommen geringer Materialzulauf, Fachkräftemangel und steigende Produktionskosten. Auch bestehen Bedenken angesichts von Batteriebränden, wie sie durch defekte Lithium-Ionen-Akkus hervorgerufen werden können: Immerhin wurde in den letzten fünf Jahren rund die Hälfte der befragten Betriebe von Brand-Ereignissen heimgesucht, ein Fünftel der Unternehmen mehr als dreimal. Was die Personalplanung anlangt, wollen 17 Prozent der Betriebe mehr Mitarbeiter einstellen – das sind allerdings 20 Prozent weniger als bei der letzten Umfrage. 73 Prozent der Unternehmen wollen die Beschäftigtenzahlen halten; zehn Prozent planen einen Stellenabbau. Andererseits hat sich die Situation am Arbeitsmarkt leicht entspannt: 79 Prozent der befragten Unternehmen hatten Probleme bei der Suche nach geeignetem Personal – immerhin rund elf Prozent weniger als im Vorjahr.

Schrottexporte rückläufig
Die verhaltene konjunkturelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft schlägt auch auf die Stahlrecyclingwirtschaft durch. Die schwierige Situation in der Bauwirtschaft führte zu einer deutlichen Verringerung des Altschrottzulaufs. Da die stahlverarbeitende Industrie keine Abnehmer fand und ihr Kapazitäten drosselte, sank auch der Ausstoß von Produktionsabfällen und somit von Neuschrott. Die deutschen Stahlschrottexporte gingen zwischen den ersten Halbjahren 2023 und 2024 um 7,3 Prozent zurück, der Absatz in Drittländer gar um 11,1 Prozent. Schrottimporte legten im gleichen Zeitraum um 17,2 beziehungsweise 10,9 Prozent zu.

Trend zum Green Deal
Zwischen Januar und August 2024 stieg die Rohstahlproduktion um vier Prozent auf 25,4 Millionen Tonnen. Was das Verhältnis der Bearbeitungsmethoden betrifft, konnte im ersten Halbjahr der Elektrostahloutput um 8,6 Prozent wachsen, während die Oxygenstahlproduktion um 2,2 Prozent zulegte. Dabei stieg der Anteil der Rohstahlproduktion im Elektrostahlverfahren von 38,8 auf 41 Prozent, hauptsächlich für Baustähle und -träger, die Verwendung finden, um den Sanierungsstau in Infrastrukturprojekten aufzuheben. Laut dem stellvertretenden BDSV-Präsidenten Stephan Karle werde damit auch dem Trend zum Green Deal – durch Rohstahlerzeugung aus Schrotten – entsprochen, auch wenn im vergangenen Jahr der seit 2009 niedrigste Stand erreicht wurde.

Mögliche Schrottlogistik-Varianten
Als wichtiges Tagungsthema präsentierte Maximilian Schellert vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie zur „Schrottlogistik“. Durch Untersuchung der Stoffströme in der Schrottlogistik erarbeiteten die IML-Forscher eine Bedarfsanalyse, die ergab, „dass die Planbarkeit der Transporte für Empfänger immer relevanter wird, um Anlagen der Aufbereitung und der Stahlherstellung gleichmäßig auszulasten und Lagerbestände gering zu halten“. Daraus entwickelten die Forscher mögliche Schrottlogistik-Varianten. Auf diesem Hintergrund erhebt der Stahlrecyclingverband BDSV nun zentrale Forderungen, um eine nachhaltige und effiziente Entwicklung der Branche im Bereich der Schrottlogistik zu gewährleisten. Ziel ist es, mehr Schrotttransporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern und dabei einen zusätzlichen Beitrag zur CO2-Reduzierung in den Prozessen der Stahlherstellung zu leisten.

Standzeiten verkürzen, Durchlaufzeiten optimieren
Die BDSV fordert eine Reduzierung der Wagenstandzeiten und schnellere Durchlaufzeiten. An der jetzigen Situation seien unter anderem die Stahlwerke schuld, die leere Waggons nicht zurückschicken, sodass sie im Umlauf fehlen. Andererseits kalkuliere die Bahn mit einem Umlauf, der mindestens doppelt so schnell sein müsste, aber in der Praxis nicht funktioniert. Darum sollten die Standzeiten der Waggons signifikant verkürzt und die Durchlaufzeiten optimiert werden, um den Schienengüterverkehr effizienter zu gestalten und die Transportkette für Stahlrecyclingbetriebe zu beschleunigen. Dies – so der Vorschlag der BDSV – könnte durch gezielte Investitionen in die Infrastruktur und eine engere Zusammenarbeit zwischen Eisenbahnunternehmen und Stahlrecyclingbetrieben erreicht werden.

Poollösungen einführen
Neben anderem spricht sich die BDSV für die Einführung von Poollösungen für Eisenbahnwagen aus. Dadurch werde ein Anreiz gegeben, um die Verfügbarkeit des Equipments zu erhöhen und gleichzeitig die Flexibilität der Transportprozesse zu verbessern. Hierbei seien modulare Systeme von Vorteil, da sie eine effizientere Nutzung der Wagen und eine schnellere Anpassung an veränderte Transportbedürfnisse ermöglichen. Unterschiedliche Transportvarianten und Behälterlösungen seien zu prüfen. Allerdings – betonte BDSV-Präsident Andreas Schwenter – dürfe dies nicht zu zusätzlichen Investitionen durch die Stahlrecyclingindustrie führen. Auch müssten die Kosten für Bahntransporte insgesamt deutlich unter denen der Lkw-Transporte liegen: Noch gebe es Strecken, bei denen der Lkw gegenüber der Bahn bis zu 15 Euro pro Tonne günstiger ist. Schwenter ist überzeugt: „Zurzeit geht der Trend wieder zur Verlagerung auf die Straße. Diesen Trend müssen wir umkehren.“

Im Kombinierten Verkehr einsetzen
Außerdem sollte geprüft werden, inwieweit neue, im Kombinierten Verkehr (KV) einsetzbare Behälter in die bestehende Transportkette integriert werden können. Modulare Behältersysteme, die in verschiedenen Verkehrsträgern verwendet werden können, tragen dazu bei, die Effizienz im Schrotttransport erheblich zu steigern. Hierbei müsse jedoch sichergestellt werden, dass die Behälter selbst wie auch die Umschlagmöglichkeiten für einen reibungslosen Betrieb geeignet sind. Auf diese Art und Weise könnten auch Betriebe, die über keine Verladestelle verfügen, an die Bahn angeschlossen werden. Andreas Schwenter: „Es ist ein großes Brett, das gebohrt werden muss, aber die Idee ist nicht schlecht.“ Zurzeit erweitern einige Umschlagterminals in Europa ihre Kapazitäten. So baut beispielsweise Rotterdam einen neuen kompletten Umschlagbahnhof für kombinierten Verkehr samt Behälterlösungen aus.

Eine „Fastlane“ für Genehmigungen
Neben dem Wunsch nach einer Steigerung der Zuverlässigkeit in der Wertschöpfungskette fordert die BDSV auch politische Änderungen. Dazu gehören ein niedrigerer Strompreis zur langfristigen Sicherung des Industrie­standorts, Anschubförderungen für ressourcenschonende Produktionskonzepte, die Weiterentwicklung und Förderung des Einzelwagenverkehrs sowie den Erhalt bestehender Aufbereitungsflächen. Vor allem aber fordert die BDSV im Verein mit dem Verband Deutscher Metallhändler und Recycler (VDM) eine dringende Überarbeitung, Anpassung und Beschleunigung der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren: eine „Fastlane“ bei CO2-einsparenden Projekten. „Wir appellieren an die Politik, die Dringlichkeit dieser Anliegen zu erkennen und entsprechende Reformen auf den Weg zu bringen“, betonten die Verbände abschließend.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2024, Seite 6, Foto: BDSV)