Elektrogesetz: Falsche Wahrnehmung der Recyclingpraxis
Die Empfehlung des Umweltausschusses des Bundesrats, die direkte Annahme von Altgeräten aus privaten Haushalten bei zertifizierten Erstbehandlungsanlagen nicht zuzulassen, schlägt in der Branche hohe Wellen.
Der Umweltausschuss begründet seine Entscheidung damit, dass die Ausweitung der Sammelberechtigten den Vollzug erschwert, was zwangsläufig bedeuten würde, dass mehr Altgeräte in illegalen Kanälen verschwänden. Die im Landesverband der Recyclingwirtschaft Sachsen e. V. (LVR) vertretenen E-Schrottrecycler können das nicht nachvollziehen. Die Begründung sei weder sachgerecht noch durch Fakten belegt. Die Recyclingpraxis werde falsch wahrgenommen und zudem die ganze Branche unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert.
„Wissen die Experten im Umweltausschuss denn nicht, wie vielen Überwachungen und Zertifizierungen eine Erstbehandlungsanlage unterliegt?“, meint Dr. Helmut Bönisch, Geschäftsführer der Agro Drisa GmbH: „Seit wir uns zusätzlich dem europäischen Weeelabex-Standard unterworfen haben, belaufen sich unsere Analyse- und Auditkosten auf einen höheren fünfstelligen Betrag im Jahr. Welche Stoffströme sollen denn bei der lückenlosen behördlichen und freiwilligen Überwachung da noch in illegale Wege abwandern?“ Agro Drisa betreibt seit über 30 Jahren das Elektroschrottrecycling in Sachsen und ist eine weltweit anerkannte Recyclinganlage für Bildröhrenglas.
Altgeräterückgabe muss möglich sein
Scharfe Kritik an der Empfehlung des Bundesratsumweltausschusses, zertifizierten Erstbehandlungsanlagen die direkte Annahme von Altgeräten aus privaten Haushalten nicht zu gewähren, üben auch die Recyclingverbände BDE, BDSV, bvse und VDM. Mit dieser Ablehnung spreche sich der Ausschuss gegen das primäre Ziel der Novelle aus, nämlich mehr Sammelmengen für ein ressourcenschonendes Recycling zu erreichen. Die Voraussetzungen für die Zertifizierung einer Erstbehandlungsanlage seien klar gesetzlich geregelt und würden gerade dort vom Vollzug überprüft.
Die Verbände sehen in der Ausweitung der Rücknahmemöglichkeiten eine Chance, die Sammelquoten zu erhöhen. Seit Jahren betonen sie, dass ein flächendeckenderes und flexibleres Rücknahmeangebot für den Bürger notwendig sei, um zumindest in die Nähe der EU-Sammelquote von 65 Prozent zu kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, setze der Umweltausschuss aber offenbar nur einseitig auf eine Ausweitung beim Handel. Auf welcher Basis eine Differenzierung zwischen gewünschter Vertreiberrücknahme und abzulehnender Rücknahme durch zertifizierte Erstbehandlungsanlagen vorgenommen wird, erschließt sich den Recyclingverbänden nicht.
Begrüßt wird von BDE, BDSV, bvse und VDM hingegen, dass sich der Umweltausschuss dafür aussprach, zukünftig für die Erfassung von Bildschirmgeräten (Sammelgruppe 2) kleine Gebinde mit einzelnen Fassungsvermögen von 2,5 Kubikmetern vorzusehen. Dies sei ein notwendiger Schritt, um der Bruchgefahr der Geräte, insbesondere der schadstoffhaltigen Flachbildschirme, vorzubeugen. Die gemeinsame Erfassung aller Bildschirmarten im Großcontainer sollte mit der dritten Novelle des ElektroG zum Schutze der Mitarbeiter am Wertstoffhof und in den Erstbehandlungsanlagen und dem Ziel der Wertstoffgewinnung explizit und gesetzlich beendet werden.
Für den LVR Sachsen wiederum ist nachvollziehbar, dass der Umweltausschuss für ein dichteres und flexibleres Rücknahmeangebot an die Bürger durch eine Ausweitung im Bereich des Handels plädiert und analog zum Wertstoffhof auch beim Handel auf das Kriterium 50 Zentimeter Kantenlänge als Abgrenzung eines Kleingerätes zu setzen scheint. Hier hatte die Bundesregierung die kostenlose 0-1 Rücknahme (Abgabe Altgerät ohne Kauf) beim Handel erst ab 25 Zentimeter vorgesehen.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2021, Seite 5, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)