Wege für die nächste Solarzellen-Generation
Die Entwicklung von Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen, bestehend aus stabilen Materialien und gefertigt mit skalierbaren Produktionsverfahren, ist die Voraussetzung für den nächsten Technologiesprung der Photovoltaik-Industrie.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren haben sechs Fraunhofer-Institute im Leitprojekt „MaNiTU“ ihre Kompetenzen vereint, um möglichst nachhaltige Wege für die Markteinführung dieser Tandem-Solarzellen aufzuzeigen. Dabei konnten sie zeigen, dass hohe Wirkungsgrade mit industrienahen Prozessen realisierbar sind. Hohe Effizienzen konnten jedoch nur mit bleihaltigen Perowskiten erzielt werden. Daher entwickelten die Forschenden geeignete Recycling-Konzepte, um die Nachhaltigkeit zu sichern.
Die Fraunhofer-Wissenschaftler stellten zahlreiche neue Materialien mit Perowskit-Kristallstruktur her und verglichen diese auf Zellebene mit bekannten Materialien. Jedoch können nur mit bleihaltigen Perowskiten hohe Effizienzen erzielt werden. Das Forschungsteam realisierte hocheffiziente Demonstratoren, zum Beispiel eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle über 100 Quadratzentimeter mit Siebdruckmetallisierung, sowie Minimodule für einzelne und verschaltete Tandemsolarzellen. Vollständige Nutzungszyklusanalysen ergaben, dass mit geeigneten Produktions- und Recyclingverfahren sowie Degradationsraten, die mit der heutigen Siliziumtechnologie vergleichbar sind, ein nachhaltiges Produkt zur Verfügung steht.
Dank der „hybriden Route“
Die Wissenschaftler forschten an Herstellungsprozessen für Perowskit-Materialien, die auf großen Flächen industriell umsetzbar sind. Dank der sogenannten „hybriden Route“, eine Kombination aus Aufdampfen und nasschemischer Abscheidung, realisierten sie Perowskit-Dünnschichten mit hoher Qualität auf industriell texturierten Siliziumsolarzellen. Das Forschungsteam konnte so eine volltexturierte Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen mit 31,6 Prozent Effizienz auf einem Quadratzentimeter Zellfläche erzielen.
Im Fokus der Materialentwicklung standen neben gängigen bleihaltigen Perowskitverbindungen insbesondere nicht-giftige, bleifreie Alternativen. So konnten die Wissenschaftler detaillierte Erkenntnisse über die Stabilität und Eigenschaften der Zielmaterialien durch eine enge Verzahnung aus theoretischer Simulation, experimenteller Materialsynthese und Zellherstellung gewinnen. Neben verschiedenen Perowskitverbindungen wurden zusätzlich unterschiedliche Synthesewege betrachtet. „Insbesondere die skalierbare, semi-kontinuierliche Perowskit-Synthese in Pulverform mittels Sprühtrocknung stellt eine geeignete Screening-Methode für eine Vielzahl von Verbindungen und deren potenzieller Synthese dar. Die Methode lässt sich auch auf industrierelevante Mengen anwenden“, erklärt Dr. Benedikt Schug, Leiter der Partikeltechnologie am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC. Jedoch konnte das Forschungsteam mit keinen aus der Theorie vorhergesagten und experimentell synthetisierten bleifreien Materialien Tandemsolarzellen mit ausreichender Effizienz realisieren, da die intrinsischen Materialqualitäten nicht ausreichend hoch waren.
Möglichkeiten einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft
Um den gesamten Produktnutzungszyklus der Tandemsolarzellen zu berücksichtigen, betrachteten die Wissenschaftler auch das Thema Recycling und Möglichkeiten einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft. Sie führten eine detaillierte Bewertung der Umweltauswirkungen der Produktion, der Nutzungsphase und des „Produktlebensendes“ der Tandemsolarzellen durch und entwickelten Recyclingkonzepte für Perowskit-Tandemmodule. „Durch den Einsatz von fortschrittlichen Recyclingprozessen kann eine Kreislaufwirtschaft für Photovoltaiksysteme auch für bleihaltige Perowskite geschaffen und eine langfristige Energieeffizienz gewährleisten werden“, fasst Prof. Dr. Peter Dold, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS, die Ergebnisse zusammen.
Von der Forschung in die Anwendung überführen
Die Forschenden arbeiteten an der Entwicklung industrienaher Anlagekomponenten und Beschichtungstechnologien, um leistungsstarke Kontaktmaterialien für Elektron- und Lochkontakte im industriellen Waferformat G12 zu etablieren. Eine der Herausforderungen war dabei die Temperaturempfindlichkeit der Perowskitzelle, die bei der Herstellung des Frontkontaktsystems nur Temperaturen unter 100 °C zulässt.
Darüber hinaus ist die Abscheidung eines transparent leitfähigen Oxids auf der Zelle erforderlich. Hierzu wurde eine neue Prozesskette bestehend aus der Kombination von ALD- und Verdampfungsprozessen in einer SALD-Hybridanlage realisiert und durch einen abschließenden Sputterprozess ergänzt. „Unser Ziel ist nun der Transfer der Entwicklung“, erklärt Dr. Volker Sittinger, Abteilungsleiter Diamantbasierte Systeme und CleanTech am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST. „Gemeinsam mit Anlagenbauern und Endanwendern arbeiten wir daran, die neue Prozesskette von der Forschung in die Anwendung zu überführen.“
Weitere Entwicklungen
Die Wissenschaftler nahmen zudem die Charakterisierung von Tandemsolarzellen in den Fokus und entwickelten Methoden zur schädigungsfreien selektiven Analyse der Silizium- und Perowskit-Teilzellen. Mittels Daten der Charakterisierung konnte ein opto-elektrisches Simulationsmodell der Tandemsolarzelle für eine umfassende Verlustanalyse verwendet und eine praktische Obergrenze des Wirkungsgrades von 39,5 Prozent bestimmt werden.
Obendrein entwickelten die Forscher die mikrostrukturelle Analytik weiter. Sie evaluierten am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS schädigungsarme Focused Ion Beam-Techniken (FIB) für die Präparation von industriellen Tandemsolarzellen, die dann im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) hochauflösend analysiert werden können. Ein spezieller Probenhalter wurde konstruiert, der die direkte Abscheidung von Absorber- und Kontaktschichten auf TEM-Substrate bei den Projektpartnern vor Ort erlaubt. Zudem wurden Methoden zur Untersuchung der Dicke, des Bedeckungsgrads und der chemischen Bindung von selbstorganisierenden molekularen Monoschichten entwickelt.
Das Forschungsteam schuf Berechnungsmodelle, mit denen strukturelle und photovoltaische Eigenschaften von relevanten Absorber-Materialien sowie deren Grenzflächen zu optisch transparenten und elektrisch leitenden Kontakt-Materialien akkurat und effizient beschrieben werden. Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM erarbeiteten hierfür einen Computational Simulation Workflow, der nicht nur für die Photovoltaik, sondern auch für industriell interessante Materialfragen in anderen Technologien zur Gewinnung, Umwandlung, Speicherung, Verteilung und Nutzung nachhaltiger Ressourcen elektrischer Energie – zum Beispiel Wasserstoff – einsetzbar ist.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2025, Seite 40, Foto: Fraunhofer ISE)