Kunststoffe im Kreislauf halten – mit dem lösemittelbasierten Recyclingverfahren des Fraunhofer IVV
Wie die Rückgewinnung von Kunststoffen aus komplexen Kunststoff-Gemischen gelingt, zeigt das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV auf der K 2025 in Düsseldorf. Mit dem eigens entwickelten, lösemittelbasierten Recyclingprozess können verschiedene Kunststoffe von Verpackungen, aber auch solche aus den Bereichen Automotive, Elektronik, Bau und Textil recycelt und zu hochreinen Kunststoffrezyklaten verarbeitet werden. So werden Abfallfraktionen, die mit klassischen Recyclingprozessen nach dem Stand der Technik nicht recycelbar sind, mit dem lösemittelbasierten Verfahren für eine Kreislaufwirtschaft verfügbar.
Das Fraunhofer IVV präsentiert sich am Stand des Fraunhofer Cluster Circular Plastics Economy CCPE in Halle 7.0, Stand 70SC05 unter dem Motto „Bridge the Gap to Circularity“. Dr. Andreas Mäurer steht während der Messe für Fragen rund um die Implementierung des Verfahrens und zur Gewinnung hochwertiger Kunststoffrezyklate zur Verfügung. Mäurer leitet im Fraunhofer IVV die Verfahrensentwicklung Polymer-Recycling und ist Ansprechpartner im Research Department Advanced Recycling des Fraunhofer CCPE.
Gegenüber mechanischen Trennverfahren bietet das lösemittelbasierte Recycling den Vorteil, dass das Zielpolymer selektiv in Lösung gebracht und in hoher Reinheit rückgewonnen werden kann. Fremdpolymere und andere Feststoffe bleiben ungelöst und werden effektiv abgetrennt. Gelöste Verunreinigungen wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Abbauprodukte und Gerüche werden durch spezifische Lösungsmittel separiert, sodass ein hochreiner Recyclingkunststoff entsteht. Das lösemittelbasierte Recycling ist ein physikalischer Prozess und eine effektive Alternative zum chemischen Recycling. Denn die Polymere werden nicht abgebaut, und eine Polymerisation aus chemisch recycelten Rohstoffen ist nicht erforderlich. Um das lösemittelbasierte Recycling in den Industriemaßstab zu skalieren und Rezyklatmengen für industrielle Anwendungstests herzustellen, steht im Fraunhofer IVV ein Großtechnikum zur Verfügung. Für die Umsetzung des Verfahrens auf industrielle Anlagen werden Partner gesucht.
Hochreine Rezyklate – farblich ansprechend und schadstofffrei
Das Verfahren ist breit einsetzbar; es eignet sich sowohl für flexible als auch für formstabile Verpackungen. Unter Beachtung der Lebensmittelsicherheit erfüllt es die besonderen Anforderungen an die Reinigungseffizienz. Mit dem lösemittelbasierten Recyclingverfahren konnte sowohl für leichtflüchtige als auch für bereits mittelflüchtige Kontaminanten eine Reinigungseffizienz von bis zu 99,8 Prozent erreicht werden. Das Verfahren ermöglicht das Kunststoffrecycling aus flexiblen Verpackungsabfällen und den Einsatz der Rezyklate bei der Herstellung neuer Verpackungen für sensible Füllgüter.
Die Integration der gewonnenen Rezyklate in flexible Monomaterial-Verpackungen für Lebensmittel hat das Fraunhofer IVV bereits erfolgreich im technischen Maßstab umgesetzt und einen Rezyklatanteil in der entwickelten Verpackungsstruktur von bis zu 30 Prozent realisiert. Im sensiblen Personal & Health Care-Verpackungssektor konnten diese Rezyklate bis zu einem Anteil von 62 Prozent angewendet werden. Im allgemeinen Non-Food-Bereich wurden auch bis zu 100 Prozent Rezyklatanteil erfolgreich eingesetzt. Bei der Rückgewinnung von Kunststoffen aus Altfahrzeugen, die einen hohen Anteil an Verbundmaterialien und schwarzen Bauteilen enthalten, wurde ein Meilenstein erreicht: Wertvolle Thermoplaste wie PC/ABS werden aus Schredder-Rückstandsfraktionen über mechanische Verfahren und laserspektroskopische Sortierung auf circa 80 bis 90 Prozent angereichert und mit dem lösemittelbasierten Recyclingverfahren weiter aufgereinigt.
Das Ergebnis ist ein hochreines Rezyklat, das anschließend mit Neuware und Additiven zu einem PC/ABS mit hohem Anteil an Post-Consumer-Rezyklat (PCR) compoundiert wird. Es entspricht den Anforderungen für den Wiedereinsatz im Fahrzeuginterieur. Auch Kunststoffe aus Verbundmaterialien und Thermoplasten sowie Elektroaltgeräten können mit dem Verfahren rückgewonnen werden. Aus Bauabfällen stammendes, geschäumtes Polystyrol, das mit dem Flammschutzmittel HBCD kontaminiert ist, lässt sich als flammschutzfreies Polystyrolrezyklat aufarbeiten. „Durch die effektive Auflösung der Zielpolymere und die anschließende Trennung der ungelösten und mitgelösten Komponenten ist dies möglich. Auf Kunststoffverbunde passen wir den Recyclingprozess zusätzlich spezifisch an“, ergänzt Mäurer. „Damit können wir Batteriegehäuse aus Fahrzeugen genauso wie beschichtete und lackierte Textil- und Kunststoffmaterialien recyceln.“
Matrixkunststoffe werden erfolgreich von Verbundkomponenten wie Kohlefasern, Glasfasern oder Metalleinsätzen getrennt und gereinigte Recyclingpolymere gewonnen. „Auch PVC-Bodenbeläge recyceln wir und trennen die unerwünschten Weichmacher effektiv ab. Das zurückgewonnene PVC-Material entspricht den Anforderungen der EU-Gesetzgebung (REACH) und kann für die Produktion von neuen PVC-Böden verwendet werden“, führt Dr. Andreas Mäurer als weiteres Beispiel für die Reinigungsleistung des Verfahrens an.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2025, Seite 24, Foto: Fraunhofer IVV)