Edelmetallindustrie übertrifft Erwartungen: Ein Rückblick auf das Jahr 2024

Trotz turbulenter Märkte hat sich die deutsche Edelmetallindustrie im letzten Jahr gut entwickelt. Die anhaltenden geopolitischen Krisen und Spannungen sorgen jedoch für wachsende Unsicherheit im internationalen Handel.

„Die deutsche Edelmetallwirtschaft ist breit aufgestellt und kann sehr flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren. Somit bleibt unser Ausblick auch für 2025 optimistisch. Die steigenden Preise für Edelmetalle stellen für viele Industrien eine Belastung dar, eröffnen jedoch auch für Investoren und Anleger die Möglichkeit, von der Wertentwicklung zu profitieren“, sagte York Alexander Tetzlaff, Geschäftsführer der Fachvereinigung Edelmetalle anlässlich des Jahrespressegespräches des Branchenverbandes am 1. April in der „Goldstadt“ Pforzheim. „Dies verdeutlicht einmal mehr die Rolle von Edelmetallen als sicherer Hafen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Jedoch profitiert unsere Branche nicht nur von den hohen Preisen für Edelmetalle, sondern leidet auch darunter. Denn die Nachfrage nach edelmetallhaltigen Produkten sinkt, und gleichzeitig erhöhen höhere Zinsen für die Edelmetallleihe die Kosten für Unternehmen zur Finanzierung ihrer Bestände. Außerdem drohen im Handelskonflikt mit den USA unnötige Zölle auf einige Edelmetallprodukte. Doch Zölle schaden sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern – das kann keiner wollen.“

Die beiden Vorsitzenden des Arbeitsausschusses Edelmetallwirtschaft des Verbandes, Franz-Josef Kron (Vorstandsvorsitzender/CEO Agosi AG, Pforzheim) und Thomas Weiß (Geschäftsführer, Heimerle + Meule GmbH, Pforzheim), erläuterten die Entwicklung der einzelnen Geschäftszweige der Edelmetallindustrie im Jahr 2024 und gaben einen Ausblick:

Auswirkung von Geopolitik, Weltwirtschaft und Inflation
Weltweit war die wirtschaftliche Entwicklung 2024 eingetrübt. Deutschland verzeichnete das zweite Jahr in Folge ein abnehmendes Bruttoinlandsprodukt. „Trotz nachlassender Inflation blieben der private Konsum und die Bauwirtschaft gedämpft. Zum einen, weil der Kaufkraftverlust der Vorjahre nicht voll ausgeglichen wurde, und zum anderen aufgrund der Angst vor Erwerbslosigkeit. Das belastete die wirtschaftliche Entwicklung“, erklärte Kron.

Für Gold war 2024 ein Jahr der Rekorde. Der LBMA (London Bullion Market Association)-Goldpreis erreichte 40 Allzeit-Tages-Rekorde, und das weltweite Handelsvolumen stieg durch die Kombination aus Rekordpreisen und -umsätzen auf 382 Milliarden US-Dollar (USD). „Allein die Mitgliedsunternehmen der FVEM haben bei der Aufarbeitung und mit Produkten Gold im Wert von etwa elf Milliarden Euro bewegt“, verdeutlichte Kron. Der Goldpreis zum Jahresende 2024 schloss bei 2.610,30 USD pro Unze. Das entspricht einer Preissteigerung von etwa 25,8 Prozent im Jahr 2024, während der Kurszuwachs in Euro sogar rund 33 Prozent betrug.

Diese besonderen Entwicklungen sind auf eine ganze Reihe von Krisen zurückzuführen. Die geopolitischen Spannungen, insbesondere die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, erhöhten spürbar die Nachfrage nach Gold als sicherer Anlageklasse. Die höheren Preise führten zu wachsenden Altgoldrückläufen. Die deutsche Edelmetallindustrie konnte ihre Aufarbeitungsmengen von Gold daher um beachtliche 20 Prozent gegenüber 2023 steigern. Jedoch sanken die Mengen bei den Produktgeschäften parallel zur weltweiten Entwicklung.

„Insgesamt hatten die meisten Unternehmen der Branche dennoch ein zufriedenstellendes Ergebnis im Jahr 2024. Allerdings gerieten Unternehmen mit einer hohen Abhängigkeit von der deutschen Automobilbranche zunehmend in Schwierigkeiten“, führte Kron weiter aus. „Zum Jahresende verursachte Donald Trump auch der Edelmetallbranche gehörige Kopfschmerzen. Noch vor Amtsantritt verkündete er sehr schnell weitreichende Zölle auf alle Produkte aus Mexiko, Kanada, China und möglicherweise Europa. Dies führte zu bisher ungesehenen Verwerfungen an den Märkten: Hunderte Tonnen Gold wurden physisch aus London nach New York versendet. Die Folge waren hohe Prämien und ein Anstieg der Edelmetallleihezinsen auf ein Vielfaches des Ausgangsniveaus. Die Finanzierung der Bestände stellt unsere Branche somit vor erhebliche finanzielle Herausforderungen“, machte Kron deutlich.

Schmuck, Dental und Investment
Die Edelmetallmärkte Schmuck, Dental und Investment wurden im Jahr 2024 insbesondere durch die weltweit hohe Goldnachfrage und den Höhenflug des Goldpreises mit seinen 40 Allzeithochs geprägt. Thomas Weiß erläuterte die Entwicklung der Branchensegmente: „Bedingt durch die hohen Goldpreise sank die weltweite Nachfrage der Schmuckindustrie um elf Prozent auf 1.887 Tonnen. Der Gesamtabsatz der deutschen Hersteller an 18-Karat-Legierungen (hauptsächlich für Luxusmarken weltweit) betrug in 2024 rund 28 Tonnen und damit 17 Prozent weniger als im Jahr 2023. Die seit Jahren für die deutsche Schmuckindustrie weniger bedeutenden 14-Karat- und 8-Karat-Legierungen (vor allem für lokale Märkte in Deutschland und Europa) verloren ebenfalls deutlich auf nunmehr 5,6 beziehungsweise 4,6 Tonnen.“ Zu den Platinlegierungen führte Weiß aus: „Das Volumen an produzierten Platinlegierungen nahm nach den sehr guten Jahren 2022/23 um 7,7 Prozent ab, auf circa 5,3 Tonnen. Man kann jedoch feststellen, dass der Trend zu Platin als Ersatz für die teureren Weißgoldlegierungen weiter ungebrochen ist.“

Für den Bereich Dental zeigte sich der Absatz von Dentallegierungen aus Edelmetall wie bereits in den Vorjahren auch im Jahr 2024 weiter rückläufig, wie Weiß berichtete: „Bei den edelmetallhaltigen Dentallegierungen ist der Abwärtstrend ungebrochen. Moderne Vollkeramikwerkstoffe haben sich schon lange als günstigere und haltbare Alternativen zu Goldlegierungen etabliert. Der Gesamtabsatz bei den edelmetallhaltigen Legierungen war mit 1,1 Tonnen im Jahr 2024 erneut circa 13 Prozent niedriger als im Vorjahr, was einer Halbierung der Verarbeitungsmengen seit 2020 entspricht. Mit einer Erholung der Nachfragesituation ist auch in den kommenden Jahren nicht zu rechnen.“

Die schwache Nachfrage nach physischen Investmentprodukten aus dem Vorjahr setzte sich auch in 2024 fort, und viele private Anleger präferierten alternative Anlageprodukte wie Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere. Die hohen Edelmetallpreise führten ebenfalls dazu, dass deutlich mehr Barren und Münzen aus privater Anlage wiederverkauft wurden. Weiß hierzu: „Erst im vierten Quartal führte die weniger restriktive Zinspolitik der Zentralbanken sowie die wachsende Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen nach dem Ausgang der US-Wahlen zu einer steigenden Nachfrage, trotz des anhaltend hohen Preisniveaus. Im Jahresvergleich ging die Nachfrage nach Gold-Investitionsprodukten (Barren und Münzen) in Deutschland um 23 Prozent zurück, was dem Trend in Europa und Nordamerika entsprach.“ Eine steigende Nachfrage nach physischen Barren und Münzen konnte demgegenüber in Asien (Indien und China) und dem Nahen Osten beobachtet werden. Insgesamt stieg die weltweite Nachfrage nach physischen Investmentprodukten um drei Prozent.“

Industrielle Nachfrage: Silber und Platingruppenmetalle
Franz-Josef Kron erläuterte den Geschäftsverlauf und die Preisentwicklungen im Bereich von Silber und Platingruppenmetallen, die für viele industrielle Anwendungen essentiell sind: „Der Silberpreis war 2024 sehr volatil, stieg aber im Sog der Goldpreisentwicklung. Dennoch konnte Silber nicht mit der Dynamik von Gold mithalten, sodass für 2025 durchaus noch Potential nach oben gesehen wird. Während die Nachfrage nach Silber im Bereich Schmuck und Investitionsgüter eher moderat und fallend war, trieb die starke industrielle Nachfrage den Gesamtbedarf über das Vorjahresniveau. „Aber innerhalb der industriellen Nachfrage muss man hier differenzieren. Photovoltaik, elektrische Infrastruktur, zum Beispiel für E-Mobilität, sowie KI-basierte Investitionen haben den Bedarf deutlich nach oben getrieben, während die Nachfrage in der KFZ-Technik spürbar gesunken ist“, erläuterte Kron und ergänzte: „Ein ähnliches Bild zeichnen auch Mitgliedsunternehmen der FVEM – steigender Gesamtbedarf bei sinkendem Bedarf, zum Beispiel für KFZ-Relais. Leider gibt es gerade im Großraum Pforzheim einige Unternehmen, die stark unter der Schwäche der Automobilindustrie zu leiden haben.“ Eine Besonderheit der Silbermärkte ist das anhaltende Angebotsdefizit. Bereits seit sechs Jahren übersteigt die globale Nachfrage die Minenproduktion und das Recycling. Das Defizit wird hauptsächlich aus den recht großen Beständen bei der LBMA (London Bullion Market Association) gedeckt. Dies zeigt die strukturellen Herausforderungen des Silbermarktes auf.

Auch bei den Platingruppenmetallen Platin, Palladium und Rhodium gab es im Jahr 2024 mehrere gegenläufige und unerwartete Effekte: Während die Gesamtzahl der produzierten Fahrzeuge 2024 relativ stabil blieb, war die Substitution von Verbrennermotoren durch rein elektrische Batteriefahrzeuge geringer als erwartet. Dies führte zu einem höheren Bedarf an Autoabgaskatalysatoren und damit auch Platingruppenmetallen. Perspektivisch gehen die Märkte jedoch weiterhin von einem schrumpfenden Bedarf in der Autoabgaskatalyse aus. Diese Gemengelage führte bei allen drei Edelmetallen zu weitgehend stabilen Preisen in 2024. „Allerdings geraten auf der Angebotsseite die Minen nun zunehmend unter Druck. Steigende Produktionskosten bei gleichzeitig sinkenden Preisen erschweren die Situation seit 2022 erheblich“, verdeutlichte Kron. Eine Besonderheit zeigte sich bei Rhodium. Die Rekordpreise der letzten Jahre führten zu erheblicher Substitution, vor allem in der Glasindustrie. Diese Substitution reduzierte sich aber mit dem neuen Preisniveau in 2024, was zu einer geringeren Versorgung mit Rhodium für Anwendungen wie Zündkerzen, Heizspiralen und vor allem Auto-Katalysatoren beitrug.

Recycling und Wiedergewinnung
Getrieben vom starken Anstieg des Goldpreises nahm auch das Recyclingvolumen der deutschen Verarbeiter im Jahr 2024 deutlich zu. „Das Gesamtvolumen an recyceltem Gold stieg nochmals deutlich um 20 Prozent auf 108,5 Tonnen Feingold. Die immer höheren Rekordpreise motivierten hauptsächlich private Verbraucher, alten Schmuck sowie Barren und Münzen über Goldankaufsstellen, Juweliere und Pfandleihhäuser zu verkaufen“, teilte Weiß mit. Der deutliche Ankaufsüberhang führte dazu, dass recyceltes Gold nicht in vollem Umfang in Form von neuen Produkten (Barren, Münzen, Halbzeuge) in den regionalen Markt verkauft werden konnte, sondern zu „Good Delivery Barren“ (400 oz-Barren) umgeschmolzen wurde, um dann physisch an die Londoner Edelmetallbörse der LBMA versandt zu werden.

„Demgegenüber bewegten sich die Recyclingmengen aus der dekorativen Industrie analog zu den geringeren Produktionsmengen auf leicht rückläufigem Niveau. Jedoch konnte sich das Recyclingvolumen aus dem Bereich der industriellen Anwender (wie der Elektronik- und Automotive-Industrie) trotz schwächerer konjunktureller Entwicklung stabil halten“, schilderte Weiß. Dies ist vor allem auf die stark gestiegenen Rohstoffpreise zurückzuführen. „Der wachsende Druck hin zu einer effizienteren Abfallentsorgung und geringeren Lagerhaltung hat hier eine entscheidende Rolle gespielt.“

Ausblick auf die Edelmetall­märkte 2025
„Angesichts anhaltender geopolitischer Spannungen und einer kaum prognostizierbaren US-Außenhandelspolitik ist eine präzise Prognose für 2025 schwer abzugeben. Dabei ist die deutsche Edelmetallwirtschaft breit aufgestellt und kann sehr flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren. Somit bleibt unser Ausblick auch für 2025 optimistisch.“

Im ersten Quartal erreichte der Goldpreis Höchststände von über 90 Euro pro Gramm. Weiß: „Vor allem die drohenden US-Zölle auf Waren aus Europa haben zu einer Verschiebung physischer Goldbestände an die New Yorker Rohstoffbörse Comex geführt, was Liquiditätsengpässe am europäischen Haupthandelsplatz in London zur Folge hatte. Dies hat die Nachfrage nach physischem Gold zusätzlich angeheizt.“ Zudem schichten viele US-Großbanken und Hedgefonds ihre USD-Anleihen in den sicheren Hafen Gold um. Eine lockere Zinspolitik sowie Zentralbankkäufe, gerade aus Schwellenländern, stützen die Nachfrage nach Gold zusätzlich.

Die private Nachfrage nach Barren und Münzen hat sich bereits im ersten Quartal 2025 weiter erholt. „Gleichzeitig belastet der hohe Goldpreis die Nachfrage nach Schmuck und zwingt gerade industrielle Verarbeiter zur Einsparung oder Substitution des teuren Edelmetalls“, ergänzte Weiß. Die rasante Entwicklung der Digitalisierung (KI / AI) dürfte eine zusätzliche Nachfrage nach Gold im Bereich der Halbleitertechnik schaffen. „Bei Silber erwarten wir durch den weiteren Ausbau von E-Mobilität und grüner Energie, insbesondere bei Photovoltaik und Windkraft, weiterhin eine solide Nachfrage von industriellen Verbrauchern“, schloss Thomas Weiß seine Prognose für das Jahr 2025 ab.

edelmetalle.org

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2025, Seite 32, Foto: Fachvereinigung Edelmetalle e. V.)