Zu Besuch bei Maag Recycling: „Wir wissen, dass es funktioniert“
Die Stadt würde die Abfallentsorgung und -verwertung in Winterthur ohne die Maag Recycling AG alleine nicht hinkriegen. Am Standort setzt das Schweizer Unternehmen seit Oktober 2016 einen Granulator Typ ZM 1620 von THM recycling solutions ein. Zerkleinert werden Alu- und Stahlblechdosen sowie Kunststoffe. Eine gute Gelegenheit, die bewährte Maschine in diesen Anwendungen bei einem Kunden des Herstellers zu erleben.
Wir wollten die Sonne mitbringen. Stattdessen dicke Suppe über Lindau am Bodensee. In Bregenz klarte es zwar ein wenig auf zu einem schönen Dezembertag, aber nach St. Gallen ging es gleich wieder hinein in den Nebel, der sich dann nicht mehr auflöste und bis auf den letzten Fahrtmeter den Blick auf die herrliche Landschaft rundum trübte. Ziel Winterthur erreicht, die historische Stadt eingehüllt in tristes Grau – „normal in dieser Jahreszeit“, wie Judith Maag bei der Begrüßung befindet: Willkommen bei Maag Recycling! Eingeladen und beim Treffen vor Ort hatte uns Manuel Carrillo Castillo, Vertriebsleiter und Marketing THM recycling solutions GmbH. THM, Hersteller aus Eppingen-Mühlbach (Produktion) und Heimsheim (Vertrieb) in Baden-Württemberg lieferte im Oktober einen Granulator ZM 1620 an den Schweizer Entsorgungs- und Verwertungsbetrieb.
Nach der Ankunft fällt zuerst der rege Andrang im Wertstoffhof gegenüber auf. Es ist gerade Rush Hour, so scheint es: Die Sammelstelle für Glas, Papier, Pappen, Kartonagen (PPK), Textilien, Kaffeekapseln, (Tetra Pak-)Verpackungen, Aluminium- und Weißblechdosen, Batterien, Akkumulatoren, Metall- und Elektroschrott sowie Bauschutt etc. wurde 2005 von der Maag Recycling AG eingerichtet und ist anders als beispielsweise in vielen Regionen Süddeutschlands unter der Woche nahezu durchgehend für die Bürger geöffnet. Während des folgenden Gesprächs im Konferenzraum des Verwaltungsgebäudes mit Judith Maag, die seit 2016 die Unternehmensgeschäfte in vierter Familiengeneration führt, und Betriebsleiter Yves Jucker erfahren wir, dass der Wertstoffhof komplett privat organisiert ist – an Spitzentagen entsorgen dort bis zu 2.500 Winterthurer ihre Abfälle – und die Firma keine Verträge über Entsorgungsdienstleistungen mit der Stadt hat. Die Gemeindesammelstellen nehmen nur Alu- und Stahlblechverpackungen, Glas und PPK an, im Recy-Hof der Firma Maag Recycling können sämtliche Abfallwertstoffe aus Haushalten zurückgebracht werden, inklusive Sperrmüll (Betten, Sitzmöbel, Tische usw.) und Flüssigkeiten (Öle, Farben, Lacke, etc.).
Von wegen ein kleiner Platz
Die Stadt Winterthur selbst ist für die Restmüllabholung und -entsorgung in der nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage – in der Schweiz Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) genannt – zuständig; die Sammelbehälter der Gemeindesammelstellen entleert Maag mit Spezialfahrzeugen im Fuhrpark. PPK, Glas, Kunststoffe, Eisen- und Nichteisen-Metalle, Elektroschrott, Organik, Biomasse, Holz –„die ganze Palette“ aus der kommunalen haushaltsnahen Sammlung sowie Abfälle aus der Industrie gelangen dann direkt zur Aufbereitung und Verwertung auf „unseren kleinen Platz“, wie Judith Maag die Größe des Betriebsgeländes bescheiden untertreibt: Das Areal umfasst 20.000 Quadratmeter, hat einen Gleisanschluss an das Netz der Schweizer Bundesbahn und ein eigenes Schienenfahrzeug samt Rangierpersonal.
Maag Recycling wurde 1942 von Judith Maags Urgroßvater gegründet, der den ursprünglich reinen Schrottverwertungsbetrieb in Winterthur-Dättnau schon bald darauf seinem Sohn übergab. Nach der Frühpensionierung ihres Vaters war das Unternehmen neun Jahre lang nicht in Familienhand. Bereits in den 1970er Jahren zog Maag vom damaligen an den heutigen Standort in der Werkstrasse. Die einst ringsum angesiedelte Industrie – auch eine Gießerei war vorhanden – ist mit dem allgemeinen industriellen Niedergang in der Schweiz inzwischen verschwunden, und die Nachbarn im gewandelten Gewerbemischgebiet mit Bürogebäuden und Wohnhäusern würden Maag Recycling möglichst auch gern loswerden. Doch die alteingesessene, breit aufgestellte Firma mit 65 Mitarbeitern – kein Schichtbetrieb – hat bei der Gemeinde ein Stein im Brett. Laut Judith Maag würde sie die Abfallentsorgung ohne die Kapazitäten ihres Unternehmens nicht alleine hinkriegen: „Es gibt ein gutes Miteinander, man braucht sich gegenseitig“ – und gegebenenfalls müsste die Stadt Winterthur ein Ersatzgelände zur Verfügung stellen.
Was da ist, muss durchlaufen
Die anfallenden Materialströme werden – soweit werkstofflich verwertbar – so aufbereitet, dass sie direkt wieder in der Produktion eingesetzt werden können. Aufbereitung heißt hier Sortierung, Zerkleinerung, Volumenreduzierung und Ballenverpressung. Die Abnehmer sind zum Teil aus der Region, und Metalle gehen vor allem nach Deutschland, Frankreich, in die Niederlande, Österreich und Italien, da die Schweiz keine Schmelzhütten mehr hat. Der neue Granulator ZM 1620 aus dem Hause THM recycling solutions am Standort zerkleinert dafür hauptsächlich Aludosen aus der gemischten Gemeindesammlung – in der Schweiz gibt es nur für Mehrweg-Glasflaschen ein Pfandsystem, die Dosensammlung ist eine freiwillige Branchenlösung mit vorgezogenem Beitrag zur Rückfinanzierung des Recyclings von Stahlblech- und Aluminiumverpackungen – und in zunehmenden Mengen auch Kunststoffe, die aber nicht bei Maag eingeschmolzen und zu Regranulat verarbeitet werden.
Beim Rundgang über das Betriebsgelände sehen wir, dass gerade PP im Granulator gefahren wird, was nach Auskunft von Yves Jucker derzeit drei- bis viermal im Monat vorkommt: „Die Maschine ist noch nicht voll ausgelastet; was an Material da ist, muss durchlaufen.“ Der Stundendurchsatz des ZM 1620 liegt gegenwärtig bei bis zu drei Tonnen. In einer Sortierkabine oberhalb des Beschickungstrichters werden Grob-, Fremd- und Störstoffe von Hand aussortiert. Ein Fe-/NE-Magnetabscheider ist nachgeschaltet. Je nach Material sind aber leicht zehn Tonnen möglich. Bei der alten Maschine, die 18 Jahre lang lief und im Oktober ausgetauscht und verschrottet wurde, waren es 1,5 Tonnen pro Stunde.
Zuverlässiger Service und im Ergebnis Qualität
Die Entscheidung für den neuen Granulator von THM fiel im Juni 2016. Judith Maag und Yves Jucker waren in diesem Zusammenhang auch im THM-Technikum für Kunden. Eigenes Material zu Testzwecken wurde aber nicht mitgenommen – wie überhaupt keine besonderen Anforderungen an den Auftrag gestellt wurden. „Wir wissen, dass es funktioniert“, vertraut Judith Maag auf die Kompetenz, das Know-how und den stets zuverlässigen Service des Herstellers. Innerhalb eines Tages stand die neue Maschine und nach einem weiteren Tag wurde das erste Mal Material gefahren. „Da haben Yves und ich gemeinsam den Startknopf gedrückt“, erzählt die junge Firmenchefin. Eine Woche verging dann noch mit Feinabstimmungen. Funktionstüchtige Komponenten der alten Maschine wie der Überbandmagnet und das Austragsband wurden beibehalten und an den ZM 1620 angepasst. Das Klopfband hingegen ist neu.
Die Granulatoren der Baureihe ZM wurden für die Metallzerkleinerung entwickelt, überzeugen aber auch bei der Aufgabe von Kunststoffabfällen, Kabelschrott und vielen anderen Materialien, wie zum Beispiel: Haus-, Gewerbe-, Industrie- und Sperrmüll, Elektro- und Elektronikschrott (Elektromotoren bis 1,5, Transformatoren bis drei Kilogramm), vorzerkleinerte Pkw- und Lkw-Reifen, Aluminiumdrehspäne, Frässpäne, Gussteile und Metallprofile, Ölfilter, Stahl- und Kunststofffässer. Ausgerüstet mit nachjustierbaren Blockmessern (Schrägschnitt) und Schneid-Gegenmesser werden im Ergebnis gleichbleibend hohe Schnittqualitäten erzielt, erläutert THM-Vertriebsleiter Manuel Carrillo Castillo bei der Besichtigung des 1620.
Künftig auch Holz und Nagelschrott
Der ZM erweist sich dabei als extrem robust und unempflichlich, verfügt aber trotzdem über eine Notstopp-Einrichtung: Rutschkupplung (mechanisch einstellbar) und Sensor zur Erkennung – die Maschine hält sofort an und bleibt stehen. Weitere vorteilhafte Features der Maschine: Aufgabetrichter mit hydraulischer Pendel-Nachdrückeinheit, Füllstandüberwachung über Füllstandsensor (Mikrowelle), elektrischer Antrieb (110 Kilowatt beim ZM 1620) über Keilriemen, große Schwungscheibe, hydraulische Siebwechseleinheit mittels Scherenhubtisch und Zentralschmierung. Die Maschinensteuerung erfolgt über einen Schaltschrank mit Bedienfeld. Sämtliche Verschleißteile können außerdem leicht und schnell ausgetauscht werden. So dauerte ein erster Messerwechsel bei Maag seit Inbetriebnahme des Granulators eine halbe Stunde. THM garantiert die Ersatzteillieferung ein Maschinenleben lang. „Wir haben eine sehr hohe Fertigungstiefe“, versichert Manuel Carrillo Castillo. „Alles wird hundertprozentig im Werk gebaut. Jede Anlage ist bis ins kleinste Detail dokumentiert.“
Maag Recycling will künftig neben Aludosen und Kunststoffen auch Holz und Nagelschrott mit dem ZM 1620 zerkleinern. Manuel Carrillo Castillo ist schon gespannt auf die Erfahrungswerte und merkt an, dass für Nagelschrott sowie die auf dem Betriebsgelände gesammelten Elektro-Haushaltsgroßgeräte – weiße Ware: Kühlschränke, Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler etc. – der Querstromzerspaner von THM ideal wäre. Doch für eine solche Maschine fehlt es an Platz. Der weitere Rundgang führt zu einer Kabelsortier- und Schälstation und schließt ab bei der Sammelstelle für weiße Ware: Die Geräte werden in einem Nachbarbetrieb zerlegt und gelangen dann in spezialisierte Verwertungsanlagen.
Am Ende unseres Besuchs kommen wir noch auf das Kunststoffrecycling in der Schweiz zu sprechen: Ob die über private Initiativen gesammelten Altkunststoffe tatsächlich stofflich verwertet, also in der Kunststoff-Neuproduktion eingesetzt werden? Judith Maag sieht die Entwicklung im Land als fortschrittlich an, kritisiert aber auch eine Verbrauchertäuschung. Denn ein Großteil der Sammlungen wird ins Ausland exportiert und dort als Ersatzbrennstoff (EBS) vermarktet. In der Schweiz selbst sei die EBS-Energiegewinnung kein großes Thema: „Die Kehrichtverbrennungsanlagen im Land produzieren alle Strom und Wärme. Und das mit sehr hohem Wirkungsgrad. Daher macht es keinen Sinn, eine eigene Sammellogistik für Ersatzbrennstoffe aufzubauen.“ Maag Recycling bereite Kunststoffe nur für die stoffliche Verwertung auf. Die Philosophie des Unternehmen: „Was man stofflich verwerten kann, sammeln wir separat und in den meisten Fällen kostenlos. Was nicht stofflich verwertet werden kann, gehört in die Verbrennung.“
www.maag-recycling.ch, www.thm-rs.de
Fotos: O. Kürth
(EUR0217S28)