Das Projekt „kunstwerk“

Eine innovative Technologiekombination von Fraunhofer ermöglicht die wirtschaftliche Rückgewinnung von Kunststoffen und Metallen aus Verbunden.

Von der Chipstüte über das Smartphone bis zum Autoradio: Viele Alltagsprodukte bestehen aus Werkstoffkombinationen, die am Lebensende mit konventionellen Aufbereitungsverfahren nicht recycelt werden können. Komplexe Mischungen von Kunststoffarten, die Verwendung mechanisch nicht trennbarer Kunststoff-Kunststoff- oder Kunststoff-Metall-Verbunde oder der Gehalt an Altadditiven, die nach europäischer Gesetzgebung nicht mehr in Rezyklaten enthalten sein dürfen, verhindern ein werkstoffliches Recycling. Gleichzeitig steigen der Bedarf an hochwertigen Rezyklaten sowie die Recyclingquoten für Altprodukte weiter an.

Die Fraunhofer-Institute IVV und Umsicht haben ein Projekt initiiert, das die Entwicklungen „CreaSolv“ und „iCycle“ zu einem ganzheitlichen und wirtschaftlichen Recyclingverfahren für komplexe Materialverbunde koppelt. Beteiligt sind Produzenten und Recycler. Beide Prozesse erreichten in den letzten Jahren die Industriereife und werden nun gemeinsam in den deutschen und europäischen Markt eingeführt. Mit CreaSolv gelingt, wie es heißt, das werkstoffliche Kunststoffrecycling aus hochkomplexen und kontaminierten Abfällen. Die iCycle-Technologie ermöglicht die effiziente thermo-chemische Konversion von Kunststoff-Metall-Verbunden zu Energieträgern und Metallkonzentraten.

Rezyklate vergleichbar mit Neuware

Dr. Peter Hense von Fraunhofer Umsicht stellte das Projekt „kunstwerk – Kombinierte Kunststoff- und Metallverwertung zu hochwertigen neuen Werkstoffen“ auf dem Internationalen Elektronikrecycling-Kongress (IERC) vor. Beim Recycler – so die Erfahrung – landeten die Kunststoff-Kunststoff- oder Kunststoff-Metall-Verbunde meist in jener Fraktion, die später verbrannt werde. Auf diese Weise werde allerdings nur ein Teil des Energiegehalts zurückgewonnen. Metalle – vor allem solche mit geringer Korngröße – gingen ungenutzt in der Schlacke verloren. Dass allein in Deutschland von nahezu fünf Millionen Tonnen post-consumer Kunststoffabfällen nur etwa 38 Prozent beziehungsweise 1,9 Millionen Tonnen recycelt werden, wundert Hense nicht.

Fraunhofer geht davon aus, dass der Bedarf an Kunststoffrezyklaten mittelfristig auf rund 5,3 Millionen Tonnen steigen wird. Die Technologie des IVV erlaubt die selektive und wirtschaftliche Rückgewinnung von Kunststoffen wie PE aus Verpackungen, PP, PS und ABS aus Elektroaltgeräten oder ABS aus Bauteilen von Altautos beziehungsweise Shredderleichtfraktionen, informierte Peter Hense: CreaSolv-Rezyklate könnten nahezu ohne Qualitätseinbußen produziert und wie Neuware eingesetzt werden. Die Restfraktionen des Creasolv-Prozesses enthielten neben geringen Mengen weiterer Kunststoffe auch wertvolle und seltene Metalle. Diese Fraktion bildet den Angaben nach das Ausgangsmaterial für den iCycle-Prozess: Durch Erhitzen des Materials auf 500 Grad Celsius bei gleichzeitigem Luftabschluss bilden sich aus dem Kunststoffanteil heizwertreiche Öle und Gase, während die Metalle freigelegt werden. Das entstehende Metallkonzentrat lässt sich anschließend vermarkten.

Kritische Metalle aus Elektroaltgeräten

Grafik: Fraunhofer

Nach der Rückgewinnung der Kunststoffe wird das metallhaltige Material in den iCycle- Prozess gegeben. „Das gewonnene Metallkonzentrat kann je nach Inputmaterial Erlöse von 2.500 Euro pro Tonne erzielen. Aus den Rest-Kunststoffen gewinnen wir gleichzeitig energiereiche Gase und Öle, die energetisch genutzt werden können und beide Prozesse mit Energie versorgen“, erklärte Hense. „Die Kombination der Verfahren bietet Recyclern mehrere Vorteile: Sie erhalten Kunststoffrezyklate sowie wertvolle Metallkonzentrate und erzeugen gleichzeitig Energieträger, die beispielsweise mit einem Blockheizkraftwerk in Strom und thermische Energie verwandelt werden können. Durch Erweiterungen und Adaptierungen beider Prozesse entsteht zudem erstmals ein Verfahren, das die Metalle Antimon und Indium aus Altprodukten zurückgewinnt. Die Europäische Union stuft diese Metalle als versorgungskritisch ein. Beide finden sich vor allem in Elektroaltgeräten und werden aktuell quasi nicht zurückgewonnen.“

Das Projekt „kunstwerk“ sieht den Ausbau der strategischen Allianz der beiden Fraunhofer-Institute innerhalb von zwei Jahren vor. Durch die Technologie-Vermarktung würden künftige Anwender in die Lage versetzt, „unerschlossene Potenziale der Recyclingwirtschaft zu heben“. Neben der Verschaltung bestehender Technikumsanlagen und der Optimierung entstehender Schnittstellen wird auch eine Demonstrationskampagne durchgeführt, bei der Verpackungskunststoffe sowie Shredderleichtfraktionen aus Altfahrzeugen und Elektroaltgeräten eingesetzt werden. Interessierte Industriepartner haben die Möglichkeit, sich an der Durchführung zu beteiligen.

www.umsicht-suro.fraunhofer.de

(EU-Recycling 03/2018, Seite 12)