Deinkbare UV-Druckfarben – was gut für das Papierrecycling wäre

Dass die Altpapiereinsatzquote in der deutschen Papierindustrie bei angeblich 74 Prozent liegt, ist zu hinterfragen. Denn die zunehmende Verwendung von UV-Farben in Druckerzeugnissen bereiten dem Recycling zunehmende Probleme: Vernetzende Druckfarben lassen sich beim Deinken kaum von den Papierfasern trennen.

Gerade LE- und LED-UV-Farben, die schneller und innerhalb von Sekunden aushärten, gewinnen hier an Marktanteilen, wie auf dem diesjährigen Ingede-Symposium am 28. Februar in München zu erfahren war. Thomas Krauthauf, Vorsitzender der Internationalen Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik e.V. (Ingede), eröffnete den Branchentreff mit einem Überblick über die Aktivitäten. Auf der Agenda stehen Lösungen hinsichtlich der Problematik von UV-Druckfarbenentfernung in der Altpapieraufbereitung. Vorgestellt wurde dabei ein Gemeinschaftsprojekt mit der hubergroup Deutschland GmbH. Der Hersteller von Druckfarben- und lacken, Feuchtmittelzusätzen und Druckhilfsmitteln mit 40 Unternehmen in aller Welt ist ein Marktführer im Bereich Offset- und Verpackungsdruck.

Wie Roland Schröder von der hubergroup und Axel Fischer von der Ingede erklärten, will das Gemeinschaftsprojekt dazu beitragen, die Deinkbarkeit und damit die Rezyklierbarkeit von Drucken mit UV-härtenden Farben – die durch die vom UV-Licht induzierte Polymerisation vernetzen – zu verbessern, ohne die Bedruckbarkeit der Druckprodukte zu beeinträchtigen. Das schließt die Weiterentwicklung von UV-Druckfarben ein, die deutlich sichtbare Spuren – Schmutzpunkte – im Recyclingpapier hinterlassen. Anders als klassische Offset- und Tiefdruckfarben können vernetzende Druckfarben und auch polymerisierende Pflanzenöle in mineralölfreien Farben sowie der eine oder andere Dispersionslack beim Deinken kaum oder nur schwer von Papierfasern getrennt und entfernt werden.

Prozess mit vielen Stellschrauben

Drucke mit Flüssigtoner von HP Indigo sind gänzlich ungeeignet für das Deinken, stellte Schröder fest. Und immer mehr Druckprodukte werden mehrschichtig mit Folien überzogen und laminiert. Die hubergroup will unter Einbindung der Druckmaschinenhersteller nachhaltige sowie REACH-konforme Farben und Lacke entwickeln und auf den Markt bringen und geht hier von einem langwierigen Prozess mit vielen Stellschrauben aus. Das gemeinsame Projekt mit der Ingede erfordere Ausdauer, dämpfte Schröder rasche Erfolgserwartungen. Und Rückschläge seien nicht auszuschließen. Die Farben und Lacke müssten dem Technikstand bei Druckmaschinen – mit Durchsatzleistungen von gegenwärtig 18.000 und schon bald 21.000 Bogen pro Stunde – entsprechen. „Die Farbenherstellung ist eine äußerst komplexe Angelegenheit“, hob Schröder hervor. „Farben müssen in der Lage sein, sich anzuhaften, sich loszulösen, aber trotzdem noch das Druckergebnis zu erzielen, das der Endkunde erwartet.“

Axel Fischer zeigte im Anschluss an den Vortrag von Roland Schröder einige Beispiele, welche Probleme UV-Druckfarben und Dispersionslacke beim Deinken machen. Wie massiv die Schmutzpunkt-Belastungen oft sind, belegen regelmäßige Untersuchungen der Ingede von verschiedenen Druckerzeugnissen (Zeitungen, Magazine, Werbeblätter oder Fotobücher) im Umlauf. Dass die Altpapiereinsatzquote in der deutschen Papierindustrie bei angeblich 74 Prozent liegt, ist daher zu hinterfragen. Auch werden die Verbraucher durch falsche Angaben getäuscht. Fischer berichtete vom Testfall einer Druckerei, die damit warb, Druckfarben aus biologisch leicht abbaubaren Pflanzenölen zu verwenden, die im Recyclingprozess rückstandslos entfernt werden könnten, was nicht zutraf.

Angesprochen wurde auf der Fachtagung auch die Qualität und Verfügbarkeit von Altpapier. Wie hochwertig ist die Fraktion, die heute als Mischpapier bezeichnet wird? So stellen stark schwankende und oft mangelnde Sortierqualitäten beim Rohstoff Altpapier die deinkende Papierindustrie vor Herausforderungen. Wie kann die Qualität gesteigert werden: durch bessere selektive Erfassung und Sortierung schon im Haushalt? Nach den Erkenntnissen der Ingede weisen alle für die Papierproduktion relevanten Sorten auffällig höhere Aschegehalte und mehr Anteile an Fremd- und Störstoffen auf.

„Daten sind das neue Öl“

Andrea Rimkus (RAL Environment) informierte über die Vergabekriterien des Blaue-Engel-Zertifikats und kritisierte hier zusätzliche Anforderungen, die schon bald auf die Papierhersteller zukommen könnten: Mit freiwilligen Regelungen ließen sich auch die Zertifikatskriterien erfüllen und Veränderungen erreichen, ist die Expertin überzeugt. Weitere Themen auf dem Ingede Symposium waren unter anderem die Revision der Ingede-Methode 11 (Deink­barkeitstest für Printprodukte), das von Hans-Joachim Putz (PMV/Technische Universität Darmstadt) vorgestellte Ingede-Projekt 15317 (Deinkbarkeits-Umfrage), die Verbesserung von Prozesswasser-Qualität nach der Druckfarbenentfernung (Elisabeth Hanecker, Papiertechnische Stiftung) und die „Digitale Revolution in der Papierherstellung“.

Referent war hier Jürgen Käser vom Maschinenbauer Voith. Das Unternehmen mit Sitz in Heidenheim bietet Automatisierungssysteme für den gesamten Papierherstellungsprozess. „Daten sind das neue Öl“, unterstrich Käser und zeigte anhand der Produkte von Voith verschiedene Vernetzungslösungen von Daten und Informationen für die Papierindustrie 4.0. So ermöglichen „Digitale Zwillinge“ durch die Abbildung von Produktionsanlagen über den gesamten Lebenszyklus (Design, Erstellung, Betrieb und Wiederverwertung) einen übergreifenden Datenaustausch. Ob in der Planung oder schon in Betrieb: Für die Anlage können Simulationsmodelle genutzt werden, um bestimmte Abläufe zu optimieren oder zu verändern.


Klebstoffanwendungen entwickelt für das Papierrecycling

Das European Paper Recycling Council (EPRC) nimmt neue Recyclingkriterien für Klebstoffanwendungen in die Scorecard auf.

In einem vom Industrieverband Klebstoffe initiierten Gemeinschaftsprojekt mit der Ingede und der Technischen Universität Darmstadt konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass der Erweichungspunkt, die Auftragsstärke und die Geometrie einer Klebnaht von nicht-wasserlöslichen/nicht-redispergierbaren Schmelzklebstoffen einen entscheidenden Einfluss auf die Entfernbarkeit dieser Klebstoffe im Papierrecyclingprozess haben. Diese neue wissenschaftliche Erkenntnis ist nun auch in die Scorecard „Assessment of Printed Product Recyclability“ des EPRC eingeflossen.

Nachweislich gute Ergebnisse bei der Entfernbarkeit

Die Scorecard enthält jetzt einen Anhang über Klebstoffanwendungen, die aufgrund der Untersuchungsergebnisse der TU Darmstadt nachweislich gute Ergebnisse bei der Entfernbarkeit liefern und somit die Forderungen der Scorecard erfüllen. Unter den in den Untersuchungen ermittelten Parametern sind Anwendungen von nicht-wasserlöslichen/nicht-redispergierbaren Schmelzklebstoffen daher von einer Prüfung ausgenommen. Über Klebstoffanwendungen, die von den in einem Anhang genannten Parametern abweichen, können bezüglich der Entfernbarkeit keine Aussagen gemacht werden. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Klebstoffapplikation die Recyclingkriterien der Scorecard erfüllt. Der Industrieverband Klebstoffe betrachtet dies als einen wichtigen Schritt vorwärts zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft.


Foto: industrieblick / fotolia.com

(EU-Recycling 06/2018, Seite 14)

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