Öffentliche Beschaffung von Recyclingmaterial

Die Menge an lizensierten Rezyklaten wird zunehmen. Dafür sorgen das neue Verpackungsgesetz, die novellierte Gewerbeabfallverordnung, das chinesische Importverbot sowie bestens ausgelastete Müllverbrennungsanlagen. Städte und Gemeinden sehen sich jedoch (noch) nicht in der Lage, verstärkt auf Recyclingprodukte zurückzugreifen.

Um die Hintergründe zu klären und Perspektiven zu zeigen, fand auf der IFAT am 15. Mai eine Podiumsdiskussion zur „grünen öffentlichen Beschaffung“ statt.

Es nütze nichts, wenn die Abfallwirtschaft viele Kunststoffabfälle hat und Rezyklate daraus herstellt, die niemand abnimmt, kritisierte Eric Rehbock eingangs. Der bvse-Hauptgeschäftsführer sieht hierzu die Politik in der Verantwortung, zumal nach Paragraf 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz die öffentliche Hand Sekundärrohstoffe bei der Beschaffung zu berücksichtigen hat. Das sei in der Praxis – auch bei Produkten aus dem Baustoffrecycling – noch nicht zu spüren. Hier müsse endlich mehr politischer Wille her, denn sonst sei es nicht möglich, die Recyclingquoten zu erfüllen. Rehbock bezeichnete es als „schon seltsam“, dass Länder wie Italien und Frankreich mehr Produkte aus Recyclingstoffen als die Deutschen einsetzen.

Lediglich 2,4 Prozent

Es sei viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert worden, um eine Rezyklate-Qualität zu erreichen, die Neumaterial ebenbürtig ist, fügte Michael Wiener hinzu. Nach Darstellung des Geschäftsführenden Gesellschafters und CEO des Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland achte man ebenso auf Kapazität wie auf Qualität der Produkte. Den politischen Bezeugungen zu mehr Recycling müssten nun aber Taten folgen und durch die öffentliche Hand Recyclingstoffen Vorrang eingeräumt werden. Die Politik dürfe nicht nur Richtlinien schaffen, sondern müsse sich auch an der Realität messen lassen: Von den 300 Milliarden Euro, die durch die öffentliche Hand ausgegeben werden, fließen laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung lediglich 2,4 Prozent in die öffentliche Beschaffung von Recyclingmaterial.

Detlef Raphael, Beigeordneter beim Deutschen Städtetag, gab zu bedenken, dass der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung rund 30.000 Beschaffungsstellen zugeordnet sind, davon 11.000 bei Städten und Gemeinden. Der Städtetag habe sich bereits bei der Europäischen Union für eine Änderung der Vergaberegelung eingesetzt, was zu einer Kann-Regelung geführt habe. Mit dieser könnten jetzt öffentliche Vergaben angegangen und vollzogen werden. Allerdings bleibe offen, wie die Qualität der Rezyklate einzuschätzen sei und ob Städte und Gemeinden zur Beurteilung in der Lage seien. Bislang gebe es nur zwei verlässliche Siegelsysteme: Fair Trade und Blauer Engel. In ähnlicher Form sei daher ein Siegelsystem für Kommunen erforderlich.

Rezyklatqualität trifft auf Spezialisierungsgrad

Um die qualitative Eignung von Rezyklaten festzulegen, sei man im Gespräch mit RAL, dem Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, erwiderte Eric Rehbock. Bereits jetzt habe man Kriterien erarbeitet, die anerkannt würden. Zudem sei beim bvse eine bundeseinheitliche Bundesgütegemeinschaft geplant. Nach Aussage von Michael Wiener ist bei der RAL ein Gütesiegel beantragt, das allerdings nicht für alle Materialien und deren Eigenschaften gilt.

Aus Sicht von Detlef Raphael hat die Abfallwirtschaft bereits die Unterstützung mehrerer Ministerien und der öffentlichen Hand. Doch gab er zu bedenken, dass, je kleiner eine Kommune ist, der Spezialisierungsgrad ihrer Vergabestelle hinsichtlich Recyclingstoffen umso geringer ausfällt. Rund 10.900 der deutschen Kommunen hätten eine Einwohnerschaft unter 100.000, sodass der zuständige Sachbearbeiter sich durchaus unsicher über die Qualität des jeweiligen Rezyklats und die Vergabe sein kann. Für diese Fälle müsse es Hilfestellungen geben, um Sicherheiten zu schaffen, sonst würden solche Vergaben nicht stattfinden. Außerdem schlug der Beigeordnete vor, gemeinsam mit der Wirtschaft über Rezyklate zu informieren und deren Produktdarstellung zu verbessern. Und schließlich müssten auch die großen Vergabestellen des Bundes und der Länder involviert werden, um deren Vorbildfunktion für die Vergabe von Rezyklaten zu nutzen.

Keine DIN-Norm

Aus dem Publikum kam die Frage nach einem übergeordneten Kriterium zur Sicherstellung der Rezyklat-Qualität. Davor warnte Eric Rehbock: Bis eine DIN-Norm auf Europa-Ebene eingeführt ist, vergingen fünf, sechs, manchmal zehn Jahre. Außerdem seien Länder, die noch bis 2035 ihre Abfälle deponieren dürfen, an solchen Themen wenig interessiert. Daher müsse man hier „national vorreiten“. Dafür stünden in Deutschland durch den neuen Wirtschaftsminister die Vorzeichen gut, und es tue sich auch was bei den Produzenten und Inverkehrbringern. Design for Recycling sei kein Geschwätz mehr wie in den Jahren vorher. „Wir müssen die Stimmung nutzen, um das Thema endlich richtig nach vorne zu bringen.“

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(EU-Recycling 07/2018, Seite 8)

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