Muss die Schrottwirtschaft die Stahlindustrie subventionieren?

Die Stahlindustrie steht in der Klimadiskussion unter Druck. In ihrem Bemühen, sich wieder Luft zu verschaffen, fordert der Branchenverband Eurofer Exportrestriktionen für Schrott. Über die Motive und die Folgen dieser „Politik der verbrannten Erde“ informiert bvse-Referentin Birgit Guschall-Jaik in diesem Beitrag.

Eurofer, der europäische Verband der Stahlhersteller, fordert laut einer Pressemitteilung vom 10. März 2021 und Berichten von SBB und Argus mehr kostenlose Emissionszertifikate aus dem ETS-Handelssystem für die Stahlindustrie. Darüber hinaus wünscht der Verband eine Kombination mit dem ab 2023 in Kraft tretenden Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (CBAM). Mit dem CBAM wird auf Importe in Abhängigkeit ihres CO2-Gehalts ein CO2-Ausgleich fällig, während die Exporte entsprechend entlastet werden. Damit schafft man gleiche Bedingungen für Im- wie Exporteure.

Ein funktionierendes Grenzausgleichssystem ist beispielsweise die Umsatzsteuer, die bei Importen erhoben wird, während die Exporte freigestellt sind. Die EU hat beschlossen, die kostenlose Ausgabe von Emissionszertifikaten im Rahmen des ETS-Systems, von denen die Stahlindustrie bisher mit Recht ein großer Nutznießer gewesen ist, zurückzufahren, da sie davon ausgeht, dass mit dem CBAM der Anreiz zur Verlagerung von Industrieproduktionen (Carbon Leakage Effekt) nicht mehr besteht. Sie will über den Wettbewerb des ETS-Systems den CO2-Ausstoß zunehmend verringern. Eurofer fordert, das System der kostenlosen Zuteilung für acht weitere Jahre neben dem CBAM bestehen zu lassen und die generierten Einnahmen aus dem ETS Handelssystem der Industrie und damit insbesondere ihr in einem stärkeren Maße als bisher zur Verfügung zu stellen. Hintergrund sind die steigenden CO2-Zertifikatpreise im ETS-Handelssystem, die auch weiter steigen werden, um so den Einspareffekt bei Emissionen über den Markt zu verstärken. Die europäische Stahlindustrie will mit dem Vorschlag vorrangig ihre Stahlexporte schützen, die immerhin bei rund 20 Millionen Tonnen im Jahr liegen. Diese Forderung ist angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Stahlindustrie auf dem Weg in die Klimaneutralität steht, legitim. Was die Schrottindustrie dagegen als nicht zulässig empfindet, sind die Bemühungen der Stahlindustrie, von der EU massive Einschränkungen der Schrottexporte zu fordern.

Massiver Markteingriff

Vordergründig wird dieses Vorgehen mit der Sorge um den enormen CO2-Verbrauch durch die Schrottexporte und mit dem zukünftigen Umbau der Stahlprozesse sowie dem dadurch entstehenden, jedoch noch nicht konkretisierten Mehrbedarf an Schrott begründet. Erlaubt sei der Hinweis, dass sich der Carbon Footprint der Stahlexporte mit dem der Schrottexporte in etwa deckt. Die Forderung der Stahlindustrie lässt daher nur den Schluss zu, dass man die Strukturen der Schrottwirtschaft unter dem Deckmantel des Umweltschutzes zerstören möchte.

Unverständlich

Mit dem aus einem faktischen Exportverbot zu erwartenden Schrottüberfluss in der EU entfällt schnell die Lenkungsfunktion des Preises; und es beginnt eine Subventionierung der Stahlindustrie auf Kosten der Schrottwirtschaft. Wie auch immer bezeichnete oder begründete Exportbeschränkungen zerstören nicht nur die Sammelstrukturen innerhalb der EU, sondern sie schädigen darüber hinaus die Kreislaufwirtschaft nachhaltig. Der Weiteren haben sie gravierende Verwerfungen im internationalen Rohstoffmarkt zur Folge.

Der Anteil des Schrottverbrauchs an der EU-Rohstahlproduktion ist seit rund 20 Jahren mit etwa 55/56 Prozent stabil. Das Steigerungspotenzial ist unverkennbar und angesichts des hohen Einsparpotenzials an CO2-Emissionen durch den Einsatz des Sekundärrohstoffs Schrott schnell und nachhaltig nutzbar. Die Schrottindustrie stellt die gewünschten Qualitäten in der erforderlichen Menge zur Verfügung. Dass beides im Sinne der Umwelt und der angestrebten Klimaneutralität gesteigert werden muss, daran lässt auch die Schrottwirtschaft keinen Zweifel.

Ob der von der Stahlindustrie vorgeschlagene Weg, den Schrottexport über die Abfallverbringungsverordnung faktisch einzuschränken, der richtige ist, ist mehr als zweifelhaft. Gespräche auf Augenhöhe über faire Bedingungen für einen qualitativ erhöhten Schrotteinsatz, wie sie unter langjährigen Geschäftspartnern die Regel sein sollten, scheinen jedoch bei den Bemühungen der Stahlindustrie, finanziell an ihrer Transmission möglichst viele Dritte zu beteiligen, untergegangen zu sein.

Autorin: Birgit Guschall-Jaik, bvse

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 05/2021, Seite 10, Foto: O. Kürth)

 

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