Kunststoffe im Meer – Kunststoffe auf dem Acker
Haben wir taugliche Konzepte, um dem Kunststoffeintrag in Gewässer und Böden Einhalt zu bieten? Ein Beitrag von Thomas Obermeier (Ehrenpräsident DGAW, CEO Tomm +C) und Isabelle Henkel (Fachreferentin DGAW) zum Diskussionsstand um die Kunststoffverwertung.
Nach Untersuchungen der MacArthur Foundation gelangen jährlich acht Millionen Tonnen Plastikabfälle ins Meer, Tendenz steigend. „Wenn wir nicht die Art und Weise ändern, wie wir Kunststoffe herstellen und verwenden, wird 2050 in unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen als Fische“, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans voraus. Gerade in Deutschland hat das Thema neuen Auftrieb durch Kunststoffreste in Fließgewässern und Kompost bekommen: Im März diesen Jahres wurden Plastikteilchen an den Ufern und im Gewässer der Schlei entdeckt. Sie stammten aus dem Klärwerk der Schleswiger Stadtwerke. Im Juni entdeckten Forscher von Greenpeace auch Plastikpartikel in der Antarktis.
Ziel muss es demnach sein, Kunststoffeinträge in Gewässer und Böden zu verhindern. Angestrebt werden muss eine hundertprozentige Verwertung, die sowohl Recycling als auch die thermische Verwertung umfasst. Beide Verwertungsarten schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig.
China produziert meisten Verpackungsabfall
Weltweit sind im Jahr 2015 laut UN 300 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle angefallen: Davon 47 Prozent (141 Millionen Tonnen) Verpackungsabfälle. Die Hälfte davon stammt aus Asien, wobei China weltweit der größte Erzeuger von Kunststoffverpackungsabfällen gesamt ist. Die USA dagegen sind der größte Erzeuger von Kunststoffverpackungen pro Kopf, gefolgt von Japan und der EU. Laut dem Bericht der UN belief sich die globale Recyclingquote im Jahr 2015 lediglich auf 14 Prozent. Davon wurden allerdings nur zwei Prozent tatsächlich effektiv recycelt, acht Prozent gingen in minderwertige Anwendungen, und vier Prozent machen Verluste während der Recyclingprozesse aus.
Deutschland europaweit an dritter Stelle
In Deutschland und der EU sind Verpackungen an 59 Prozent der gesamten Kunststoffproduktion beteiligt. Das Kunststoffabfallaufkommen lag im Jahr 2015 dementsprechend bei 25,8 Millionen Tonnen pro Jahr in der EU; davon wurden über 30 Prozent getrennt erfasst, 31 Prozent noch immer deponiert und 38 Prozent thermisch verwertet. Deutschland steht bei der pro-Kopf-Produktion an Verpackungsabfall europaweit mit 37,4 Kilogramm je Einwohner an dritter Stelle, nur übertroffen von Irland und Estland. Insgesamt fielen im Jahr 2015 rund 18,2 Millionen Verpackungsabfälle an – mit steigender Tendenz. Immerhin ist Deutschland aber auch in der Verwertung der Verpackungsabfälle ganz vorne: 69,3 Prozent der Verpackungsabfälle gingen laut Umweltbundesamt in Recyclinganlagen. Insgesamt wurden 97,0 Prozent der Verpackungsabfälle verwertet.
Ein Teil der Kunststoffverpackungsabfälle aus Deutschland und der EU gingen bis Ende 2017 zur Verwertung nach China. Seit dem 1. Januar 2018 will China keinen Verpackungsmüll mehr: Es gilt ein Importstopp. Alternative Exportwege zum Beispiel nach Malaysia gestalten sich zunehmend als schwierig. Der zum Teil illegale Export von gemischten Verpackungen nach Umdeklarierung als Kunststoffe nach Polen wird von polnischen Behörden vermehrt strenger kontrolliert und hoffentlich unterbunden. Die Branchenvertreter sehen diese Herausforderung jedoch zum großen Teil als Chance, entsprechende Maßnahmen zu entwickeln und weitere Verwertungs- und Recyclingkapazitäten zu schaffen.
Was die EU-Plastikstrategie umfasst
Pünktlich zum Importstopp aus China veröffentlichte die EU-Kommission am 16. Januar 2018 die EU-Plastikstrategie, die aus Hauptforderungen sowie einen konkreteren Maßnahmenkatalog besteht und folgende Punkte umfasst:
Anforderungen an das Produktdesign:
■ Höhere Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Recycling hoher Qualität bis 2030 – alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt sind wiederverwendbar und werden wirtschaftlich recycelt.
■ Erstes Ziel ist die Wiederverwertung von 60 Prozent der Kunststoffverpackungen bis 2030.
■ Kunststoffabfälle in der EU-28, Norwegen und der Schweiz werden recycelt und energetisch verwertet.
■ Die getrennte Sammlung soll EU weit auf ein hohes Niveau steigen.
■ Die Recyclingquote von Verpackungsabfällen soll der anderer Verpackungsmaterialien wie Glas und Papier angeglichen werden.
■ Ausweitung und Modernisierung von Sortieranlagen und -kapaziäten.
■ Schaffung stabiler Märkte für Recyclingmaterial, um die Nachfrage zu vervierfachen.
Kein Export mehr von niedrigen Kunststoffabfall-Qualitäten:
■ Kooperation zwischen chemischer Industrie und Kunststoff-Recyclingindustrie.
■ Keine Verwendung von Inhaltsstoffen, die Recycling behindern.
Mikroplastik reduzieren:
■ Besseres Verständnis für die Quellen und Eintragspfade von Mikroplastik schaffen.
■ Einsatzverbot für Mikroplastik in Kosmetika.
Aufklärung/Kennzeichnung:
■ Neue Kennzeichnungen für Verbraucher, um auf Kunststoffe zu verzichten.
■ Kennzeichnung von bioabbaubaren Kunststoffen, damit Verbraucher die Auswirkungen und Risiken solcher Produkte besser einschätzen können – keine Lösung für das Vermüllungsproblem.
Auszug aus dem Maßnahmenkatalog der EU-Kommission
■ Neue Regeln für die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, kurz EPR).
■ EU-weite Kampagne, um sicherzustellen, dass bis 2025 zehn Millionen Tonnen recycelter Kunststoffe in neue Produkte auf dem EU-Markt gelangen, gerichtet an private und öffentliche Akteure. Bis Juni 2018 Vorlage konkreter Zusagen.
■ Leitlinien für die getrennte Erfassung und Sortierung von Abfällen.
■ Entwicklung von Produktanforderungen gemäß Ökodesign-Richtlinie, die die Recyclingfähigkeit berücksichtigen.
■ Entwicklung von Kriterien für Umweltzeichen und umweltgerechte öffentliche Beschaffung zur Erhöhung der Recyclingfähigkeit.
■ Förderung von Forschungs- und Innovationsprojekten zur besseren Identifizierung von Verunreinigungen und zur Dekontaminierung von Kunststoffabfällen im Rahmen von „Horizont 2020“.
Anfang Mai brachte die EU-Kommission weitere Vorschläge zum Verbot von Einwegplastik sowie zu möglichen Abgaben heraus. „Von den 25 Millionen Tonnen Kunststoff, die wir Europäer jedes Jahr produzieren, werden 95 Prozent nur ein einziges Mal verwendet und dann weggeworfen“, begründete die Kommission das vorgeschlagene Verbot von unter anderem Plastikgeschirr und -besteck, Strohhalmen, Wattestäbchen und Luftballonhaltern (Liste verzichtbarer Produkte). Die Kommission nimmt dabei die zehn Produkte besonders ins Visier, die den größten Teil des Plastikmülls an Stränden ausmachen. Weiterhin sehen die Vorschläge eine Beteiligung von Herstellern bestimmter Wegwerfartikel an den Kosten für Umweltsäuberung und Informationskampagnen vor.
Zielmarke für alle EU-Staaten bis 2025 soll es sein, mindestens 90 Prozent der Plastikgetränkeflaschen zur Verwertung zu sammeln. Zusätzlich ist eine Plastikmüllabgabe pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikmüll an den EU-Haushalt geplant. Derzeit im Gespräch sind 80 Cent pro Kilo nicht recyceltem Plastikmüll. Mit diesen Vorschlägen wird erstmals neben dem Recycling auch die in der Abfallhierarchie ganz oben stehende „Abfallvermeidung“ in den Fokus gerückt. Außerdem werden in beiden Veröffentlichungen die Hersteller stärker in die Verantwortung genommen.
Mehr Herstellerverantwortung durch Selbstverpflichtungserklärungen: Ziel soll sein, bis 2025 zehn Millionen Tonnen Kunststoff-Rezyklate zu neuen Produkten für den EU-Markt zu verarbeiten. Unternehmen und Branchenvereinigungen konnten bis 30. Juni 2018 ihre Selbstverpflichtungen per Mail bei der EU einreichen. Die Kommission wird die eingegangenen Selbstverpflichtungen und ihren Gesamtbeitrag zu dem quantitativen Ziel bis 31. Oktober 2018 prüfen und auf einer Website veröffentlichen.
Wofür sich PlasticsEurope einsetzt:
Zunehmende Wiederverwendung und Recycling
Die freiwillige Selbstverpflichtung konzentriert sich auf die verstärkte Wiederverwendung und Wiederverwertung, die Vermeidung von Kunststoffleckagen in die Umwelt und die Beschleunigung der Ressourceneffizienz:
■ Bestrebungen zur Sicherstellung der hohen Wiederverwendungs- und Recyclingquoten.
■ Verstärkung der Anstrengungen und Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette mit Behörden, um nachhaltige Kunststofflösungen zu liefern.
■ Einrichtung von drei europäischen Plattformen: European Council of Vinyl Manufacturers (ECVM), Polyolefin Circular Economy Platform (PCEP) und Styrenics Circular Solutions. Ihr Ziel: Beschleunigung von Innovationen für ein effizienteres chemisches und mechanisches Recycling.
Kunststoffleckagen vermeiden
■ Bildungsprojekte sollen das Bewusstsein für nachhaltiges Verbraucherverhalten schärfen.
■ Für die Industrie soll das Programm zur Vermeidung von Pelletverlusten (Operation Clean Sweep) ausgebaut und die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Transport und Logistik einbezogen werden.
■ Forschungsaktivitäten zur Meeresmüll-Problematik sollen angestoßen werden, um Wissenslücken zu schließen und geeignete Lösungen zu finden.
Beschleunigung der Ressourceneffizienz
PlasticsEurope will diese Ansätze zusätzlich durch Maßnahmen ergänzen, die darauf abzielen, die Ressourceneffizienz von Kunststoffen zu verbessern und Innovationen für die Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen:
■ Erforschung von alternativen Rohstoffen
■ Aktualisierungen von Produktlebenszyklus-Inventaren und Umweltproduktdeklarationen
■ Veröffentlichung von erweiterten Abfalldaten
■ Neue Ökodesign-Richtlinien für Kunststoffverpackungen und Standardisierung der Praktiken und Methoden der Industrie.
PlasticsEurope will konkrete Aktionspläne und zeitbasierte Leistungsindikatoren aufstellen. Die Ergebnisse werden von einem unabhängigen Ausschuss überwacht, der sich aus Vertretern der Hochschulen, der EU- Kommission, des Europaparlaments, der Zivilgesellschaft und des Verbands zusammensetzt. Außerdem wird ab 2019 ein jährlicher Fortschrittsbericht veröffentlicht. Insgesamt viele gute Vorsätze, die zeigen, dass ein Umdenken stattfindet, das alle Akteure – nicht nur die Abfallwirtschaft – einbezieht.
Beispielhafte Ziele der Selbstverpflichtung
Die Fast-Food-Kette McDonald‘s will bis 2025 alle Verpackungen aus Materialen herstellen, die aus erneuerbaren, recycelten oder zertifizierten Quellen stammen. Der Danone-Eaux Konzern will ebenfalls bis 2025 alle Wasserflaschen der Unternehmensmarke „Evian“ aus Recyclingkunststoff herstellen. Der Hersteller von Verbrauchsgütern Unilever will bereits bis 2020 die Abfälle, die durch die Entsorgung der eigenen Produkte entstehen, halbieren, und bis 2025 soll ein Viertel der eingesetzten Kunststoffmaterialien aus Recyclingmaterial stammen. Heute werden weltweit im Konzern 3.830 Tonnen Rezyklat in Kunststoffverpackungen verarbeitet. Procter & Gamble wollen bis 2020 die Verpackungsmenge pro Artikel um 20 Prozent reduzieren. Rund 90 Prozent der Verpackungen sollen recycelbar sein. Der Einsatz von recycelbarem Kunststoff im Unternehmen soll sich verdoppelt haben (das entspricht 52.000 Tonnen Rezyklat, also 0,52 Prozent der Zielmenge laut EU). Bereits heute gibt es eine Variante des Haarshampoos „Head & Shoulders“, bei dem die Flasche zu 20 Prozent aus recyceltem, angeblich aus dem Meer angeschwemmten Kunststoff besteht.
Supermarktketten arbeiten ebenfalls daran, den Plastikeinsatz zu verringern. So hat sich Discounter Lidl als Ziel gesetzt, bis 2025 mindestens 20 Prozent weniger Kunststoffe verwenden zu wollen – dünnere Verpackungen, kleinere Verpackungen. Rewe und Discounter Penny probieren „Unverpackt-Konzepte“ aus – Mehrwegboxen und wiederverwendbare Netze für Obst und Gemüse; Kunden können Fleisch in Tupperdosen packen lassen. Die Hersteller und Vertriebe von Verpackungen ins Boot zu holen, scheint Früchte zu tragen.
Verpackungsforschung: Zwischen Funktion und Umweltschutz
Im Bereich Forschung und Entwicklung, gibt es auch vielversprechende Ansätze und Ideen. Prof. Dr. Christina Dornack, TU Dresden und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der DGAW, schlug im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Bayrischen Akademie der Wissenschaften am 16. April 2018 vor, Recyclingquoten für die Industrie einzuführen. Die Werner & Mertz GmbH, Hersteller der Reinigungsmittelmarke „Frosch“, macht es im Rahmen der Rezyklat-Initiative vor: Die transparenten Frosch-Flaschen bestehen zu 100 Prozent aus Altplastik – 20 Prozent davon stammen den Angaben nach aus dem Gelben Sack.
Doch Dornacks Vorschlag geht noch weiter: Die Recyclingquoten für die Industrie sollen von einem System ähnlich dem Handel mit CO2-Zertifikaten flankiert werden: „Wer die für seine Produktgruppe geltenden Ziele für den Einsatz von Regeneraten nicht erreicht, kann Zertifikate von Betrieben kaufen, die ihre Ziele übererfüllen und damit die zusätzlichen Einsparungen an Neumaterial refinanzieren können.“
Lösungsansätze beim Recycling
Um Recyclingmaterial zur Neuproduktion von Verpackungen einsetzen zu können, sind möglichst sortenreine Abfallfraktionen Voraussetzung. Da die Kunststoffe mittlerweile aber eine Vielzahl an Funktionen gleichzeitig erfüllen – zum Beispiel die Waren schützen, länger frisch und ansehnlich halten, Platz für Informationen und Werbung bereitstellen etc. –, sind sie aus vielen verschiedenen Schichten aufgebaut, die beim Recyclingprozess kaum getrennt werden können. Chemische Trennverfahren könnten hier Abhilfe schaffen.
Abfall und Recyclingexperten verfolgen solche Ansätze mit Interesse, sehen aber auch die Grenzen: Prof. Vera Rotter, TU Berlin und ebenfalls Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der DGAW, merkt deshalb an: „Letztlich brauchen wir eine Gesamtbilanz, die auch eine Energiebilanz umfasst. Außerdem geht es um die Einschätzung der chemischen Lösemittel, die zum Teil mit großem Aufwand hergestellt werden.“
Im Dezember 2017 veranstaltete ein Konsortium, bestehend aus Bobst, Borealis, Erema und Henkel das „Circular Packaging Event“ in Weert/Niederlande und präsentierte dabei die Full-PE-Laminate-Lösung sowie anderer vollständig recycelbarer Monomaterialien. Die Materialen erfüllen alle Anforderungen an moderne Verpackungen und sind mit einer Barrierefunktion ausgestattet.
Rezyklierfähig oder nicht?
Laut Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes sollen die Beteiligungsentgelte der Systembetreiber nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltet werden und vor allem die Rezyklierfähigkeit der Verpackungen bewerten. Wie dies geschehen soll, ist nicht geregelt, sondern der Phantasie der Systembetreiber überlassen. Die Zentrale Stelle veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt ab 2019 jeweils zum 1. September lediglich einen Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit. Die Einflussfaktoren auf die Bewertung sind jedoch vorgegeben: Recyclingfähigkeit soll Einfluss auf Lizenzierungsentgeld haben. Die Verwendung von Rezyklaten sowie nachwachsenden Rohstoffen soll gefördert werden. Die Systembetreiber Der Grüne Punkt und Interseroh haben bereits ihre Bewertungsmethoden veröffentlicht.
Der Grüne Punkt: Herstellern wird angeboten, die Verpackungen zu testieren und deren Recyclingfähigkeit zu bestimmen. Hierbei wurden gemeinsam mit dem Institut cyclos – HTTP unter Zuhilfenahme eines Referenzmodells eine Methode entwickelt, die unter anderem folgende Kriterien ansetzt: recyclierfähige Gewichtsanteile, Leitfähigkeit, Dichte und Auflösegeschwindigkeit. Als rezyklierfähig gelten die Mengenanteile der Verpackung, deren Rezyklat korrespondierende Neuware ersetzen könnte.
Interseroh: Kooperationspartner ist das bifa Institut, das ein durch das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV geprüftes Punktesystem entwickelt hat. Die Bewertung erfolgt anhand dreistufigem Punktesystem: Zuordenbarkeit der Verpackung zu richtigem Erfassungssystem durch Verbraucher. Verhalten der Verpackung bei Sortierung. Eignung der Verpackung für werkstoffliche Verwertung (Abzüge durch Etiketten, Farben oder Verschlüsse).
Die Bundesregierung prüft die Wirkung der Anreize bis 2022. Zum 1. Juni 2019 müssen die Systembetreiber jedoch bereits berichten, wie die Entgelte bestimmt werden und welcher Anteil an Verpackungen einem hochwertigen Recycling zugeführt wurde.
Statt Quotenzauber jetzt zauberhafte Quoten?
Trotz der Anstrengungen aller Akteure, vom Hersteller bis zum Recycler, ist es eine Illusion zu glauben, es könnte 100 Prozent Recycling geben. Es wird weiterhin eine Vielzahl an Compoundmaterialien und Mischkunststoffen geben. Der Mangel an Alternativen, ökonomische Gründe und die Unmöglichkeit einer sortenreinen Sammlung werden die Recyclingfähigkeit immer einschränken.
Deshalb werden wir der Lage alleine durch die hochwertige Verwertung mittels Recycling nicht Herr werden. Vielmehr dürfen wir die begleitende energetische Verwertung nicht verteufeln, sondern als Verwertungsweg für Materialen sehen, die nicht rezyklierbar sind oder sonst Restabfall bleiben. Recycling funktioniert außerdem nur, wenn wirklich alle Akteure: Hersteller, Recycler und Verbraucher sich engagieren.
Aktuelle Umfragen von Price Waterhouse Cooper und vom Deutschen Verpackungsinstitut bescheinigen den Verbrauchern vordergründig, dass ihnen Nachhaltigkeit und Mehrweg bei Verpackungen wichtig sei. Schaut man aber hinter die Kulissen, wird auch klar, dass dies vor allem für die Generation 40+ gilt. In dieser Bevölkerungsgruppe kauft kaum noch jemand Plastiktüten im Laden, es wird häufiger zu loser Ware gegriffen, und man ist offen für Mehrweg.
Grundsätzlich bevorzugt die Mehrheit der Befragten jedoch verpackte Ware: aus Kostengründen, der Frische- und Hygiene wegen oder einfach, weil es praktischer ist. Bei der jüngeren Generation besteht dagegen das geringste Interesse, auf Verpackungen zu verzichten. Auch kaufen in dieser Altersgruppe noch über zehn Prozent Plastiktüten im Laden. Außerdem sehen die Verbraucher die Hersteller an erster Stelle in der Verantwortung, wenn es um die Reduzierung von Plastikmüll geht, und an zweiter Stelle den Gesetzgeber.
Gerade die jüngere Generation hat also wenige Ambitionen, auf Konsum und Convenience und damit auf Verpackungen zu verzichten. Hinter den Kulissen der Verpackungshersteller ist die Innovation Full-PE Laminate sicher nicht das umsatzstärkste Produkt in der Palette, schon gar nicht global betrachtet. Auch die Konsumgüterhersteller verkleinern ihre Verpackungen und haben verstärkt Verpackungen mit mehr oder weniger hohen Anteilen an Rezyklaten im Angebot.
Littering ist ein globales Problem
Littering ist ein globales Problem, das global gelöst werden muss. Die EU kann hier mit gutem Beispiel vorangehen: Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, Innovationen anstoßen, Techniktransfer vorantreiben. Ganz vorne auf der Agenda muss dabei stehen: weltweit Strukturen für die Abfallwirtschaft aufbauen, angefangen von der Sammlung, Sortierung bis zur energetischen Verwertung und zum Recycling. Weiterhin ist es notwendig, in den jetzt aufstrebenden Entwicklungsländern ein Problembewusstsein zu schaffen und zu stärken.
Es gilt, mit Herstellern und Vertreibern sowie Verbrauchern Vermeidungsstrategien zu entwickeln und bei der Herstellung von Produkten, Ersatzstoffen oder Monomeren auf Recycelbarkeit zu setzen. Zugleich müssen Märkte für Rezyklate geschaffen werden.
Diese Gedanken setzt auch die „10-step roadmap for governments“ der United Nations um, die am 5. Juni 2018 ihren Bericht zum Umweltprogramm in Neu-Dehli vorgestellte. Die Roadmap enthält einen 10-Schritte-Plan für Regierungen, die bereits etablierte Maßnahmen gegen die Plastikflut einführen oder verbessern wollen.
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10-step roadmap for governments
Die Empfehlungen der UN basieren auf den Erfahrungen von 60 Ländern weltweit:
1. Basisanalyse zur Bestimmung der problematischsten Einwegkunststoffe (Liste der Einwegkunststoffe, Ursachen, Ausmaß und Auswirkung der Massenströme).
2. Ermittlung von Maßnahmen zur Bewältigung des Problems (z. B. regulatorische, wirtschaftliche, Sensibilisierungs- und Freiwilligentätigkeiten).
3. Bewertung der potenziellen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen (positiven und negativen) Auswirkungen, Instrumente und Maßnahmen (Auswirkung auf Sektoren und Branchen).
4. Identifizierung und Einbeziehung der wichtigsten Interessengruppen (Einzelhändler, Verbraucher, Industrie, NGO) und Erarbeitung evidenzbasierter Studien, um Widerstand der Kunststoffindustrie zu überwinden.
5. Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Schäden durch Einwegkunststoffe sowie Maßnahmen und Strafen (Verbote, Abgaben).
6. Förderung und Bewertung von Alternativen: wirtschaftliche Anreize (Steuernachlässe, Projektunterstützung (auch F&E), Technologie-Inkubation, PPP).
7. Schaffung von Anreizen für die Industrie (Steuerermäßigungen, Übergangszeiten).
8. Einsatz der „Plastik-Abgaben“ für lokale Recyclingprojekte, Startkapital für Gründungen im Recyclingbereich.
9. Umsetzung der Maßnahmen durch klare Zuteilung der Verantwortlichkeiten.
10. Beobachtung, Bewertung und Anpassung der Maßnahmen.
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Quelle: Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft e.V. (DGAW), Foto: pixabay
EU-Recycling 08/2018, Seite 24 (Kasten)