„Es gibt keinen Platz für das chemische Recycling“
Am 18. Januar 2023 befasste sich der Umwelt- und Wirtschaftsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen mit dem Antrag der FDP-Fraktion: „Mithilfe des chemischen Recyclings Lücken schließen und die Kreislaufwirtschaft stärken“. In der Anhörung machte bvse-Experte Dr. Thomas Probst deutlich, dass im Bereich der Kunststoffleichtverpackungen kaum Platz sei für das chemische Recycling.
Probst verwies darauf, dass die von der Verpackungsverordnung für 2023 vorgeschriebene Recyclingquote von 63 Prozent inzwischen übertroffen wurde und im Jahr 2021 schon bei fast 66 Prozent lag. „Das werkstoffliche Recycling ist also ein Riesenerfolg“, betonte der bvse-Experte vor den Abgeordneten. In seiner schriftlichen Stellungnahme hebt Probst zudem hervor, dass die großen Erfolge des werkstofflichen Recyclings belastbar und dokumentierbar sind. Der Rezyklateinsatz aus Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfällen betrug in 2021 rund 1,65 Millionen Tonnen. Daneben wurden rund 0,64 Millionen Tonnen an Nebenprodukten wiederverwendet.
Energieaufwendig und ohne Mehrfachnutzen
Nach den Erkenntnissen beruhen die Aussagen zum chemischen Recycling – im Gegensatz zum werkstofflichen Recycling – auf Annahmen, Vorstudien und Studien. Inzwischen seien allerdings auch einige technische Anlagen sowie Kleinanlagen in Betrieb (meist im Probebetrieb), die relativ geringe Produktmengen erzeugen würden. Probst führt in seiner Stellungnahme aus, dass das chemische Recycling die zuvor über mehrere Prozessschritte aufwendig hergestellten Neukunststoffe zerstöre. Dabei entstünden unterschiedliche Bruchstücke, die vor der weiteren Verwendung erst aufgetrennt und in weiteren Schritten verarbeitet werden müssten. Diese Prozesse seien sehr energieaufwändig und setzten große Mengen an CO2 frei. Erschwerend komme noch hinzu, dass nur ein Teil der erhaltenen Bruchstücke als Synthesebausteine für die Kunststoffneuproduktion eingesetzt werde.
Im Gegensatz hierzu erhalte das werkstoffliche Recycling sowohl die Polymerstruktur wie auch die zugesetzten Additive und – soweit zugesetzt – ebenso die Füllstoffe und die Verstärkungsstoffe. Und genau dadurch sei das werkstoffliche Recycling ökologisch so vorteilhaft, weil dies die Mehrfachnutzung des Rohstoffs ermögliche. Darüber hinaus verbrauchten die notwendigen Schritte zum thermischen Umformen der recycelten Kunststoffmassen nur etwa ein Drittel der Energie, die für die Kunststoffsynthese notwendig sei.
Nach wie vor werde von Befürwortern des chemischen Recyclings auch argumentiert, dass dieses eventuell für die Kunststoffabfälle eingesetzt werden könne, die sich nicht werkstofflich recyceln ließen. Tatsächlich sei es aber so, dass das chemische Recycling gut bis sehr gut aufbereitete PO-reiche Abfallströme benötige, die störstoffentfrachtet sind. „Das ist genau der LVP-Abfallstrom, der auch für das werkstoffliche Recycling gebraucht werde“, entkräftete Probst in der Landtags-Anhörung auch die Überlegung, dass die LVP-Kunststoffabfälle, die in Müllverbrennungsanlagen verwertet werden, für das chemische Recycling genutzt werden könnten. Thomas Probst abschließend: „Das, was in die Müllverbrennung geht, würde ein chemischer Recycler nicht nehmen. Niemals!“
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2023, Seite 27, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)