Polnische Deponiebrände: Chinas Importstopp als Ursache?

Das wird vermutet. Belegt ist, dass große Mengen gefährlicher Abfälle auf unkontrolliertem Wege ins Land strömen. Und tatsächlich lässt sich mit Deponiebränden in Polen Geld machen.

Die Zahlen der staatlichen Feuerwehr sind besorgniserregend. Bereits im Jahr 2010 brannten 59 polnische Deponien; die Zahl stieg bis 2017 auf 150. Ende Mai 2018 wurden bereits 85 Feuer gezählt, die zunehmend größere Ausdehnung annahmen und verstärkten Einsatz erforderten. In einer einzigen Woche gingen Abfall-Lagerstätten in Warschau, Olsztyn, Zgierz, Trzebinia, Jelenia Góra und Wszedzień in Flammen auf.

Das polnische Umweltministerium geht davon aus, dass es sich zumindest bei den illegalen Mülldeponien in Zgierz, Trzebinia und Wszedzień um vorsätzliche Brandstiftungen gehandelt haben dürfte, mit dem Ziel, Abfälle zu beseitigen. Nach Ansicht von Premierminister Mateusz Morawiecki scheinen diese Aktionen koordiniert gewesen zu sein – angesichts der sehr kurzen Zeitspanne, in der sie stattgefunden haben. Das seien keine Zufälle gewesen, sondern eine Reihe von Straftaten, die der Agentur für innere Sicherheit und dem Generalstaatsanwalt gemeldet werden müssen.

Lückenhafte Gesetze

Die direkten Ursachen der Brände werden zurzeit untersucht. Über die Hintergründe gibt es Spekulationen. Möglicherweise versuchen Unternehmen, die bestehenden Recyclinggesetze zu umgehen oder Raum zu schaffen für neue Müll-Lieferungen, mutmaßt Marktanalyst Bloomberg. Immerhin gebe es in Polen nach Darstellung von Umweltminister Henryk Kowalczyk 120 illegale Deponien und illegale Importe im geschätzten Wert von 1,5 Milliarden Zloty (3,45 Milliarden Euro). Allerdings ist es um die dortigen Lagerstätten für Abfälle ohnehin nicht zum Besten bestellt. Denn die entsprechenden Gesetze und deren Umsetzung sind lückenhaft: Sie erlauben Lagerzeiten bis zu drei Jahren, überwachen die Deponien nur mangelhaft und kontrollieren nicht ausreichend, ob die Betreiber genügend liquide sind, um die Abfälle zu behandeln. Deshalb schlug Umweltminister Kowalczyk vor, finanzielle Garantien von Abfallunternehmen hinsichtlich Sammlung, Lagerung und Behandlung zu verlangen. Propagierte die Video-Überwachung von Einrichtungen, die Abfälle lagern. Trat für die Beschränkung der zulässigen Lagerzeiten von drei Jahren auf ein Jahr ein. Sah ein Gutachten des Staatlichen Feuer-Services vor Erteilung einer Betriebserlaubnis als notwendig an. Regte an, die Macht der Aufsichtsbehörde für Umweltschutz zu stärken, indem diese ihre Audit-Termine nicht mehr sieben Tage vorher ankündigen müssten. Und sprach sich für festzulegende Kriterien für Verwaltungssanktionen bei illegaler Sammlung, Lagerung oder Behandlung von Abfällen aus – momentan liegen diese bei 1.000 bis 1.000.000 Zloty (230 bis 230.000 Euro). Tatsächlich lässt sich mit Deponie­bränden in Polen Geld machen. Inhaber verdienen ebenso wie Betreiber von Sortieranlagen 250 bis 300 Zloty (bis zu 70 Euro) pro Tonne. Der Gewinn des Deponiebrands in Zgierz, wo rund 50.000 Tonnen Abfälle in Flammen standen, wird auf rund 1,5 Millionen Zloty (3,45 Millionen Euro) veranschlagt.

Die Herkunft der Abfälle ist bislang ungeklärt. Doch Experten wie Agnieszka Fiuk, Direktorin des Abfallverwerters ATF Polska, sind anderer Meinung: „Es ist ein Fehler, zu glauben, dass derzeit nur ausländischer und illegaler Abfall brennt und das Problem darstellt.“ Es sei zum großen Teil der inländische Müll, der da brennt. Die wachsende Menge der polnischen Abfälle überfordere die Branche. Doch auch das Ausland ist an den Abfallbergen nicht unschuldig. Die polnische OKO Press beruft sich auf Krzysztof Wójcik, den Chefinspektor für Umweltschutz, wonach zwischen 2013 und 2015 die Abfallimporte bei knapp 400.000 Tonnen gelegen haben sollen. Nach 2015 begannen sie zu steigen und erreichten 2016 und 2017 rund 700.000 beziehungsweise 750.000 Tonnen. Dabei stammen 356.000 Tonnen aus Deutschland, 247.400 Tonnen aus dem Vereinigten Königreich, 93.600 Tonnen aus Italien und 73.000 Tonnen aus Schweden.

Associated Press zufolge sieht Polens Innenminister Joachim Brudzinski mit diesen Zahlen belegt, dass „große Mengen gefährlicher Abfälle auf unkontrolliertem Wege ins Land strömen“: medizinische Abfälle, Schmierfette, Öle und Chemikalienrückstände. Als Ursache sieht er Chinas Importstopp für europäische Abfälle, der einen Anstieg illegaler Importe von Materialien hervorgerufen hätte, die nicht im Lande sein sollten. Und laut Roman Maletz (Technische Universität Dresden) sei davon auszugehen, dass nach dem China-Embargo auch in Europa nach neuen Zielen gesucht werde. Ob deutsche Unternehmen mehr Müll in Polen abladen würden, lasse sich bisher aber nicht sagen. Woher auch immer die Abfälle stammen: Premierminister Mateusz Morawiecki war sich sicher, dass hinter den Brandstiftungen eine Abfall-Mafia steckt. Konkrete Gegenmaßnahmen würden schon bald gefunden.

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(EU-Recycling 08/2018, Seite 5)