Abfallsortierung der Zukunft: durch Mensch oder Roboter?

Werden Recycling-Roboter unsere schmutzigen, schwierigen und gefährlichen Arbeiten übernehmen? Die Antwort darauf ist zunächst noch ein klares „Jain“. Zwar entlasten oder ersetzen die IT-gesteuerten Maschinen das manuelle Sortieren am Fließband, aber sie haben noch längst nicht die gewünschte Perfektion erreicht.

Zen Robotics mit Sitz in Helsinki war 2011 das erste Unternehmen, das einen Abfall sortierenden Roboter auf den Markt brachte. Mit einem kombinierten System aus erkennendem Computer, lernfähiger Maschine und künstlicher Intelligenz gelang es den finnischen Entwicklern, die Roboter-Arme zu synchronisieren und Recyclingmaterial von Fleißbändern aufzusammeln. Die Gewinnung von Daten durch Einsatz von Metall-Detektoren, 3D-Lasertechnik und spektroskopischen Kameras ermöglicht das Erkennen, Trennen und Sortieren von Teilen mit einer enormen Präzision. Zudem wurde das System im Laufe der Jahre lernfähig und ließ sich auf verschiedenste Objekteigenschaften wie Oberflächenstruktur, Form und Materialzusammensetzung kalibrieren – es genügt ein Testlauf mit 300 Probeteilen.

3.000 beziehungsweise bis 4.000 Zugriffe

2014 kündigte Zen Robotics die Modelle ZRR Fast Picker und ZRR Heavy Picker mit neuer, verdoppelter Sortier-Kapazität an. Damit werden durchschnittlich 3.000 beziehungsweise bis zu 4.000 Zugriffe pro Stunde auf das Sortiermaterial ermöglicht. Hinzu kam ein neuer Greifer für größere und schwerere Objekte, sodass Fraktionen bis zu 50 Zentimetern Größe und 20 Kilogramm Gewicht kein Problem mehr darstellten. Im Januar 2016 präsentierte das spanische Unternehmen Sadako Technologies ihren Wall-B auf der Global Robot Expo. Er galt laut Sadako angeblich als weltweit erster Roboter, dem es möglich wäre, die Sammlung wiederverwertbarer Abfallstoffe in Behandlungsanlagen zu erhöhen und zu profitablen Kosten zu produzieren. Nach der Feinabstimmung im Frühjahr 2016 sollte die Maschine jährlich 125 Tonnen an PET-Verpackungsmaterial rückgewinnen; andere Quellen sprechen von einer Kapazität je nach Bandlauf-Geschwindigkeit von 100 bis 500 Tonnen pro Jahr. Im Jahr 2016 folgte „Clarke“, ein Produkt der in Louisville beheimateten Entwicklerfirma AMP Robotics. In Zusammenarbeit mit einem Kartonhersteller und einem Recyclingunternehmen entstand eine Maschine, deren Erkennungssystem, Programmierung und spinnenähnliche Arme die Sichtung, Sortierung und Erfassung von rezyklierbarem Karton ermöglichte. Dabei half das implementierte Lernprogramm der Anlage, effizientere Techniken und größere Leistungen beim Zugriff auf Recyclingkarton zu entwickeln. Mitte 2017 schloss AMP Robotics (AMP steht für Autonome Manipulation und Perzeption) Zugriffsraten von zwei Teilen pro Sekunde nicht aus.

1,2 Millionen iPhone 6 pro Jahr

Die beiden Liam-Roboter, die das Technologieunternehmen Apple 2016 in Kalifornien und den Niederlanden in Betrieb nahm, warteten mit noch größerer Kapazität auf. Jede der zwei „Produktionslinien“ war in der Lage, 1,2 Millionen an iPhone 6 pro Jahr zu demontieren – mit einer Geschwindigkeit von elf Sekunden. Nach Aussage der IT-Schmiede können aus jeweils 10.000 von Liam zerlegten Handies 190 Kilogramm Aluminium, 80 Kilogramm Kupfer, 0,13 Kilogramm Gold, 0.04 Kilogramm Metalle der Platingruppe, 0,70 Kilogramm Silber, 5,5 Kilogramm Zinn und 2,4 Kilogramm Seltener Erden gewonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch ZenRobotics seinen ZRR aufgerüstet. Das mittlerweile „trainierbare“ Recyclingsystem konnte nun – mit Rückgriff auf ein eigenes Labor – Dutzende neuer Fraktionen nach Farbe und Form erkennen, darunter PP, PE-HD, PET, PVC, imprägniertes Holz sowie Metallschrott. Anfang 2017 lieferte das Unternehmen den ersten dreiarmigen Roboter aus: Der ZRR3 sollte bis zu 6.000 Zugriffe pro Stunde leisten – 50 Prozent mehr als bisher – und war ausgelegt für Festabfälle zwischen 40 und 500 Millimetern und Gewichten bis zu 30 Kilogramm.

In den Jahren 2017 und 2018 erweiterte sich das Angebot an Robotern zur Sortierung von Recyclingstoffen zusehends. AMP Robotics ging mit Cortex auf den Markt, einem Robotic-System für Stoffverwertungsanlagen zur schnellen Erfassung von Recyclingmaterialien auf Fließbändern. Es soll höheren Durchsatz, größere Rohstofferlöse, bessere Ballenqualität und eine feste Arbeitsrate im Laufe der Zeit ermöglichen – für einzelne und gemischte Stoffströme, Bau- und Abbruch-Abfälle sowie Elektro(nik)abfälle.

Steigende künstliche Intelligenz

Im April 2017 brachten National Recycling Technologies (NRT) aus Nashville und Bulk Handling System (BHS) aus Oregon ihre Max-AI AQC-Produktlinie an den Start. (Sadako AI Technology wurde zwischenzeitlich technischer Partner von BHS und NRT und half nach eigenen Aussagen beim Start der Max-AI Autonomous QC-Technik.) Das Besondere der neuen Max-AI-Technologie mit künstlicher Intelligenz zur Material-Identifizierung war erstmalig die „autonome Qualitätskontrolle“ bei der optischen Sortierung. Sie versetzte das System in die Lage, selbstständig und selbstlernend die Entscheidung zu treffen, welche Bestandteile des vorliegenden Materials separiert werden sollen. So können beispielsweise Thermoform-Schalen, Aluminium und Fasern aus einem Strom von PET-Flaschen aussortiert werden – laut Hersteller mit einer Geschwindigkeit „außerhalb menschlicher Möglichkeiten“.

Seit Jahresbeginn 2018 kommt bei Zanker Recycling, einem US-amerikanischen Recyclingunternehmen für Bau- und Abbruchabfälle, der ZRR2 AI-Roboter von ZenRobotics zum Einsatz: Die Anlage soll 20 Stunden pro Tag mit einer Gesamtjahres-Produktion von 150.000 Tonnen laufen, wobei die Arbeiten „nur einen geringen Beitrag an menschlicher Interaktion mit dem Sortierprozess erlauben“. Nun griff auch Bollegraaf in den Wettlauf ein und präsentierte BRS Robotic 2.0, einen automatisierten Qualitätssortierer mit hochpräziser Sortierintelligenz für die „schnellste, präziseste und stärkste Roboter-Abfallsortierlösung, die auf dem Markt erhältlich ist“. Eine normale Anlage mit vier Roboterarmen sollte bis zu 12.000 Aufnahmen pro Stunde schaffen.

Außerhalb menschlicher Fähigkeiten?

Der jüngste Wettbewerber im Markt der Abfallroboter ist die Partnerschaft des deutschen Technologie-Entwicklers Doppstadt mit dem schwedischen Automatisierungstechnik-Spezialisten OP-teknik. Der Doppstadt-Part besteht darin, das Entsorgungsmaterial in die gewünschte Form zu bringen. OP-teknik unterstützt den Separations- und Trennprozess mit automatisierten Roboterwerkzeugen, die das vorsortierte Material im 1,5-Sekundentakt ergreift und sortiert. Durch Einsatz von sechs Robotern lässt sich eine Zugriffsrate von 14.000 pro Stunde erzielen. Und im März 2019 wollen ZenRobotics und der Schweizer Entwickler Sogetri eine Anlage auf dem Stand der Technik installieren, um jährlich 70.000 Tonnen an Industrieabfällen maschinell zu sortieren.

Worin besteht der Vorteil dieser Systeme gegenüber der manuellen Sortierung? Selbstredend sind die seit 2011 gestiegene Quote von 3.000 auf über 10.000 Zugriffe und die stets erweiterbare Palette an zu erkennenden Fraktionen deutliche Pluspunkte. Denn wie der Gründer und Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Matanya Horowitz, erklärte, war bereits Clarke um 50 Prozent schneller als ein menschlicher Sortierer. Robot 2 wurde damit beworben, dass er „den Bedarf manueller Arbeitskräfte minimiert“. Der ZRR2-AI-Roboter „erlaubte“ laut Werksangaben nur „einen geringen Beitrag an menschlicher Interaktion mit dem Sortierprozess“. Und ein Online-Artikel zum Max AI-System definierte: „All das wird mit (Sortier-)Raten erledigt, die außerhalb menschlicher Fähigkeiten liegen.“

Reine Materialströme geschaffen?

Allerdings dürfte es immer noch einen quantitativen Unterschied machen, ob nach Plus oder Minus separiert wird: Eine Anlage, die gezielt nach einem Wertstoff sucht, wird dies schneller und effektiver erledigen als eine, die mehrere unerwünschte Fremdstoffe oder Verunreinigungen aussortieren muss. Das Clarke-System soll bei Lebensmittelkartons die Identifizierung von 60 Stücken pro Minute mit einer Genauigkeit von 90 Prozent ermöglichen – 50 Prozent schneller als ein menschlicher Sortierer.

ZenRobotics-Geschäftsführer Timo Taalas besteht darauf, dass die Maschinen materielle Differenzen erkennen, was bisherige Detektionssysteme nicht leisten konnten. Jetzt, so Taalas, „könnten reine Materialströme geschaffen werden“. Über die prozentuale Exaktheit bei auszusortierendem Material halten sich die Robotic-Anbieter allerdings eher bedeckt, insbesondere angesichts von Mischfraktionen, die eine Maschine nur schwer zu bewältigen vermag. Denn „wenn man feuchte Organik mit Abfällen auf Papierbasis mischt, ergibt das Kuddelmuddel und das Papier wird abgewertet, wenn es schmutzig ist“, wird Rob van Dalen von Bollegraaf Recycling Solutions zitiert. Und Dirk Balthasar, technischer Direktor bei Tomra, ist davon überzeugt, dass bei fast allen Sortiervorgängen die Roboter nicht in der Lage seien, die hohen Durchsätze zu handhaben, die ein profitabler und hohe Qualität liefernder Betrieb von Sortiereinrichtungen erforderlich macht.

Doch selbst bei einer Quote von 90 Prozent Reinheit bleibt die Frage, ob – je nach Materialsorte und Wert – Nachsichtung oder Kontrolle durch Mitarbeiter wünschenswert sind und sich lohnen. Hinzu kommt ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor: Schon der einarmige Greifer soll laut Angaben von Thomas Baldt (Zen Robotics) rund 500.000 Euro kosten.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Hinsichtlich Art, Form, Größe und Gewicht der Fraktionen sind die Robotic-Systeme – aufgrund ihrer Lernfähigkeit – offen: Neben den erwähnten Kunststoffsorten, imprägniertem Holz, Metallschrott und Karton finden sie mittlerweile auch Verwendung bei der Bearbeitung von Bau- und Abbruchabfällen. Und auch die lokale Verbreitung kennt inzwischen keine Grenzen: Neben den USA und Europa, die hauptsächlichen Produzenten und Anbieter von Abfallsortier-Robotersystemen darstellen, kommen die Aggregate bereits auch in Australien und in China zum Einsatz. In Fernost verwendet sie die Jiangsu LVHE Environmental Technology Co., Ltd., eine staatseigene Holding unter dem Ministerium für Wohnungswesen und Stadt-Land-Entwicklung und der Demonstrationszone für Grüne Gebäude im Industrie-Ballungsgebiet Wujin. Die internationale Konkurrenz für Entwicklung, Vertrieb und Verwendung von Robotersystemen wird voraussichtlich zunehmen. Welche Auswirkungen der Einsatz von Robotic-Aggregaten auf den Arbeitsmarkt haben wird, verdeutlichte der spanische Hersteller Sadako bereits im Marz 2017 in einer Fernsehschau: „Wir sehen uns einer Veränderung mit unvorhersehbaren Folgen gegenüber: der vierten industriellen Revolution. Schätzungsweise werden in nur drei Jahren Roboter dazu in der Lage sein, einen von vier Jobs zu ersetzen. Müssen sie Steuern zahlen? Haben sie Rechte oder Verpflichtungen? Was machen wir mit den Millionen Menschen, die durch die Roboter ersetzt werden? Macht ein universales Grundeinkommen Sinn?“

Foto: Zen Robotics

(EU-Recycling 10/2018, Seite 10)

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