Schweden: Auf der Suche nach mehr Recycling
In Schweden geht die Hälfte aller Haushaltsabfälle in die energetische Verwertung. Die Recyclingquoten stagnieren seit Jahren. Eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe forscht nach den Ursachen und entwickelt neue Strategien für eine Kreislaufwirtschaft.
Von den 4,8 Millionen Tonnen eingesammelter Haushaltsabfälle 2017 in Schweden wurde laut der Branchenorganisation Avfall Sverige ein Drittel werkstofflich recycelt. Eine biologische Behandlung, also Kompostierung oder Vergärung, durchliefen weitere 0,7 Millionen Tonnen. Mit einer Recyclingquote von unter 50 Prozent liegt das größte nordische Land weit hinter Deutschland (66 Prozent) und nur knapp über dem Durchschnitt der Europäischen Union (45 Prozent). Vor allem aber wurden in den letzten zehn Jahren kaum Fortschritte bei der Erhöhung der Quote gemacht, wohingegen die EU zwischen 2007 und 2016 um über zehn Prozentpunkte zulegte. Die Anstrengungen müssen deutlich gesteigert werden, um die von der EU festgelegten Mindestquoten von 55 Prozent für 2025 und sogar 65 Prozent bis 2035 einzuhalten.
Kreislauf statt im Kreis drehen
Die schwedische Regierung hat im April 2018 eine Arbeitsgruppe zum Thema Kreislaufwirtschaft berufen. Zu ihren Hauptaufgaben gehören die Identifikation von Hindernissen und dem Bedarf an Bildung sowie Information in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft. Zudem soll sie eine Strategie zu deren Implementierung entwickeln. Für Unternehmen ist aber vor allem wichtig, dass die Arbeitsgruppe auch Vorschläge zur Anpassung der Gesetzgebung im Bereich der Abfallentsorgung und -verarbeitung an die Bedürfnisse der Industrie machen soll. „Zahlreiche Hindernisse sind identifiziert, die politische Maßnahmen erfordern. Deswegen muss die Arbeitsgruppe konkrete Ziele festlegen“, appellieren Vertreter des Verbandes der Chemie-, Kunststoff- und Werkstoffindustrie IKEM. Der Verband vereint 1.400 Unternehmen, die eigenen Angaben zufolge ein Fünftel der schwedischen Warenexporte generieren. Aus einer im September 2018 durchgeführten Umfrage des Verbands geht hervor, dass 70 Prozent der Mitgliedsfirmen bereits eigene Strategien im Bereich Kreislaufwirtschaft etabliert haben. Nahezu alle Befragten haben zudem angegeben, sie suchen kontinuierlich nach neuen, profitablen Kreislauflösungen. Über 40 Prozent zeigten daneben Interesse daran, mehr recycelte Wertstoffe für die eigene Produktion zu verwenden.
Roboter als Quotenbringer
Einen großen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft plant die Firma Lundstams Recycling. In ihrem Betrieb nahe der nordschwedischen Stadt Östersund soll Anfang 2019 eine auf künstliche Intelligenz und Roboter gestützte Sortieranlage anlaufen. Dadurch soll bei Bau- und Industrieabfällen eine höhere Wiederverwertungsquote erreicht werden. Bisher wird die überwiegende Mehrheit verbrannt. Die Investition im Wert von etwa 2,5 Millionen Euro ist kein Selbstläufer: „Wir brauchen ein gewisses Volumen, damit sich das Vorhaben rechnet“, gibt Firmeninhaber Lars Lundstam zu Bedenken. In der Gemeinde sammelt Lundstams Recycling jährlich etwa 14.000 Tonnen Abfälle ein. Sollte das Vorhaben profitabel sein, könnte es als Blaupause für weitere Projekte dienen. Die einzige ähnliche Anlage, die bisher in Schweden in Betrieb gegangen ist, wird von der Firma Carl F im Raum Malmö eingesetzt – einem wesentlich abfallreicheren Einzugsgebiet.
Aber auch andernorts wird nach Rezepten zur Ankurbelung der Kreislaufwirtschaft gesucht. Das vom Sotenäs Symbioscentrum unterstützte Re:Source Projekt leitete den Austausch von Energieüberschüssen und Nebenprodukten der Herstellungsprozesse von neun Unternehmen aus der landbasierten Fischzucht sowie Fischnahrungs- und Biogasproduktion ein. Nach Analysen des Teams von Projektleiter Leif Andreasson trägt die Zusammenarbeit zur jährlichen Reduktion des Kohlendioxidausstoßes (CO2) um 60.000 Tonnen und zu etwa 16 Millionen Euro Ersparnissen beim Abfallabtransport bei.
Mehr Teilnehmer hat das Industrie-Symbiose-Netzwerk Norrköping. Hier dreht sich alles um ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk (Betreiber ist E.ON), dass die Gemeinde mit Wärme und Strom versorgt. Außerdem liefert es Wasserdampf an das benachbarte Ethanolwerk (Lantmännen Agroetanol), das wiederum seine Nebenprodukte an andere Abnehmer liefert: Ethanol zur Schiffsbetankung an den Hafen, Schlempe an das Biogaswerk (Svensk Biogas), Futterbestandteile an lokale Farmer und CO2 an ein Chemiewerk. Geplant ist zukünftig auch ein Werk zur Umwandlung von CO2 für den Einsatz in der Industrie. In die Prozesse ferner eingebunden sind eine Kläranlage, eine Biogasaufbereitung, die Forstindustrie, eine Papierfabrik, ein Recycler (Econova) sowie zahlreiche Fabriken, die vor allem ihren Abfall zur Verfügung stellen.
Verfasser: Michal Wozniak, Quelle: Germany Trade & Invest
Foto: EU-R Archiv
(EU-Recycling 12/2018, Seite 22)