Organische Reststoffe: Anspruchsvolle Ziel­setzung für gute Qualität

Insgesamt über 15 Millionen Tonnen an Bioabfällen und Klärschlämmen wanderten im Jahr 2016 in deutsche Bioabfall-Behandlungsanlagen, meldet aktuell das statistische Bundesamt. Darüber, wie diese Reststoffe genutzt werden, informierten mehrere Vorträge auf den 16. Münsteraner Abfallwirtschaftstagen.

Deutschland verfügt über ein großes Potenzial an Biomasse-Reststoffen, die unterschiedlich verwertet werden. So wurden beispielsweise 2012 rund acht Millionen Tonnen Trockenmasse (TM) an Holz- und forstwirtschaftlichen Reststoffen stofflich, rund 19 Millionen Tonnen TM energetisch genutzt. Rund acht Millionen Tonnen TM an organischen Siedlungsabfällen erfuhren eine stoffliche, knapp eine halbe Million Tonnen TM eine energetische Behandlung. Und weitere rund acht Millionen Tonnen TM an industriellen Reststoffen wurden stofflich verwertet, etwa vier Millionen Tonnen TM stofflich oder energetisch. Das theoretische sowie das technische Potenzial wird insbesondere im Bereich von Holz- und forstwirtschaftlichen Reststoffen sowie von landwirtschaftlichen Nebenprodukten auf ein Mehrfaches geschätzt. Das gilt auch für Bioabfälle, deren getrennte Sammlung und Behandlung sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend eingebürgert hat. So wurden 2016 über 15,6 Millionen Tonnen TM an Bioabfällen in entsprechenden Anlagen behandelt; geschätzte vier Millionen Tonnen sind noch im Hausmüll vorhanden, der rund 30 bis 40 Prozent Organik enthält.

Drei Herausforderungen

Trotzdem seit Jahresbeginn 2015 die Getrenntsammlung und Verwertung von Bioabfällen Pflicht ist, bestehen nach Ansicht von Michael Nelles, Gert Morscheck und Ying Zhou (Deutsches Biomasseforschungszentrum, DBFZ) drei wesentliche Herausforderungen. Zum einen sollte der Anschlussgrad an die Biotonne erhöht werden. Noch im Dezember 2018 war nach Darstellung der Deutschen Umwelthilfe die getrennte Bioabfallsammlung in mindestens 24 Landkreisen und Städten nicht umgesetzt. Zudem boten 28 Landkreise und Städte ihren über 3,1 Millionen Bürgern nur Bringsysteme zur Bio- und Grünschnittsammlung an, sodass Verbraucher ihre Bioabfälle zu Kompostierungsanlagen, Wertstoffhöfen oder Sammelinseln bringen mussten.

Eine zweite Herausforderung besteht darin, die Qualität der Sammlung durch Reduzierung von Fremdstoffen zu verbessern: Aktuell liegt der Fremdstoffanteil in der Biotonne bei ein bis zwölf Prozent. Außerdem legt die Düngemittelverordnung aus dem Jahr 2012 fest, dass in Komposten und Gärresten maximal fünf Massenprozent an Steinen >10 Millimeter, maximal 0,4 Massenprozent an anderen Fremdstoffen und maximal 0,1 Massenprozent an flächigen Kunststoffen enthalten sein dürfen. Die Bundesregierung plant, unerwünschte Stoffe >1 Millimeter als Fremdstoffe einzustufen.

Die dritte Herausforderung ist bedingt durch eine Veränderung im Düngerecht. 28 Prozent der Brunnen in Deutschland weisen Nitratwerte von über 50 Milligramm pro Liter auf. Die seit Jahresbeginn eingeführte neue Stoffstrombilanz-Verordnung bewirkt allerdings, dass die Landwirte Wirtschaftsdünger (vor allem Gülle, Jauche, Mist, Futter- und Pflanzenreste) unbedingt verwerten müssen, während der Einsatz von stickstoffhaltigem Sekundärrohstoffdünger aus Kompost aus der Biotonne, Grünkompost und Klärschlamm rückläufig ist.

Nur zehn Prozent Kompost-Einsatz

Auch die nachhaltige Verwertung von Bioabfall-Komposten hängt von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab, machte Betram Kehres (Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V.) in einem Beitrag deutlich. Rund 700 Bioabfallbehandlungs-Anlagen, die jährlich rund 3,5 Millionen Tonnen an Komposten erzeugen, unterliegen den RAL-Gütesicherungen für „Komposte“ und „Gärprodukten“. 58 Prozent der Komposte und annähernd alle Gärprodukte finden Einsatz auf landwirtschaftlichen Flächen, 19 Prozent der Komposte werden als Substrat- oder Fertigkompost an Erdenwerke geliefert, Landschaftsbauer und Hobbygärtner nehmen acht beziehungsweise sieben Prozent ab. Diese Produkte stellen aber nur etwa zehn Prozent des in Deutschland abgesetzten mineralischen Düngers dar, teilweise dadurch bedingt, dass sich der Transport von Kompost aufgrund seines vergleichsweise geringen Nährstoffgehalts wirtschaftlich weniger lohnt. Hinzu kommt, dass bei Vieh-Großbetrieben die Mengen an betriebseigenem Wirtschaftsdünger den Verbrauch an Kompost einschränken. Hingegen steigt in Gegenden mit hoher Bevölkerungsdichte die Nachfrage, und auch der ökologische Landbau schätzt gute Komposte aus Grüngut und Biotonnen.

Sortenreinheit ist gefragt

Freilich nur, wenn die Qualität stimmt: Die prinzipiell zugelassenen Materialien listen Anhang 1 der Bioabfall-Verordnung, Anlage 2 der Düngemittel-Verordnung sowie das „Verzeichnis zulässiger Einsatzstoffe“ der Bundesgütegemeinschaft auf. Hochwertige Dünger aus sortenreinen Einsatzstoffen ohne Schadstoffe und ohne Fremdstoffe sind gefragt. Leider hat der Anteil an Verunreinigungen im Bioabfall in den vergangenen Jahren zugenommen und liegt bei ein bis drei Gewichtsprozent Feuchtmasse. Komposte dürfen jedoch auf den Markt gebracht werden, wenn – wie erwähnt – der Anteil an verformbaren Kunststoffen unter 0,1 Prozent TM und an sonstigen Fremdstoffen unter 0,4 Prozent TM liegt. Kehres Fazit: „Um bestehende Märkte zu erhalten und neue zu erschließen, ist es daher zwingend, dass sich die Hersteller von Kompost – die Anlagenbetreiber – selbst anspruchsvollere Ziele setzen als die der Rechtsbestimmungen.“

Wohin mit 1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm?

Neben dem Recycling von Bioabfällen spielt auch die Verwertung von Klärschlämmen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von organischen Reststoffen. Welche technischen Lösungen hierzu mittlerweile zur Verfügung stehen, erläuterte am 13. Februar eine Forschergruppe um Peter Quicker (RWTH Aachen University). Jährlich fallen in Deutschland Klärschlämme mit einem Feststoffgehalt (TS) von rund 1,7 Millionen Tonnen an. Sie werden zunächst als Rohschlämme (etwa drei Prozent TS) in den Kläranlagen aufgefangen, durch Gärung zu Faulschlamm (etwa sechs Prozent TS) verarbeitet, ihr hoher Wassergehalt von über 90 Prozent durch mechanische Entwässerung reduziert (etwa 25 Prozent TS) und das Material thermisch getrocknet (circa 85 Prozent TS). Die resultierenden Schlämme enthalten problematische bis gefährliche Rückstände. Zwar haben die schwermetallischen Schadstoffanteile in den letzten Jahren abgenommen; dafür stieg der Prozentsatz an nicht abbaubaren organischen Verbindungen wie Arzneirückständen, Mikroplastik, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und hormonverändernden endokrinen Disruptoren. Die Gesetzgebung hat durch die novellierte Abfallklärschlamm-Verordnung und die Düngemittel-Verordnung dafür gesorgt, dass die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm zukünftig reduziert wird. Das drückt sich auch in der Statistik aus: Während der letzten rund 25 Jahre ist ihre Deponierung von rund 50 Prozent auf null zurückgegangen, die Anteile in Landschaftsbau und Landwirtschaft haben sich in etwa halbiert, während die Verbrennung von etwas über zehn Prozent auf über 70 Prozent zunahm.

Behandlungskapazitäten für 1,23 Millionen Tonnen

Der deutsche Anlagenpark zur Klärschlammtrocknung besteht aus 90 Solar-, über 30 Scheiben- und mehr als 30 Band-, einigen Dünnschicht- sowie wenigen Trommel- und Wirbelschicht-Trocknern. Die Kapazität der Scheibentrockner liegt bei 180 Tonnen TS, die der Bandtrockner bei rund 130 Tonnen TS und die „sonstiger Trockner“ bei insgesamt rund 110 Tonnen TS jeweils pro Jahr. Die Kapazitäten zur thermischen Behandlung kommunaler Klärschlämme summieren sich auf jährliche 1,23 Millionen Tonnen TS.

In Monoverbrennung ermöglichen 14 Anlagen mit stationärer Wirbelschicht rund 530.000 Tonnen TS, während je eine Anlage mit Rostfeuerung beziehungsweise Etagenofen 55.000 beziehungsweise 36.000 Tonnen TS pro Jahr und eine mit Etagenwirbler rund 52.560 Tonnen TS pro Jahr beitragen. Weitere Monoverbrennungs-Techniken wie Drehrohrbehandlung oder Zykloidfeuerung sind in Deutschland nicht in Betrieb; zur Staubfeuerung wurde ein Technikumsprojekt erfolgreich abgeschlossen. Zur Mitverbrennung stellen Müllverbrennungsanlagen jährlich knapp 50.000 Tonnen TS, zehn Kohlekraftwerke insgesamt rund 500.000 Tonnen TS und Zementwerke rund 120.000 Tonnen TS an Kapazität zur Verfügung. Alternative Verfahren wie Mephrec (je eine Pilot- und eine Versuchsanlage), Vergasung (zwei Sülzle-Kopf-Anlagen mit zusammen 7.400 Tonnen TS, eine Pilotanlage mit 400 Tonnen TS), Pyrolyse (zwei Pyreg-Anlagen mit 2.100 Tonnen TS, eine TCR-Anlage im Technikumsmaßstab) fallen hinsichtlich Kapazität kaum ins Gewicht.

In der Bilanz schneiden alternative Verfahren, die zumeist nur in kleineren Pilotanlagen zum Einsatz kommen und hohe spezifische Behandlungskosten erfordern, am schlechtesten ab. Die Verwendungspalette der Mitverbrennung wird durch die novellierte Abfallklärschlamm-Verordnung verringert. Eine Phosphor-Rückgewinnung ist ohnehin nur aus Aschen von Kohlekraftwerken möglich; für Müllverbrennungsanlagen und Zementwerke ist eine vorherige Separation vonnöten. Demgegenüber ist die Monoverbrennung nicht nur die bewährteste Technologie, sondern betreibt mit ihren stationären Wirbelschicht-Anlagen auch das am meisten verbreitete Verfahren. Sie ermöglicht Koppelbetriebe beispielsweise mit Müllverbrennungsanlagen, eröffnet durch die Drehrohr-Technologie Chancen zur simultanen Phosphor-Rückgewinnung, und lässt durch Lagerung von anfallenden Aschen die Option für spätere, geeignetere Phosphor-Separationen offen.

Interkommunale Kooperation: die KKMV

Am Beispiel der Klärschlamm-Kooperation Mecklenburg-Vorpommern GmbH schilderte abschließend KKMV-Geschäftsführer Ulrich Jacobs die Vorteile einer Solidargemeinschaft zur Klärschlammbehandlung. Hier hat sich ein Verbund von 15 kommunalen Gesellschaften gebildet, die ihre 83.445 Tonnen an Klärschlamm-Originalsubstanz dezentral an drei Standorten vertrocknen und in einer zentralen Monoverbrennungsanlage mit Phosphorrecycling in Rostock thermisch verwerten wollen. Die dezentrale Trocknung soll die Jahrestransportmenge um 18.500 Tonnen und damit 30 Prozent reduzieren, sodass aus dem Solartrockner in Grevesmühlen 7.000 Tonnen, dem Solartrockner in Schwerin 10.000 Tonnen und dem Bandtrockner in Stavenhagen 11.500 Tonnen pro Jahr nach Rostock geliefert werden. Die Verbrennungsanlage mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen TS – als Referenztechniken dienen die Züricher ERZ-Anlage und die Biofos-Anlage Lynetten in Kopenhagen – soll rund zwei Drittel der in Mecklenburg-Vorpommern getrockneten Klärschlämme behandeln.

Dem Eigenbedarf an elektrischer Energie von jährlich 12.000 Megawattstunden stehen 44 Millionen Kilowattstunden an Heizwärme pro Jahr gegenüber, die rund 5.000 Haushalte ganzjährig mit Fernwärme versorgen sollen. Die Auswertung aktueller Klärschlammanalysen aus den 24 Anlagen des Verbundes ergab einen nutzbaren Phosphat-Anteil von rund 22 Prozent sowie Komponentenwerte, die erkennbar unter den geforderten Grenzwerten der Düngemittel-Verordnung rangieren. Der Klärschlamm-Verbund rechnet mit einem jährlichen Output von 1.500 Tonnen an deponierbaren Reststoffen, insbesondere Schwermetallen, sowie 8.000 Tonnen an Asche, aus der durch Phosphor-Recycling phosphathaltiger Dünger gewonnen werden kann. Insgesamt soll das „interkommunale“ Modell aufgrund der anzudienenden Mengen der Partnergesellschaften weitgehend ausgelastet sein, ausschließlich in der Hand dieser Partner liegen, zukünftig mögliche bundesweite Entsorgungsengpässe antizipieren und so Entsorgungssicherheit und geringstmögliche Gebührenbelastung schaffen.

Die Vorträge sind nachzulesen in den Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft, Band 18, hrsg. von Sabine Flamme, Klaus Gellenbeck, Vera Susanne Rotter, Martin Kranert, Michael Nelles und Peter Georg Quicker, Münster 2019, ISBN 978-3-9811142-7-0.

Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de

(EU-Recycling 05/2019, Seite 29)

Anzeige