Unterflursysteme: eine Zwischenbilanz
Die Vorteile von Unterflursystemen sind hinlänglich bekannt. Sie benötigen eine um zwei Drittel geringere Fläche als herkömmliche Container, sind leicht zugänglich und daher barrierefrei, bieten erhöhten Brandschutz, verringern unangenehme Gerüche sowie lästigen Ungezieferbefall und überzeugen durch ein attraktives Design. In Deutschland vollzieht sich ihr Einsatz langsam, aber stetig.
Im Ausland hat sich diese Art der Abfallentsorgung mithilfe von Unterflurcontainern bereits durchgesetzt. Medienberichten zufolge sollen in den Niederlanden, Italien und Frankreich bereits 2012 versenkte Sammelstationen sowohl in Großstädten als auch auf dem Land installiert worden. Und mittlerweile haben beispielsweise in der Schweiz die Städte Chur, St. Gallen, Lausanne, Genf, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds praktisch vollständig auf flächendeckende Entsorgung mit Unterflurcontainern umgestellt. Der Kanton Zug realisierte bis Mitte 2018 rund die Hälfte der geplanten 200 Container, und im Tessin wurden etwa 70 Prozent der Bevölkerung damit bedient.
Technische Probleme
In Deutschland illustriert die Einführung von Unterflursystemen, mit welchen Hindernissen dabei zu kämpfen war und ist. So drang 2011 im Hamburger Stadtteil Rellingen Grundwasser in den Containerschacht, verhinderte die Bergung des vollen Behälters und führte dazu, dass Anwohner hunderte von Flaschen rund um die Anlage deponierten. In Oldenburg gab es Widerrede, weil viele Straßen der Innenstadt neu gepflastert waren und Löcher für ein Unterflursystem wenig opportun erschienen. In Herne musste 2018 der Einbau eines Systems zweimal verschoben werden, weil man bei der Probeschürfung – unverhofft – auf unterirdische Leitungen stieß. In Berlin sind Standorte im Wurzelbereich von Bäumen unzulässig, und beim (Ein-)Bau von Containern dürfen möglichst keine Pkw-Parkplätze verloren gehen. Und in Göttingen sind bis dato solche Anlagen weder finanziell noch technisch oder organisatorisch umsetzbar: Laut Dirk Brandenburg, dem kaufmännischen Leiter der städtischen Entsorgungsbetriebe, verhindere ein dichtes Netz von Versorgungsleitungen viele Standorte, würden die Aufwändungen für Tiefbauarbeiten, Spezialfahrzeuge mit Kranaufbau und spezielle Entsorgungsfahrzeuge sowie Zusatzkosten zu Buche schlagen, sei eine neue Logistik vonnöten, und schließlich sollte die Zuständigkeit von kommunalem Entsorgungsbetrieb und Dualem System geklärt werden. Derartige Aufgabenstellungen müssen freilich teilweise auch in anderen Städten gemeistert werden.
Finanzielle Aufwändungen
Um die Kosten machten sich auch die Münchner Abfallwirtschaftsbetriebe im Jahr 2014 Gedanken. Neben den Ausgaben der baulichen Realisierung mussten sie Zins und Tilgung für den benötigten Kredit kalkulieren, außerdem Abschreibungen und Zinsen, die Kosten für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes der Anlagen wie zum Beispiel das Abpumpen von Regen- und Tauwasser sowie die Kosten für Verschleißschäden. Folglich dachten sie über einen neuen Betrieb gewerblicher Art mit einem jährlichen Kostenvolumen von 600.000 Euro nach.
Rechtliche Auflagen
Neben solchen technischen und fiskalischen Problemen erschweren auch generelle rechtliche Auflagen den Einbau von unterirdischen Sammelstationen. Die Nutzung öffentlicher Flächen ist beispielsweise in Hamburg nicht zulässig, wenn private Flächen vorhanden sind. Mit deren öffentlicher Nutzung muss allerdings der Grundeigentümer einverstanden sein. Ein gemeinschaftlicher Standplatz auf privatem Grund mehrerer Eigentümer ist juristisch unsicher. Und bauliche Veränderungen sind aufgrund des Denkmalschutzes einzelner Gebäude oder durch städtebauliche Erhaltungsverordnungen mit diversen, teilweise kostspieligen Auflagen verbunden. So ist es kein Zufall, dass Berater wie INFA, das Ahlener Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management, ihre Hilfe bei der Entwicklung einer stadt- oder betriebsspezifischen Gesamtstrategie für Unterflurcontainer anbieten. Hilfe, die neben anderem „die Prüfung ortsspezifischer Rahmenbedingungen, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, mögliche Finanzierungsmodelle, Fahrzeugtechnik und Logistik“ und zusätzlich die Einbindung in die örtliche Abfall- und Gebührensatzung enthält.
An vielen Stellen umgesetzt
Diesen Schwierigkeiten zum Trotz stellt auch in Deutschland die Sammlung von Abfällen mit Unterflurcontainern einen Trend dar, der an vielen Stellen umgesetzt wird. In Duisburg-Ungelsheim beispielsweise begann der Einsatz der ersten Halbunterflurbehälter bei der Rheinwohnungsbau GmbH schon im Jahr 2008. In Hagen wurde im Sommer 2013 bereits das 100. System in Betrieb genommen, 2017 waren es 200 – nach Ansicht von Jacqueline Jagusch, der Sprecherin des örtlichen Entsorgungsbetriebs, eine „einzigartige Erfolgsgeschichte“. Der Abfallwirtschaftsbetrieb München plante im Juli 2014, jährlich zehn bis 20 Unterflurcontainer auf öffentlichem Grund zu platzieren. In Kiel verbaute der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb bis Februar 2017 insgesamt 47 unterirdische Müllcontainer an 14 Standorten – Tendenz steigend. Das Abfallwirtschaftskonzept der Wirtschaftsbetriebe Duisburg sah 2017 insgesamt rund 900 Glascontainer an über 400 Standorten vor; an zwölf dieser Standorte waren 52 Unterflurcontainer zur Altglassammlung postiert. In Magdeburg meldete der Entwurf des Abfallwirtschaftskonzepts vom Oktober 2018, dass an zwölf Standorten insgesamt 28 Behälter installiert sind. Im Kreis Kassel wurden im Frühjahr 2019 die ersten derartigen Behälter im Auftrag der dortigen Abfallentsorgung und einer Wohnungsbaugesellschaft zur Sammlung von Restabfall, Papier und Leichtverpackungen eingesetzt. Und der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt Augsburg beabsichtigt, solche Systeme im Jahr 2020 einzuführen.
Ein Erfolgsmodell
Dem „Statusbericht der deutschen Recyclingwirtschaft 2018“ zufolge gewinnt der Einsatz von Unterflurbehältern zur „Abfallsammlung im Untergrund“ insbesondere in Großstädten „sukzessive an Bedeutung“. Besonders rührig scheint in diesem Punkt Hamburg zu sein. Schon 2009 installierte die Stadtreinigung Hamburg die ersten unterirdischen Sammelsysteme im Auftrag von Unternehmen der Wohnungswirtschaft. Ihrem Konzernbericht 2013 zufolge, entwickelte sich dieses Angebot innerhalb von nur vier Jahren zu einem Erfolgsmodell. Im Juli 2013 wurde bereits der 250. Unterflurbehälter in Betrieb genommen, und etwa 100 weitere Systeme waren in Bau oder in Planung. Aktuell sind – nach Aussage von SRH-Redakteur Andree Möller – 760 Einheiten in Betrieb und 120 im Bau; Möller schätzt, dass die 1.000er-Marke vielleicht schon im nächsten Jahr erreicht werden kann. Ob deutschlandweit im nächsten Jahr tatsächlich 8.500 Container installiert sein werden, wie das Bremer Marktforschungsinstitut trend:research schätzt, bleibt abzuwarten.
(EU-Recycling 12/2019, Seite 6, Foto: Andi Karg)