Portugals Abfallwirtschaft setzt auf bessere Sortierung und Verwertung
Der Bedarf an Entsorgungstechnik in Portugal ist nach wie vor hoch. Darüber hinaus bestehen Defizite beim Recycling und Deponieabbau. Abhilfe verspricht die „Investitionsplanung 2021 bis 2030“ der portugiesischen Regierung.
Die Politik geht den Schwachpunkt der zumeist unsortierten Siedlungs- und Haushaltsabfälle an. Vorgesehen ist auch, Abfälle zu geeigneten Rohstoffen für industrielle Prozesse aufzubereiten und Brennstoff aus ihnen zu gewinnen. Da Deponien immer noch die Endstation für viele Siedlungsabfälle sind, bleibt in diesem Bereich einiges zu tun. Die Umsetzung der Zielvorgaben sowie Optimierungen bestehender Anlagen dürften die Nachfrage nach Entsorgungstechnik steigern.
Auch nach der Überwindung der Wirtschaftskrise braucht die Regierung EU-Fördermittel als Investitionsmotor. Zwischen 2012 und 2018 stammten 249,3 Millionen der insgesamt investierten 320,3 Millionen Euro des Programms „Po Seur“ aus europäischen und weiteren Fonds. Die Gemeinden konnten 2017 knapp 25,8 Millionen Euro in das Management von Siedlungsabfällen investieren.
Hoher Importanteil bei Ausrüstungsinvestitionen
Der Bedarf an Entsorgungstechnik in Portugal ist nach wie vor hoch. Darüber hinaus bestehen Defizite beim Abfallrecycling und Deponieabbau. Dies bietet auch deutschen Unternehmen Geschäftschancen, da die Ausrüstungsinvestitionen Portugals einen hohen Importanteil haben.
Bei vielen Projekten der vergangenen Jahre standen getrennte multilaterale Sammelsysteme, Sortiertechnik, verbessertes Recycling, die Vorbereitung und Behandlung von Siedlungsabfällen, Kompostieranlagen, Optimierung und Effizienzsteigerung vorhandener Systeme, neue Einheiten zur mechanischen und biologischen Behandlung (MBA), die Restabfälle in unterschiedliche Fraktionen aufteilt und sie für die weitere Verwertung aufbereitet, aber auch Monitoring-Systeme auf dem Programm. Gemeinden beschafften 2016 und 2017 vor allem Transportmittel und Grundausrüstung zur Abfallsammlung.
Drei Programme für den Abfallsektor
Portugal verfolgt langfristige Pläne zum Ausbau und zur Modernisierung des Abfallsektors. Die Regierung hat ihre Investitionspläne für alle Sektoren im „Programa Nacional de Investimentos 2030“ (PNI 2030) festgeschrieben. Darin finden sich auch die drei in der Projekttabelle enthaltenen Umwelt- und Recyclingprogramme für 2021 bis 2030. Ihr Gesamtvolumen beträgt 350 Millionen Euro. Im „Plano Nacional Energía e Clima 2030“ (PNEC 2030) sind die Reduzierung der Abfallmenge und der Deponierung sowie eine verstärkte Verwertung von Abfällen als Ziele festgeschrieben.
Ein Element des Operationellen Programms Nachhaltigkeit und effiziente Ressourcennutzung (Po Seur) sind Umweltschutz und Entsorgung. Im Rahmen der Investitionsachse III bildet für den Abfallsektor die Verwertung einen Schwerpunkt. Die Sanierung und Dekontaminierung verlassener Industriegebiete sowie der Schutz und die Sanierung von Böden gehören ebenfalls zur Achse III. Von 1,045 Milliarden Euro Gesamtetat entfallen 306 Millionen Euro auf den Abfallsektor.
Die Siedlungsabfallpolitik wird seit 2014 über einen Strategieplan namens Persu 2020 gesteuert. Bis Ende 2020 soll das Abfallaufkommen pro Einwohner gegenüber den 453 Kilogramm aus dem Jahr 2012 um zehn Prozent sinken. Gemessen an den Zahlen von 2017 für Siedlungs- und Haushaltsabfälle erscheint dieses Ziel kaum noch erreichbar. Umgelegt auf 10,3 Millionen Einwohner entsprach die Abfallmenge pro Kopf knapp 487 Kilogramm. Bis Ende 2020 ist zudem vorgesehen, dass 50 Prozent der Siedlungsabfälle für eine Wiederverwertung vorbereitet werden. Außerdem soll der Anteil der deponierten biologisch abbaubaren Abfälle Ende 2020 um 35 Prozent unter dem Wert von 1995 liegen.
Als Ergänzung des ursprünglichen Plans beschloss die portugiesische Regierung im Juli 2019 die neue Initiative „Persu 2020+“. Diese umfasst unter anderem eine besser getrennte Sammlung von Bioabfällen und längerfristig höhere Recyclingziele für verschiedene Abfallarten.
Eine Aufgabe von Dauer
Wenngleich Portugal ehrgeizige Ziele in Richtung einer Kreislaufwirtschaft verfolgt, sind bis dahin noch viele Schritte zu gehen. Rund 80 Prozent der Haushalts- und Siedlungsabfälle fallen unsortiert an, und die Hälfte des Siedlungsmülls endet auf Deponien. Portugal verfügte nach Angaben der Umweltagentur APA 2017 über 32 Deponien mit einer Gesamtkapazität von knapp 16,1 Millionen Tonnen. Hinzu kamen zwei Anlagen zur energetischen Verwertung mit zusammen fast 1,2 Millionen Tonnen Fassungsvermögen. In 21 Anlagen zur organischen Verwertung konnten 0,9 Millionen Tonnen Abfälle verarbeitet werden. Zudem entstanden zwischen 2012 und 2017 fünf mechanische Abfallbehandlungsanlagen im Land.
Laut den neuesten verfügbaren Zahlen wurden 2017 pro Kopf 90 Kilogramm Siedlungsabfälle getrennt gesammelt. Seit 2012 konnte die Menge um 27 Kilogramm gesteigert werden, besonders stark in den Autonomen Regionen Azoren und Madeira. Der Recyclinganteil stieg landesweit ebenfalls deutlich an. Wurde 2012 nur ein Viertel der Siedlungsabfälle für die Wiederverwertung aufbereitet, lag der Anteil 2017 schon bei 38 Prozent.
Die Menge an sortierten Haushaltsabfällen nahm 2017 um 1,7 Prozent auf rund 870 Millionen Tonnen zu. In absoluten Zahlen stieg das Aufkommen an sortiertem Bioabfall besonders stark an. Relativ betrachtet wurden insbesondere mehr Holz und Metall erfasst. Nahezu die Hälfte der 2017 angefallenen Siedlungsabfälle in Portugal landete auf Deponien. Sowohl die Deponierung als auch die energetische und organische Verwertung nahmen zu. Bei einer steigenden Gesamtabfallmenge ging das Volumen der mechanisch-biologisch behandelten Abfälle gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent zurück.
Die portugiesischen Gemeinden fuhren ihre Investitionen in das Abfallmanagement 2017 gegenüber dem Vorjahr um 59 Prozent auf 25,8 Millionen Euro hoch. Schwerpunkte waren Grundausrüstung und Transportmittel zur Abfallsammlung. Die im Rahmen des staatlichen Plans „Po Seur“ genehmigten Anträge sind auf der Internetseite https://poseur.portugal2020.pt/en/applications/approved-applications aufgeführt. Aktualisierungen werden dort kurzfristig veröffentlicht.
Branchenstruktur und Geschäftspraxis
Neuesten Angaben des Statistikamtes INE zufolge repräsentierte der Sektor „Waren und Dienstleistungen im Umweltbereich“ 3,8 Prozent der inländischen Produktion, 3,0 Prozent der Bruttowertschöpfung sowie 3,5 Prozent der Exporte und 2,4 Prozent der Arbeitsplätze. Der Anteil der Abfallwirtschaft an der Gesamtproduktion des Zweigs im Wert von 12,47 Milliarden Euro betrug 2016 circa 16 Prozent. Das Businessnetzwerk „Smart Waste Portugal“ listet unter „Associados“ Mitglieder aus Wirtschaft und Wissenschaft auf. Dort finden sich auch einige lokale und internationale Branchenunternehmen.
Auf dem Portal für öffentliche Beschaffungen www.base.gov.pt werden auch Ausschreibungen zur Abfallwirtschaft veröffentlicht. Im Internetauftritt des Programms „Po Seur“ stehen Informationen zu aktuellen und früheren Bewerbungsaufforderungen unter https://poseur.portugal2020.pt/en/applications/calls-for-applications bereit. In den internationalen Indizes zum Geschäftsumfeld befindet sich Portugal jeweils im oberen Viertel. Im Corruption Perceptions Index 2018 belegt das Land den 30. Platz und im Ease of Doing Business Report 2019 sowie dem Global Competitiveness Index 4.0 von 2018 jeweils Rang 34. Der Ease of Doing Business Report sieht Portugal auf dem ersten Platz beim grenzüberschreitenden Handel und auf Position 35 hinsichtlich der Durchsetzung von Verträgen.
Verfasser: Oliver Idem, Quelle: Germany Trade & Invest
(EU-Recycling 12/2019, Seite 26, Foto: Viktor Levit / Pixabay)