Wood-Plastic-Composites: Ein Sekundärrohstoff mit Startschwierigkeiten

Holz-Polymer-Werkstoffe oder Wood-Plastic-Composites (WPC) sind Verbundwerkstoffe aus einer lignocellulosehaltigen Komponente sowie thermoplastisch verarbeitbarem Polymer. Als Material von hohem Nutzen, hat WCP als Sekundärrohstoff noch einen schweren Stand.

Im Allgemeinen bestehen WPC zu 30 bis 85 Prozent aus Holzfasern oder Holzmehlen, zu 15 bis 70 Prozent aus Kunststoff und mit einem Anteil von 0,2 bis vier Prozent aus Additiven, deren Anteile in Abhängigkeit vom Einsatzbereich variieren. Am häufigsten findet extrudiertes WPC Anwendung bei Bodendielen im Außenbereich, also für Veranden, Terrassen oder Schwimmbäder; ihr Anteil belief sich 2012 nach Darstellung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe auf 79 Prozent. Hinzu kommen Produkte für Hafendocks, Bootsstege und Promenaden.

Weitere Anwendungen im Bau- und Gartenbereich summieren sich auf rund sieben Prozent. Im Alltag sind Regalsysteme aus WPC geläufig, die aber zusammen mit technischen Profilen und anderen Konsumgütern lediglich ein Prozent ausmachen. Der Holzanteil bei diesen sogenannten Decking-Anwendungen liegt zwischen 50 und 80 Prozent. Der Automobilbereich spielt mit 13 Prozent eine wichtige Rolle. Hier findet WPC vor allem in der Extrudierung und Thermoformung von Innenraumteilen Verwendung, aber auch für die Formpressung von Duroplast. Für Spritzgießteile kamen 2012 etwa 15.000 Tonnen Holzgranulate mit einem Faseranteil von rund 40 Prozent zum Einsatz. Laut einer Marktstudie des Nova Instituts lag 2012 der Anteil der Decking-Produktion bei 67 Prozent, gefolgt von Innenausstattungen für Automobile in Höhe von 23 Prozent, Verkleidungen und Zäunen mit sechs Prozent und technischen Anwendungen, Möbelverkleidungen und Konsumgütern mit zusammen vier Prozent.

Deutliche Steigerungsraten
Insgesamt wurden 2012 europaweit etwa 260.000 Tonnen an Holz- und Polymer-haltigen Werkstoffen verarbeitet, von denen 210.000 Tonnen extrudiert wurden. Rund die Hälfte dieser Produktion fand in Deutschland statt, im Übrigen vor allem in Frankreich und den Benelux-Ländern. Zukünftig soll mit deutlichen Steigerungsraten für extrudiertes WPC im Bereich der Bau- und Möbelindustrie, aber auch im Automobilbereich gerechnet werden können. Dabei wird von einem Wachstum bis 2020 auf über 300.000 Tonnen ausgegangen. Höchste Zunahmen erwartet die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe beim Spritzgußverfahren von Konsumgütern, Möbeln und technischen Teilen: Deren Produktion soll von 15.000 Tonnen im Jahr 2012 auf über 100.000 Tonnen im Jahr 2020 zulegen.

Verschiedene Verwertungsverfahren
Experten zufolge gehen in Deutschland derzeit jährlich rund 60.000 Tonnen an Holz-Polymer-Verbundstoffen in den Markt. Mit einem relevanten Rücklauf im Entsorgungsmarkt wird in circa fünf bis zehn Jahren gerechnet. Zwar werden Holz-Polymer-Werkstoffe meist als recyclingfähige Produkte vermarktet. Eine konkrete abfallrechtliche Zuordnung von WPC existiert bisher jedoch nicht. Die Wertstoffhöfe werden mit steigenden Mengen an WPC konfrontiert, die nicht zugeordnet werden können.

Dennoch eröffnen sich für die Behandlung dieser Materialien verschiedene Verwertungsverfahren. Unbeschädigte Produktionsreste an extrudiertem WPC können im „Internal Recycling“ wiederverwertet werden. Gebrauchte WCP-Profile können entweder über den Sperrmüll entsorgt und energetisch verwertet werden oder dem „End-of-Life Recycling“ zugeführt werden. Hierbei stehen drei Alternativen zur Verfügung: das Downcycling des Kunststoffs zu Parkbänken, Blumentöpfen und ähnlichem; die Herstellung von Spanplatten durch Zumischung von Rezyklat; und die Co-Extrusion von WPC, wobei der Kern aus Rezyklat mit besonderer Polymer-Neuware ummantelt wird. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, das Material als Rezyklat wiederum in den Produktionsprozess einzuspeisen.

Prinzipiell ökologisch sinnvoller
2014 untersuchten Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Holzforschung und des Zentrums Holzwirtschaft der Universität Hamburg, inwieweit sich Verwertung und Entsorgung von Wood-Plastic Composites lohnen. Die Autoren des Berichts hielten die Verwertung von Materialien wie Terrassendielen zu neuen Produkten prinzipiell für ökologisch sinnvoller als eine Verbrennung, da sie Emissionen von Treibhausgasen oder Halogen-Verbindungen vermeidet.

Doch sei die Verbrennung noch vorherrschende Praxis, und solange kein Bedarf an sekundärem WPC bestehe, werde die getrennte Sortierung und Aufbereitung dieses Rohstoffs nicht stattfinden. Was die „Produktgestaltung von WPC unter ökologischen Gesichtspunkten“ – so der Titel der Untersuchung – anbelangt, müsse auf die Relation von Alt-WPC zu frischem Holz und Kunststoff geachtet werden: Sie sei ausschlaggebend dafür, ob Recycling als umweltfreundlich eingestuft werden kann oder nicht.

Keine systematische Rücknahme
Das unterstrich einer der Autoren der Untersuchung, Philipp F. Sommerhuber, 2016 auch in seiner Dissertation. Seiner Ansicht nach existiert zwar teilweise ein Markt für gebrauchte Kunststoffe und Holz, aber keiner für benutztes WPC. Einige Hersteller behaupten, die Rücknahme für Deckings anzubieten; die meisten empfehlen allerdings bei kleineren zu beseitigenden WPC-Mengen eine Entsorgung über den Hausmüll und bei größeren Mengen entweder die Behandlung als stofflich wiederverwertbares Altholz oder die thermische Nutzung.
Insgesamt fehlt eine umfassende, systematische WPC-Rücknahme, sodass in Deutschland die vorherrschende Entsorgungsroute in der Verbrennung besteht und in anderen EU-Staaten vermutlich die Deponierung, wo durchschnittlich nahezu 50 Prozent des post-consumer Kunststoffs thermisch entsorgt werden. Nach Sommerhubers Ansicht zeigen Lebenszyklus-Analysen, dass das Recycling von WPC die vorzuziehende Alternative gegenüber Verbrennung mit Energierückgewinnung ist, um an Sekundärrohstoffe zu gelangen.

Dass Recyclingstrategien zumindest helfen können, die Verwertungsrate von Kunststoffen zu erhöhen, machte im Dezember 2015 Peter Kotiadis auf der Wood-Plastic Composites (WPC) und Naturfaserverbunde (NFC) deutlich. Wie der Forschungsleiter des WPC-Herstellers Fiberon berichtete, setzt sein Unternehmen jährlich 50.000 Tonnen Kunststoff-Rezyklate und Holzneben-Produkte für die Herstellung von Baumaterialien ein: Die resultierenden WPC-Dielen enthalten 93 Prozent Rezyklate, während Neuware lediglich für die Ummantelung der Deckings zum Einsatz kommt.

Materialkosten deutlich gesenkt
Folglich lässt sich mit der Verwendung von Rezyklaten Material und Geld sparen. Zu diesem Schluss kamen 2016 fünf Unternehmen in Österreich, deren Projekt die Rezyklatströme für Holz-Reststoffe, Kunststoffe und WPC-Dielen auf Qualität, Menge, Kosten und Verfügbarkeit untersuchte. Einige Ergebnisse der eineinhalbjährigen Arbeit von Transfercenter für Kunststofftechnik GmbH, Rehau Polymer Industrie GmbH, Thermoplastkreislauf GmbH, Theurl Leimholzbau GmbH und Erema Engineering und Recycling Maschinen und Anlagen GmbH: Beim Post-Consumer-Recycling von verlegten Dielen waren nach vier Jahren Bewitterung die mechanischen Eigenschaften selbst bei 100-prozentigem Rezyklatanteil noch mit jenen der Grundrezeptur vergleichbar. Und die Materialkosten für WPC-Dielen konnten bei Einsatz von hälftig Rücklaufmaterial und Neuware um 37 Prozent gesenkt werden. Allerdings wurde der Rücklauf von Deckings als (zu) gering eingeschätzt.

Stoffliches WPC-Recycling erforscht
Genauere Kenntnisse über die Recycling-Eigenschaften von Holz-Polymer-Werkstoffen brachten die Forschungen des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) über „Stoffliches WPC-Recycling von Wood-Polymer Composites am Beispiel von Terrassendielen“. Die Untersuchungen führten zu folgendem Schluss: „Die im Projekt verwendeten, vorgealterten WPC-Terrassendeckings aus industrieller Herstellung auf Basis von PE, PP und PVC ließen sich problemlos aufarbeiten und sortenrein erneut zu Profilen extrudieren, wobei Mischungen von Frisch- und Gebraucht-WPC verwendet wurden.“

Dabei konnten die Materialien zum großen Teil die DIN EN 15534-4-Anforderungen an Biegeeigenschaften, Wasseraufnahme und Quellung, Beständigkeit gegen Schlagbeanspruchung sowie Farbstabilität erfüllen. Genauer unter die Lupe genommen wurde zudem, ob sich auch Mischungen von Gebraucht-WPC auf Basis von Polyolefinen und PVC verarbeiten lassen. Die Tests legten die Mischbarkeit der WPC-Rezyklate und damit die Verträglichkeit der reinen Kunststoffe offen, wobei sich die Polymere in den WPC etwas besser vertrugen als die reinen Kunststoffe. Bei Verwendung geeigneter Additive zur Stabilisierung – so das Untersuchungsergebnis – sei davon auszugehen, dass sich WPC-Rezyklate auch in Mischungen einsetzen lassen.

Mit DSD-Material
Als technisch realisierbar wurde auch der Einsatz von WPC-Regranulaten in Downcycling-Produkten eingestuft, die üblicherweise aus Materialien aus dem Dualen System Deutschland gefertigt werden. Der Einkaufspreis für Material aus dem Dualen System Deutschland betrug 2016 circa 0,26 Euro pro Kilogramm (Stand: 2016), womit ein wettbewerbsfähiger Preis für das WPC-Rezyklat hätte kalkuliert werden können.

Der Verband der deutschen Holzwerkstoffindustrie interpretierte die Ergebnisse der Studie dahingehend, „dass sich WPC-Regranulate problemlos in Downcycling-Produkte wie Bauzaunfüße verarbeiten lassen. Holz-Polymer-Werkstoffe lassen sich so mehrfach stofflich nutzen, bevor sie schließlich zur Energiegewinnung verbrannt werden.“

Ein eigenständiger Werkstoff
Abfallrechtlich ist die Einstufung von WPC allerdings keineswegs „problemlos“. Wie die Studie von 2014 feststellte, würden ausgediente Composite vorerst nicht anhand ihrer Materialzusammensetzung getrennt gesammelt, sondern mithilfe von anderen Produktkategorien, in denen WPC im Allgemeinen und Terrassendielen im Besonderen nicht vorkommen. Zudem – so argumentiert das Umweltbundesamt – fallen nach aktueller Altholzverordnung WPC mit Holzanteilen über 50 Prozent unter den Begriff Altholz, solche mit Holzanteilen unter 50 Prozent nicht.

Da aber die Verfahren zur energetischen Verwertung von Altholz nicht auf hohe Kunststoffanteile ausgelegt sind und Altholz-WPC-Gemische sich nicht für eine Verwertung in der Holzwerkstoffindustrie eignen, empfiehlt das Umweltbundesamt, WPC bei der Novellierung der Altholzverordnung explizit vom Altholzbegriff beziehungsweise vom Anwendungsbereich der Verordnung auszuschließen. Stattdessen sollten Holz-Polymer-Komposite als eigenständiger Werkstoff mit spezifischen Eigenschaften betrachtet werden, welcher bei Aufbau eines getrennten Recyclingkreislaufs wieder zu WPC recycelt werden kann. Technisch würde die materialspezifische Sortierung der Verbundstoffe keine Schwierigkeit darstellen: Die Untersuchung des stofflichen Recycling von Terrassendielen ergab zweifelsfrei, dass mithilfe von Nah-Infrarot-Spektrometrie WPC-Material prinzipiell zwischen anderen Kunststofftypen erkannt, klassifiziert und automatisch sortiert werden kann.

WPC-Geschäft: verlustbringend
Dessen ungeachtet soll der Entsorgungsmarkt für WPC Schätzungen zufolge erst in etlichen Jahren ein wirtschaftlich relevantes Ausmaß erreichen. Bis dahin dürfte gelten, was Philipp F. Sommerhuber 2016 schrieb: „In der Praxis gelten Holz-Plastik-Verbunde jedoch – aufgrund einer nicht-existenten Nachfrage nach sekundären WPC-Rohstoffen – als Beimengungen im Altholz- oder Sperrmüll-Recycling und landen deshalb als Restabfall in Verbrennungsanlagen.“

So nimmt es nicht Wunder, dass noch im Februar 2018 Rafael Daum, CEO des Kunststoffspezialisten Rehau Österreich, im Interview erklärte, man habe mit Relazzo Terrassenprofilen „ein Produkt entwickelt, eine Mischung aus Holz und Kunststoffen, das nicht verwittert“. Dass aber im Januar 2019 eine Regionalzeitung meldete, Rehau ziehe sich „aus dem verlustbringenden WPC-Geschäft zurück“, stelle Produktion sowie Vertrieb von Profilen und Terrassendielen aus Holz-Polymer-Verbundwerkstoff ein und müsse 64 Mitarbeiter entlassen.

(EU-Recycling 08/2020, Seite 12, Foto: wikimedia)

 

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