Boer Group: Textilrecycling – zwingend und offensichtlich!

Interview mit Rainer Binger, Geschäftsführung Boer Group

Herr Binger, die Europäische Kommission hat angekündigt, für den Umgang mit Textilien eine EU-Strategie zu entwickeln. Welche Ansätze erwarten Sie hiervon?
Zunächst einmal sind wir froh, dass auf EU-Ebene erkannt wurde, welche negativen Umweltauswirkungen die Produktion und der Gebrauch von Textilien haben, und dass es eine Vielzahl an Maßnahmen geben muss, um hier was zu ändern. Mit der Verabschiedung der Novelle der EU-Abfallrahmenrichtlinie in 2018 wurde zwar die Getrennterfassung von Textilien ab dem Jahr 2025 eingeführt. Diese Maßnahme reicht aber bei Weitem nicht aus, eine zirkuläre Textilwirtschaft zu fördern beziehungsweise umzusetzen.

Aber ist die getrennte Erfassung von Alttextilien nicht ein wichtiger Schritt, um die Ressourcenverwendung überhaupt erst zu ermöglichen?
Natürlich ist es das. Aber was bringt ein getrennt erfasster Abfallstrom, wenn es keine ausreichenden Sortier- und Verwertungskapazitäten gibt. Durch die neue Pflicht geht man von etwa zwei Millionen Tonnen an zusätzlichen Alttextilien pro Jahr aus, die im Sinne der Abfallhierarchie wiederverwendet und verwertet werden müssen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Reicht diese Vorgabe alleine nicht aus, um solche Investitionen anzukurbeln?
Investitionen in Sortier- und Recyclingverfahren werden aus unserer Erfahrung nur getätigt, wenn eine dauerhafter Bedarf an den Output-Strömen vorhanden ist. Insofern muss parallel die Nachfrageseite angekurbelt werden. Recyclingfasern sind einfach teurer als Primärrohstoffe. Des Weiteren müssen Prozesse in der Herstellung angepasst werden, um diese Fasern einzusetzen. Damit der Einsatz von Recyclingfasern kein Nischengeschäft bleibt, könnten verpflichtete Vorgaben zum Recyclingfasereinsatz helfen, diese Märkte zu schaffen.

Welche weiteren Maßnahmen braucht es aus Ihrer Sicht noch, um diese großen Mengenzuwächse bestmöglich wieder zu nutzen?
Produzenten und Modemarken müssen in jedem Fall mit ins Boot. Die größten Umweltauswirkungen entstehen nun mal durch die Mate­rial­auswahl und während der Produktion. Deshalb müssen ganzheitliche Lösungen her, die aus unserer Sicht nur durch gesetzliche Rahmenvorgaben erfolgreich umgesetzt werden können. Gleiche Wettbewerbsbedingungen sind wichtig, um einen Branchenwandel zu bewirken. Neben der Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung sehen wir auch die Notwendigkeit, Öko-Design-Kriterien für Textilien zu entwickeln.

Foto: FWS GmbH

Das richtige Produktdesign schafft erst die Voraussetzungen dafür, dass ein Produkt lange genutzt werden und/oder am Ende des Lebenszyklus recycelt werden kann. Bei all der Diskussion um innovative Recyclingtechnologien sollte man nämlich nicht außer Acht lassen, dass eine möglichst lange Nutzungsdauer ökologisch die bessere Wahl ist, auch wenn die Bekleidung von mehreren genutzt wird. Der Kauf von Second-Hand-Kleidung ersetzt die Produktion von neuer Ware und trägt somit zur Ressourcenschonung bei. Insofern muss die Vorbereitung zur Wiederverwendung auch zukünftig ein elementarer Bestandteil dieser EU-Strategie sein. Wir konsumieren heute zu viele Kleidungsstücke; ein Großteil wird kaum getragen. Dieses Potential muss auch weiterhin genutzt werden.

Unsere Unternehmensgruppe sortiert jedes Jahr mehr als 100.000 Tonnen an Alttextilien und bereitet diesen Abfallstrom zur Wiederverwendung vor.

Circa 60 Prozent davon kann heute als Second-Hand-Produkt weiterveräußert werden. Die meisten Waren gehen nach Osteuropa oder ins außereuropäische Ausland, da dort die Nachfrage groß ist. Wir würden uns wünschen, dass sich das Bewusstsein in Deutschland ändert und Second-Hand-Waren einen größeren Absatz finden würden oder weniger, aber dafür hochwertigere Bekleidung gekauft würde. Auch bei dieser Verhaltensänderung sind Modemarken gefragt, ihr heutiges Handeln zu überdenken und nachhaltige Geschäftsmodelle anzubieten.

www.boergroup.eu

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2021, Advertorial, Seite: 16, Foto: FWS GmbH)