SUPD-Leitlinien nicht auf Papier, Pappe und Karton anwendbar

Die Papiertechnische Stiftung (PTS) sieht bei den Begriffsbestimmungen dringenden Nachbesserungsbedarf.

Zwei Jahre, nachdem die Europäische Union die „Single-use Plastics Directive“ (SUPD) auf den Weg gebracht hat, mussten die europäischen Mitgliedstaaten die Einwegkunststoffrichtlinie bis zum 3. Juli 2021 in nationales Recht umgesetzt haben. Mit den Ende Mai 2021 veröffentlichten Leitlinien sollte Klarheit über die Interpretation der in der Richtlinie (EU) 2019/904 verwandten Begriffe geschaffen werden. Konkret wurde erläutert, was unter einem „Hauptstrukturbestandteil“ („main structural component“) zu verstehen ist, was sich als natürliches Polymer bewerten lässt und wann ein Polymer als chemisch modifiziert gilt.

Was ist unter einer Kunststoff­beschichtung zu verstehen?
Die Begriffsbestimmungen in den Leitlinien haben nach Ansicht der PTS zu einer massiven Unsicherheit in der Papiererzeugung und -verarbeitung geführt. Dies betreffe insbesondere die Erläuterungen, was einen Hauptstrukturbestandteil darstellt und was unter einer Kunststoffbeschichtung („plastic coating“ or „lining“) zu verstehen ist.

Grundsätzlich werde in Verordnung und Leitlinien unterstrichen, dass Papier und Karton als nachhaltige Alternativen zu Einwegkunststoffartikeln fungieren können. Die Verfasser der Leitlinien tragen dem dadurch Rechnung, dass sie bei der Interpretation Papiere, bei deren Herstellung Retentions- oder Bindemittel sowie Verarbeitungshilfsstoffe auf synthetischer Polymerbasis eingesetzt werden, vom Geltungsbereich der Richtlinie ausnehmen.

In den Leitlinien heißt es jedoch gleichzeitig: „Wenn jedoch eine Kunststoffbeschichtung oder -auskleidung auf die Oberfläche eines Werkstoffs aus Papier oder Karton oder aus einem anderen Material aufgebracht wird, um einen Schutz gegen Wasser oder Fett zu bieten, wird das Endprodukt als Verbundartikel betrachtet, […] und [fällt] […] in den Geltungsbereich der Richtlinie.“ Hier bleibe unklar, ob damit vor allem Laminate aus Papier und Kunststoffen gemeint sind. Daher weist die PTS daraufhin, dass das üblicherweise in der Papierherstellung genutzte Auftragen von wässrigen Dispersionen auf die Papieroberfläche mit keinem plastic coating oder einer Kunststoffbeschichtung – wie in den Leitlinien benannt – verglichen werden könne.

Dies entspreche auch der DIN 8580 2003-09 Fertigungsverfahren – Begriffe und Definitionen, Einteilung. Die DIN 8050 beschreibe „Beschichten“ als ein Verfahren, bei dem eine haftende Schicht aus formlosem Ausgangsmaterial auf einen Untergrund aufgebracht wird. Damit sollen gezielt die Oberflächeneigenschaften des Substrats, nicht aber das Substrat selbst verändert werden. Der technologische Prozess des Papierbeschichtens – auch Streichen genannt, der sich vom Laminieren unterscheidet, fällt in der DIN 8580 unter die Unterkategorie 5.1 „Beschichten aus dem flüssigen Zustand“ und die Unterkategorie 5.2 „Beschichten aus dem körnigen oder pulverförmigen Zustand“.

Im Falle einer Beschichtung von Papier mittels wasserbasierten Polymer-Dis­persionen wird – erläutert die PTS – keine separate Kunststoffschicht erzeugt, sondern stattdessen schützen die synthetischen und natürlichen Materialien das darunterliegende Papier oder den Karton selektiv gegenüber äußeren Einflüssen wie Fett oder Feuchtigkeit, ohne dass notwendigerweise eine strukturgebende oder abtrennbare Kunststoffschicht entsteht.

Diese in der Richtlinie und den Leitlinien widersprüchlichen und teils nicht eindeutigen Begriffsbestimmungen führten zu einer immensen Verunsicherung in der zukünftigen Produktgestaltung. Sie hemmten die Entwicklung von innovativen papierbasierten Materialien, die mit dem Anspruch an bestmögliche Kreislauffähigkeit und biologisches Abbauverhalten entwickelt würden. Die PTS fordert die gesetzgebenden Stellen daher dazu auf, im Interesse der rechtsunterworfenen Unternehmen Klarheit in den Auslegungen der Richtlinie und Gesetze zu schaffen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 7, Foto: O. Kürth)