Revision der Altfahrzeugrichtlinie: Was sich ändern sollte

Auf dem Internationalen Automobilrecycling-Kongress (IARC 2021) im Juni in Genf (Hybridveranstaltung) informierte Artemis Hatzi-Hull von der Europäischen Kommission – Generaldirektion Umwelt über den Stand der Revision und Novellierung der ELV Directive. Voraussichtlich im vierten Quartal 2022 wird der Legislativvorschlag vorliegen.

Dem Vortrag schloss sich eine intensive Debatte unter der Moderation von Willy Tomboy (Detomserve, Belgien) an. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren Amélie Sophie Salau (ACEA – European Automobile Manufacturers’ Assocation, Brüssel), Artemis Hatzi-Hull (EU-Kommission, Brüssel), Olivier François (Galloo Group, Frankreich/Belgien) und Alejandro Navazas (EuRIC – European Recycling Industries’ Confederation, Brüssel).

Nach dem Bericht von Hatzi-Hull sind in der EU rund 14.000 Behandlungsanlagen zugelassen, darunter etwa 350 Schredderanlagen für End-of-Life-Vehikel. Dennoch wird die seit 2015 geltende Recyclingquote (85 Prozent nach Gewicht, 95 Prozent der Fahrzeugkomponenten müssen aufbereitet und wiederverwendet werden) bei weitem nicht erfüllt. Etwa vier Millionen Altfahrzeuge verschwinden jedes Jahr aus Europa, werden nicht ordentlich abgemeldet und illegal nach Afrika oder Asien verbracht – mit unbekanntem Verbleib. Die Referentin erinnerte auch daran, dass sich die Fahrzeugproduktion in den letzten 20 Jahren stark verändert hat: Der Trend zu mehr Kunststoffen und Elektronik im Fahrzeugbau wird sich mit dem Übergang zu Elektrofahrzeugen noch beschleunigen und damit neue Herausforderungen an das Recycling stellen.

Bessere Rückverfolgbarkeit, klarere Definitionen
Die Vorschläge zur neuen EU-Alt­fahr­zeugrichtlinie zielen darauf ab, Designfragen mit der Entsorgung von Altfahrzeugen zu verknüpfen, Umsetzungshindernisse beim Recycling zu beseitigen, ein besseres System zur Rückverfolgbarkeit von Fahrzeugen zu schaffen (Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über die Zulassung von Fahrzeugen in der EU durch harmonisierte Berichterstattung) und dabei auch Motorräder und schwere Lkw einzubeziehen, den Export von als Gebrauchtwagen deklarierten Altfahrzeugen zu unterbinden und den Vollzug durch obligatorische Inspektionen und Kontrollen zu stärken.

Auch geht es darum, den Begriff Recycling klarer zu definieren und die Quotenberechnung auf eine belastbare Grundlage zu stellen. Reparatur und Wiederverwendung (Lebensdauer-Verlängerung) sollten vor dem Recycling kommen. Diskutiert wird außerdem ein ERP-System (ERP: Extended Producer Responsibility/Erweiterte Herstellerverantwortung) zur Finanzierung von Recycling und Materialwiederverwendung. Eine Art Produktpass könnte den Demontagebetrieben Informationen über die im Fahrzeug verbauten Teile und Materialien liefern. Schließlich sollte eine Mindesteinsatzquote von Kunststoffrezyklaten festgelegt werden.

Wo der Hebel ansetzen sollte
In der Diskussionsrunde machte Olivier François deutlich, dass die Kosten für das ELV-Recycling bereits heute zu 88 Prozent von der Recyclingindustrie getragen werden. Die Unternehmen sollten an einem EPR-System beteiligt sein, um sicherzustellen, dass die Kosten für die Altfahrzeugbehandlung korrekt entlang der Wertschöpfungskette verteilt werden. Alejandro Navazas verwies auf den wachsenden Anteil von Kunststoffen im Fahrzeugbau, der bereits zwölf bis 15 Prozent ausmacht – Tendenz weiter steigend. Der europäische Dachverband EuRIC spricht sich dafür aus, dass nur recyclingfähige Kunststoffe im Fahrzeugbau verwendet werden. Die neue EU-Altfahrzeugrichtlinie sollte das „Design for Recycling“ fördern und verbindliche Rezyklat-Mindesteinsatzquoten vorschreiben.

Amélie Sophie Salau vertrat die Ansicht, dass Demontage möglicherweise nicht immer die beste Option für ein solides Umweltmanagement ist. Das würden Ökobilanz-Studien zeigen: Die Demontage könne im Vergleich zu Post-Shredder-Technologien Nachteile haben. Fahrzeuge sollten als ein einziges Produkt betrachtet werden. Kunden würden Fahrzeuge als funktionales Produkt mit all seinen Eigenschaften kaufen. Die Recyclingindus­trie betrachte Fahrzeuge ganzheitlich. Eine Änderung dieses Ansatzes, jeden einzelnen Stoffstrom einzeln zu bewerten, könne zu falschen Schlussfolgerungen führen, da die wertstofflichen Fraktionen in jedem Fall die negativen Fraktionen übersteigen und somit den gesamten Prozess subventionieren würden.

Dass jedes Jahr bis zu vier Millionen Fahrzeuge aus Europa verschwinden, hält der Verband ACEA für ein „virtuelles“ Problem. Es sei einer lückenhaften statistischen Erfassung geschuldet. Hier müsste der Hebel für höhere Recyclingquoten ansetzen: Das An- und Abmelden von Fahrzeugen sollte EU-weit einheitlich geregelt und harmonisiert werden. Fahrzeug-Letztbesitzer sollten steuerlich begünstigt werden, wenn sie das Auto endgültig abmelden.

Alle von der Europäischen Kommission im Rahmen der Überarbeitung der Altfahrzeugrichtlinie vorgeschlagenen Ergänzungen oder Änderungen sollten darauf abzielen, das bestehende System zu unterstützen und zu stärken und das reibungslose Funktionieren des derzeitigen Systems nicht zu beeinträchtigen. Die Revision der ELV-Directive sollte auch als Gelegenheit genutzt werden, um sicherzustellen, dass sich überschneidende Regelungen in den Geltungsbereich des ELV-Rahmens gebracht werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2021, Seite: 8, Foto: Monika Böhm-Weniger, Lk Schweinfurt / abfallbild.de)

 

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