Forschung zu Gipsersatzbaustoffen

Gut die Hälfte des Gipsbedarfs in Deutschland (rund sechs Millionen Tonnen) wird aktuell als Nebenprodukt (REA-Gips) aus der Kohleverstromung in Kohlekraftwerken gewonnen. Etwa fünf Millionen Tonnen werden in Steinbrüchen abgebaut. Mit dem bis 2038 vorgesehenen Kohleausstieg und dem Wegfall von REA-Gips stehen die Entwicklung marktfähiger Gipsersatzstoffe sowie das Gipsrecycling weit oben auf der Agenda eines Forschungsvorhabens in Thüringen.

Das Projekt „ZerMoGips“ an der Hochschule Nordhausen hat sich als Ziel gesetzt, „zerstörungsfreie rückbaubare Gipsprodukte zu erarbeiten, die wiederverwendbar sind: von der Konzeption, Herstellung und Prüfung bis zur Anwendung als modulare Bauteile. Die direkt wiederverwendbaren Gipsprodukte stellen eine Ergänzung zum Gipsrecycling dar, das aufgrund der erforderlichen Sammel-, Aufbereitungs- und Transportprozesse mit CO2-Emissionen verbunden und energieintensiv ist. Damit tragen sie zur Deckung des Gipsbedarfs bei gleichzeitiger Schonung etwa des Südharzer Gipskarstgebietes bei, in dem die Hälfte der nationalen Gipsressourcen lagert.“

Rückführungskonzepte und Recyclingverfahren
„ZerMoGips“ ist eines von vier kooperativen Forschungsvorhaben des Verbundes „Nachhaltiges Bauen und Ressourcenmanagement“, die sich mit der Gesamtproblematik „Alternativen zum Abbau von Naturgips und Schließung der Versorgungslücke durch den Wegfall von REA-Gips aus der Kohleverstromung“ beschäftigen und eng miteinander verknüpft sind. Am Verbund beteiligt sind vier Thüringer Forschungseinrichtungen: das F.A.Finger-Institut für Baustoffkunde (FIB) der Bauhaus-Universität Weimar, die Materialforschungs- und Prüfanstalt (MFPA) Weimar, das Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) Weimar sowie das Thüringer Innovationszentrum Wertstoffe (ThIWert) an der Hochschule Nordhausen. Mit rund 300 Wissenschaftlern in diesen Einrichtungen verfügt Thüringen als wichtigstes Gipsabbaugebiet über eine besondere Forschungsdichte in diesem Bereich.

Kernthemen sind etwa die Erforschung alternativer Baustoffe, die Entwicklung von Rückführungskonzepten und Recyclingverfahren, das Einsparen zum Beispiel von Gips durch neue hybride Bauprodukte und die Funktionalisierung von Werkstoffen und Bauteilen sowie die natur- und landschaftsgerechte Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften. Im Rahmen des 2020 aufgelegten Maßnahmenpakets „Innovationspotenzial“ stellt das Land Thüringen sechs Millionen Euro bereit, um den Forschungsverbund weiter zu stärken. Die Hälfte der Mittel fließt in die vier kooperativen Vorhaben; weitere drei Millionen Euro stehen für benötigte Forschungsflächen an der Hochschule Nordhausen zur Verfügung. Hierbei ist geplant, bereits für das Thüringer Innovationszentrum Wertstoffe“ (ThIWert) angemietete Flächen zu erwerben. Seit 2018 entwickelt und testet das ThIWert in Kooperation mit der Bauhaus-Universität sowie dem Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar Technologien für eine nachhaltige Wertstoff- und Kreislaufwirtschaft.

www.hs-nordhausen.de

Der Bedarf an Gips als Baustoff wird voraussichtlich deutlich abnehmen
Nach Angaben der Unternehmensberatung Alwast Consulting (Gutachten 2020 für den BUND und aktuellere Analysen) wurden im Jahr 2018 in Deutschland rund 2,6 Millionen Tonnen Naturgips, 6,4 Millionen Tonnen REA-Gips, 0,45 Millionen Tonnen Chemiegips und 0,16 Millionen Tonnen Recyclinggips erzeugt. Alwast Consulting hält einen Anstieg an Recyclinggips zwischen einer und zwei Millionen Tonnen innerhalb der nächsten 25 Jahre für möglich. Der Bedarf an Gips als Baustoff werde in den kommenden 25 Jahren aber sehr deutlich – um mindestens 50 Prozent – rückläufig sein, prognostiziert die Unternehmensberatung. Ein „pessimistisches“ Szenario geht davon aus, dass sich die Nutzung von Naturgips in Deutschland bis zum Jahr 2045 um über zwei Drittel verringert. Es würden dann 0,75 Millionen Tonnen pro Jahr verbleiben. Ein „optimistisches“ Szenario erwartet eine inländische Nutzung von Naturgips bis zum Jahr 2045 sogar ganz auf null – vor allem durch die umfassende Nutzung von ökologischen Alternativen für die bisher eingesetzten Gipsbauplatten und Gipsputze sowie durch die weitestgehende Verwendung von Recycling- und Phosphorgips.

www.alwcon.com

 

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2021, Seite 30, Foto: Harald Heinritz / abfallbild.de)