Neue Quellen für die Altpapiergewinnung erschließen und nutzbar machen

Zwei Forschungsprojekte am Institut für Produktionstechnik der Universität Siegen (Protech) sollen zur Ressourcenschonung beim Papierrecycling beitragen.

Die Herstellung von Papier verbraucht viel Energie, Holz und Wasser. Der jährliche Ausstoß von rund 10,6 Millionen Tonnen an CO2 bei der Papierproduktion in Deutschland entspricht den Emissionen von rund 4,5 Millionen Autos. Die beiden Forschungsprojekte des Lehrstuhls für International Production Engineering and Management unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Peter Burggräf – ODiWiP (Optimierter Wert- stoffkreislauf in der Papierindustrie) und EnEWA (Energieeinsparung bei der Papierproduktion durch Erschließung der Wertschöpfungsketten Altpapier aus Leichtverpackungen, Restabfall und Gewerbeabfall) – verfolgen mit unterschiedlichen Ansätzen das gemeinsame Ziel, den Ressourcenverbrauch bei der Papierherstellung und dem Recycling weiter zu reduzieren.

Mit dem im Dezember 2021 startenden und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Innovation (BMWi) geförderten Projekt EnEWA wollen die Forscher am Campus Buschhütten neue Quellen für die Altpapiergewinnung erschließen beziehungsweise nutzbar machen. Laut Verband Deutscher Papierfabriken stellt Altpapier bereits heute mit mehr als 66 Prozent den wichtigsten Rohstoff in der Papierproduktion dar. Aufgrund von beispielsweise falscher Entsorgung kann nur ein Teil des gesamten anfallenden Altpapiers wiederverwendet werden.

„Wir gehen davon aus, dass etwa 30 Prozent der Fehlwürfe wiederverwendet werden könnten“, erklärt Philipp Nettesheim, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionstechnik. Altpapier aus Restmülltonnen, Systemverpackungen aus der Gastronomie und das über die Systeme der Leichtverpackungen (Gelber Sack/ Tonne) eingesammelte Fasermaterial können aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelungen nicht als hochwertiges Sekundärmaterial in der Papierproduktion verwendet werden.

„Ziel ist es, ausgesondertes Papier so aufzubereiten, dass man es wieder dem Recyclingkreislauf zuführen kann. Hierzu soll der Gesamtprozess durch eine mit Grenzwerten definierte Hygienisierung verbessert und um eine wirtschaftliche Verwertung der entstehenden Rezyklate erweitert werden“, schildert Nettesheim. An dem Projekt sind neben der Universität Siegen das Institut für anthropogene Stoffkreisläufe der RWTH Aachen und vier Partner aus der Industrie beteiligt.

Mithilfe künstlicher Intelligenz
Ebenfalls zur Ressourcenschonung beim Recycling von Altpapier und der Papierproduktion beitragen soll das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt ODiWiP. Dies soll durch Vernetzung aller Kreislaufpartner mithilfe von Digitalisierungstechnologien und Künstlicher Intelligenz (KI) geschehen. „Durch die systematische Bewertung des Altpapiers mit einer feinen, auf Daten basierten Kategorisierung möchten wir eine effizientere Nutzung ermöglichen und Reklamationen und Logistikkosten stark verringern“, erklärt Projektleiter Alexander Becher. „Hier kommt uns unsere Expertise bei in Produktionsprozessen anwendbarer KI zugute.“ Als Verbundpartner haben die Siegener Ingenieure das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) sowie die Leipa Group GmbH, Tomra Sorting GmbH und die Consultingtalents AG mit an Bord.

Da hohe Schwankungsbreiten in der Zusammensetzung von Altpapiersorten gemäß aktuell gültiger Norm auftreten können, wollen die Forscher Daten sammeln und nutzen. Dies beginnt mittels Sensoren bereits bei der automatisierten Altpapiersortierung. Ein KI-Prognosemodul soll die zu erwartende Fertigpapierqualität vorausbestimmen und das Maschinenverhalten optimieren. Altpapier kann entsprechend der Zusammensetzung granularer kategorisiert und mit Datensätzen versehen werden, sodass diese Daten beim Wareneingang dem Papierhersteller unmittelbar zur Verfügung stehen. Mithilfe von Big-Data-Ansätzen und ausgewählten KI-Tools soll so der gesamte Wertstoffkreislauf übergreifend in Hinblick auf effizienten Ressourceneinsatz optimiert werden.

„Das Thema ‚Kreislaufprozesse‘ gewinnt immer mehr an Bedeutung; umso wichtiger ist es uns, Forschung zu betreiben, die unmittelbar in der Industrie anwendbar ist“, konstatiert Becher. So kann er sich gut vorstellen, das in dem Projekt gewonnene Wissen auch auf andere Branchen wie etwa die Kunststoff- oder Aluminiumindustrie zu übertragen.

www.odiwip.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2021, Seite 40, Foto: O. Kürth)