Eine geschlossene Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe

Svensk Plaståtervinning hat seine LVP-Sortieranlage in Motala, Schweden zu „Site Zero“ erweitert. Gebaut von Sutco und mit Technologie von Tomra ausgestattet, können nun bis zu zwölf verschiedene Kunststoffarten aus Verpackungsabfällen sortiert werden. EU-Recycling besichtigte die Anlage anlässlich der offiziellen Eröffnung am 15. November 2023.

„Es läuft besser als erwartet und der Konzeption mit allen Erwartungen zugrunde liegt“, äußerten Projektbeteiligte an diesem besonderen Tag für Schwedens Recyclingzukunft. Mehr als 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Entsorgungsbranche konnten ein sichtlich stolzer Matthias Philipsson und sein Team von Svensk Plaståtervinning zur Einweihung von Site Zero am 15. November 2023 in Motala begrüßen. Auch Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari war zur Eröffnungsfeier gekommen, was die Bedeutung der neuen Kunststoffsortieranlage für die CO2-Reduktionsziele des Landes und die Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen unterstreicht. Schweden ist auf dem Weg zur Circular Economy und will seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 63 Prozent und bis zum Jahr 2040 um mindestens 75 Prozent verringert haben.

„Kein Abfall, kein Downcycling und keine Emissionen“
Verpackungsabfälle sollen in Schweden nicht länger thermisch beseitigt, sondern vorrangig stofflich verwertet werden. So gilt es auch, die Recyclingquoten von Kunststoffen zu erhöhen. Das setzt effiziente Sammelstrukturen voraus und dass im Vorfeld besser getrennt wird. „Hier liegt ein großes Potenzial, das wir nutzen wollen“, erklärte Mattias Philipsson in der Pressekonferenz mit internationalen Medienvertretern und räumte zugleich ein, dass Verpackungsabfälle aus der haushaltsnahen Sammlung in Schweden überwiegend in die Verbrennung beziehungsweise energetische Verwertung gehen. „Aktuell werden 33 Prozent der Kunststoffverpackungen recycelt“, belegte der CEO von Svensk Plaståtervinning und Betreiber der Anlage. Site Zero übererfülle zwar die EU-Vorgaben, doch nutze die beste Technologie nichts, wenn die Sammelquoten nicht stimmen. Das Abfalltrennverhalten in der schwedischen Gesellschaft lasse noch zu wünschen übrig.

Michael Ludden, Geschäftsführender
Gesellschafter LM Group (rechts im Bild), und Sutco-Projektleiter Yannick Rödder

Svensk Plaståtervinning ist ein Wegbereiter des Kunststoffrecyclings in Schweden. Das Unternehmen, hinter dem ein Konsortium aus der Verpackungsindustrie steht, investiert in eine geschlossene Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe. „Kein Abfall, kein Downcycling und keine Emissionen“ lautet die Devise. Für jeden Kunststoff-Materialstrom will Svensk Plaståtervinning eine Verwertungskette ermöglichen – jede Plastikverpackung soll stofflich verwertet werden. Das Unternehmen will neue Märkte für Recyclingkunststoffe erschließen und dazu beitragen, dass Schweden seine Recycling- und Klimaziele erreicht und hier vorbildhaft ist.

Einen Schritt weitergehen
Der Standort von Site Zero erweist sich dabei als ideal: Motala liegt zwischen Göteborg und Stockholm und damit verkehrsgünstig im Einzugsgebiet der beiden Metropolen. Früher produzierte in der Stadt mit 30.000 Einwohnern (Provinz Östergötland) Elektrolux Kühl- und Küchengeräte. Svensk Plaståtervinning übernahm die aufgegebene Industriehalle und realisierte zusammen mit dem deutschen Anlagenbauer Sutco Recycling Technik (LM Group) eine erste Sortieranlage für Leichtverpackungen, die 2019 in Betrieb ging. Bei einer Durchsatzleistung von 20 Tonnen pro Stunde und einer Kapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr sortierte Motala I fünf Kunststofffraktionen.

Zwei Jahre später begann der Bau von Motala II und damit die Erweiterung der bestehenden LVP-Sortieranlage, die nun fertiggestellt wurde und Site Zero genannt wird. Sutco erhielt hierzu wieder den Auftrag. In Zusammenarbeit mit Svensk Plaståtervinning und den Partnern Tomra und Mepex Consult entwickelte Sutco Recycling Technik eine der weltweit fortschrittlichsten Anlagen im Bereich der Polymersortierung. Laut Mattias Philipsson könne man im Kunststoffrecycling einen Schritt weitergehen und neue Ziele erreichen: „Diese Anlage produziert erstklassige Materialqualitäten, während sie gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck reduziert.“

Den Festakt mit Sektempfang und Kuchenbüffet zur Einweihung und offiziellen Eröffnung von Site Zero in einem extra, zum Konferenzsaal dekorierten Bereich der Produktionsstätte begleiteten Diskussionsrunden mit Branchenexperten und Mitgliedern des Stadtrats von Motala. Auf das symbolische Drücken des Startknopfs nach den Ansprachen durch Mattias Philipsson und einer Repräsentantin der Schwedischen Umweltagentur (Naturvårdsverket) sowie den Politiker Carl Fredrick Graf (Landshövding Östergötland) folgte ein Konfetti-Regen, und Mitarbeiter von Svensk Plaståtervinning brachten verschiedene Verpackungsballen zur Materialaufgabe.

Anschließend konnten die gut 300 Gäste der Zeremonie die neue Anlage in Betrieb besichtigen. Für die anwesenden Journalisten gab es schon vorab eine Führung mit dem technischen Personal und Beteiligten des Projekts, darunter Michael Ludden, Geschäftsführender Gesellschafter LM Group, Naemi Denz, Geschäftsführerin Sutco Recycling Technik, Sutco-Projektleiter Yannick Rödder und Oliver Lambertz, VP und Head of Operations and Feedstock Sourcing bei Tomra Feedstock.

Von 47 auf 95 Prozent
Die Dimension der Anlage und installierten Sortier- und Fördertechnik ist beeindruckend – und ist so noch nicht gesehen worden. Ausgelegt auf eine Verarbeitungskapazität von 200.000 Tonnen Verpackungsabfällen im Jahr, erstreckt sich Site Zero mit drei Linien auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern. Zwölf unterschiedliche Kunststoffarten können sortiert und getrennt voneinander weiterverwertet werden. Eintausend vorzerkleinerte Verpackungen flitzen jede Sekunde durch die fünf Kilometer lange Anlage. Die Durchsatzleistung beträgt 42 Tonnen pro Stunde. Nach den weiteren Informationen von Mattias Philipsson konnte die Recyclingquote gegenüber Motala I von 47 auf 95 Prozent gesteigert werden. Das heißt, 95 Prozent des Material-Inputs können für weitere Verarbeitungsprozesse sortiert werden.

Tomra lieferte die NIR-Sensortechnologie; mehr als 60 Autosort-Maschinen des Herstellers sind im Einsatz. Site Zero ist zudem mit Vorzerkleinerern, Siebtrommeln, Ballistikseparatoren, neuester Ablufttechnik, intelligentem Bunkermanagement und Verdichtern sowie Kanalballenpressen von Unotech (LM Group) am Ende der Sortierlinie ausgestattet. Digitale Prozessüberwachungssysteme und Etikettierungsmaschinen komplementieren die Anlagentechnik. Die Kombination aus Sortier- und Verfahrenstechnik ermöglicht die Erfassung von zwölf Fraktionen wie PE Film, PP Film, HDPE, PP, PET Flaschen (farbig und transparent), PET-Schalen, EPS oder auch PS mit Reinheitsgraden von bis zu 98 Prozent. Die sauber gewonnenen Materialfraktionen werden zu Ballen verpresst, mit einem Label versehen und dann an Wiederverwerter in der Europäischen Union vermarktet. Minimale Sortierreste werden in einem Plastkompaktor von Herbold Meckesheim agglomeriert.
Das „Auge der Sortieranlage“

Um das Potenzial von Daten auszuschöpfen, sind alle Autosort-Maschinen in Site Zero mit „Tomra Insight“ ausgestattet und miteinander vernetzt. Die cloudbasierte Datenplattform überwacht die Leistung aller Sortierlinien in Echtzeit und trägt damit zur Prozessoptimierung bei. Oliver Lambertz von Tomra beschrieb das Tool als das „Auge der Sortieranlage“. Tomra Insight sammelt Sortierdaten, erstellt Berichte und meldet Unstimmigkeiten, die die Steuerung und Gesamtleistung der Anlage beeinflussen. „Werden diese Daten als strategisches Managementinstrument genutzt, können die Effizienz gesteigert und die Kosten gesenkt werden“, verdeutlichte Lambertz. Langfristig visiert Site Zero den Aufbau von eigenen Recyclingkapazitäten hier an. Das schließt die Weiterverarbeitung von Folien und Laminaten ein, die bislang ausgeschleust werden und in naher Zukunft chemischen Recyclingverfahren zugeführt werden sollen. Bis 2025 sind zudem noch weitere, nachgeschaltete Wasch- und Granulieranlagen geplant.

Starke und kompetente Partner
Wie Michael Ludden und Yannick Rödder im Gespräch mit EU-Recycling versicherten, ist Störstoff-Eintrag kein Problem für die Anlagentechnik. Site Zero könne mit Verpackungs-Anhaftungen und Verunreinigungen im Materialstrom sehr gut umgehen. Bei routinemäßigen Wartungen – und sollte tatsächlich mal eine Maschine ausfallen –, wird ein Bypass um die betroffene Strecke gelegt, um den Anlagenbetrieb nicht zu unterbrechen. Die von Sutco gebaute Sortieranlage für Kunststoff-Leichtverpackungen ist schon vor der offiziellen Eröffnung am 15. November 2023 in Betrieb gegangen. Wenn auch – nach Aussage der Projektbeteiligten – Site Zero besser als erwartet läuft, so gilt es doch, weitere Prozessoptimierungen und Energieeinsparungen vorzunehmen. Machine Learning ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Sutco hat den Auftrag von Svensk Plaståtervinning über eine europaweite Ausschreibung bekommen. „Der Anlagenbetreiber wollte die bestverfügbare Technik und hatte klare Vorstellungen, was die Anlage leisten muss“, erinnerte sich Michael Ludden. Entsprechende Kriterien wurden auf der Suche nach dem besten Anlagenbauer angelegt, und Sutco Recycling Technik machte schließlich das Rennen. Matthias Philips­son hat starke und kompetente Partner zur Seite: „Die Zusammenarbeit in unserem ersten Projekt hat uns bereits von Tomra und Sutco überzeugt. Es sind die Qualität und Flexibilität ihrer Systeme sowie der zuverlässige Service, die sie zu unseren Partnern gemacht haben.“

Kapazitäten, die gebraucht werden
Site Zero ist weltweit die wohl größte und – nach Stand der Technik – modernste Sortieranlage für Verpackungskunststoffe, die bislang gebaut wurde. Und Kapazitäten wie diese würden gebraucht. Matthias Philipsson zufolge fehlen in Europa mindestens 20 Anlagen dieser Art. Um die eigenen Linien voll auszulasten, wird Svensk Plaståtervinning daher ab 2024 auch Kunststoffabfälle aus Finnland beziehen, kündigte der Betreiber an. Abfälle aus Schweden decken mit etwa 100.000 Jahrestonnen zur Hälfte die Anlagenkapazität. 100.000 Tonnen müssen aus anderen Ländern kommen, damit Site Zero wirtschaftlich erfolgreich ist. Und davon geht Matthias Philipsson trotz der derzeit verhaltenen Nachfrage nach Rezyklaten in der kunststoffverarbeitenden Industrie aus. Der Unternehmer ist zuversichtlich, dass sich die Marktsituation wieder bessert. Recycling und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe haben für den CEO von Svensk Plaståtervinning Zukunft.

Im Foyer des Firmengebäudes zeigt eine Ausstellung, was aus den zwölf zurückgewonnenen Kunststofffraktionen alles gemacht werden kann. Ob Bürostühle, Reisekoffer, Abfalleimer, Kinderspielzeug oder Verpackungen für Hygieneartikel und Lebensmittel: Vieles ist möglich – und in bester Qualität. Von der Besichtigungstour ging es dann zur Abendveranstaltung in die „Lokverkstan“. Die ehemalige Werkstatt für Dampflokomotiven ist heute eine beliebte Event-Location. Der Tag bei Svensk Plaståtervinning in Motala klang musikalisch mit Queen und anderen Klassikern der 70er und 80er Jahre aus. Die Bühne rockte eine wirklich gute Coverband aus Schweden.

svenskplastatervinning.se, tomra.com, sutco.com

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2024, Seite 12, Fotos: Marc Szombathy)