Neue Berechnungsmethode für Verpackungsabfälle: komplizierter und etwas genauer

Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, jährlich über Verbrauch und Verwertung von Verpackungen zu berichten. Für 2019 nahm die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH die in Deutschland angefallenen Mengen an Glas, Kunststoff, Papier / Karton, Aluminium, Eisenmetallen und Holz unter die Lupe. Das Bundesumweltamt veröffentliche den GVM-Bericht, der als Neuerung die Berechnungen der Recyclingquote nach Vorgaben des EU-Durchführungsbeschlusses dokumentiert.

2019 stieg der Verbrauch an zu entsorgenden Verpackungsabfällen aller Materialfraktionen im Vergleich zum Vorjahr um 47 Kilotonnen (kt) auf 18,91 Millionen (Mio.) Tonnen und damit um 0,2 Prozent an. Deutliche Anstiege zeigten sich beim Verbrauch von Glasverpackungen, aber auch bei Aluminium- und textilen Verpackungen.

Der Glasverbrauch nahm 2019 gegenüber dem Vorjahr erneut zu (+6,3 %). Während zwischen 1991 und 2005 Glas als Getränkeverpackung massiv durch Kunststoff ersetzt wurde und der Glasverbrauch in diesem Zeitraum um 1,56 Mio. Tonnen sank, kann sich die Materialnutzung inzwischen wieder behaupten und gewinnt sogar langsam Marktanteile hinzu. Kunststoffverpackungen verdoppelten sich zwischen 1995 und 2018 um 108 Prozent bzw. 1,68 Mio. Tonnen. In 2019 wurde dieser Trend zur Kunststoffverpackung gebrochen, ohne dass konjunkturelle Entwicklungen dafür ursächlich waren: Erstmals sank der Verbrauch um 56 kt bzw. -1,7 Prozent; erste Zahlen für 2020 belegen den Trend.

Aluminiumverpackungen um 65 Prozent gestiegen
Der Verbrauch von Papierverpackungen entwickelte sich zwischen 2009 und 2018 dynamisch: um 27 Prozent bzw. 1,74 Mio. Tonnen; 2019 stagnierte der Einsatz (inkl. Verbunde Papierbasis und Flüssigkeitskarton) erstmals seit Jahren. Gebinde aus Flüssigkeitskarton wurden 2019 in gleicher Menge wie im Vorjahr benötigt. Allerdings sank die Benutzung zwischen 2003 und 2018 von 251 kt um 32 Prozent auf 80 kt. Der Verbrauch an Aluminiumverpackungen (inkl. Verbunde) kletterte von 2005 bis 2019 um 65 Prozent auf 54 kt. Im Jahr 2019 stieg er um 4 kt bzw. 3,4 Prozent, was hauptsächlich auf starkes Wachstum bei Aluminium-Getränkedosen zurückging. Zwischen 1995 und 2010 ging der Verbrauch von Verpackungen aus Weißblech um 259 kt bzw. 35 Prozent zurück; der Schwund hielt zwischen 2017 und 2019 mit -4,7 Prozent bzw. 24 kt an. Der Verbrauch von Stahlfässern, Stahlpaletten und Stahlbändern legte 2019 um 1,2 Prozent zu. Holzverpackungen wie Paletten, Kisten und Verschläge wurden 2019 rund 2,3 Prozent bzw. 76 kt weniger verbraucht.

Auswahl verändert
Der Vergleich des privaten Endverbrauchs von 2019 mit den vergangenen Jahren ist allerdings nach Angaben der GVM nur „eingeschränkt“ möglich. Denn bis einschließlich 2018 wurden alle in Haushalten oder an vergleichbaren Stellen anfallende Verpackungen berücksichtigt, während ab 2019 jene einbezogen werden, „die nach dem Katalog systembeteiligungspflichtiger Verpackungen der Zentralen Stelle Verpackungsregister als systembeteiligungspflichtig ausgewiesen sind“. Dadurch sinkt die LVP-Fraktion leicht und die Holz-Fraktion stark, während der Anteil an Papier, Pappe und Karton etwas zulegt.

18,33 Mio. Tonnen verwertet
Was die stofflichen Verwertungsquoten im Jahr 2019 nach der bisherigen Berechnungsmethode anlangt, lagen Aluminium mit 93,5 Prozent (2018: +3,4 %) und Stahl mit 92,7 Prozent (2018: +0,8 %) vorne, gefolgt von Papier, Pappe, Karton mit 89,5 Prozent (2018: +1,8 %). Die Verwertung von Glas erreichte 84,1 Prozent (2018: +1,1 %), Kunststoff 55,5 Prozent (2018: +8,4 %) und Holz 24,3 Prozent (2018: -1,0 %). Zwischen 2010 und 2019 verschob sich die Quote der stofflichen oder energetischen Verwertung bei Aluminium von 87,7 auf 95,9 Prozent, bei Stahl von 93,3 auf 92,7 Prozent und bei Glas von 86,0 auf 84,1 Prozent. Papiere und Kartons erreichten 92,0 bzw. 99,8 Prozent. Kunststoffe legten von 75,0 auf 99,6 Prozent zu, Holz von 66,7 auf 99,7 Prozent.

Die energetische Ausbeute aus Abfallverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung sah bei Glas einen Quotenrückgang von 86,0 auf 84,1 Prozent und bei Stahl von 93,3 auf 92,7 Prozent. Kunststoff stieg von 97,2 auf 99,9 Prozent, Papier und Karton von 98,7 auf 99,9. Zulegen konnte auch Aluminium (96,5 auf 98,6 Prozent); Holz hielt sogar das hohe Niveau knapp unter und bei 99,9 Prozent. Die Studie fasst zusammen, dass der Verpackungsverbrauch zur Entsorgung 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent bzw. um 47 kt auf 18,91 Mio. Tonnen anstieg. Insgesamt sollen somit 18,33 Mio. Tonnen Verpackungsabfälle verwertet worden sein, davon 13,53 Mio. Tonnen stofflich (13,424 Mio. Tonnen werkstofflich) und 4,8 Mio. Tonnen energetisch.

Der Durchführungsbeschluss 2019/665
Der Durchführungsbeschluss 2019/665, der den Artikel 6 der Richtlinie 94/62/EG präzisiert, sieht jedoch für die Berechnungen von Verpackungsabfällen Veränderungen vor. Denn er definiert, dass „Verbundverpackungen und andere Verpackungen, die aus mehr als einem Material bestehen, aufgeschlüsselt nach den in der Verpackung vorhandenen Materialien zu erfassen und zu melden“ sind. Davon können Materialien ausgenommen werden, die unwesentlich sind und weniger als fünf Prozent der Gesamtmasse ausmachen; folglich müssen Verbundmaterialien mit 95 Gewichtprozent an Hauptmaterial aufgeteilt werden.

Am Beispiel von Papier lässt sich diese Differenzierung verdeutlichen: Das Verpackungsabfallmaterial Papier unterteilt sich in die Verpackungsmaterialien reines Papier, Flüssigkeiten und Verbunde auf Papierbasis. Die Verbunde wiederum können nach den Packmittelsegmenten Einweggeschirr und Papiersäcke unterschieden werden, wobei letztere in die Unterkategorien „mit Aluminium“ oder „mit Kunststoff“ zerfallen. Diese Kunststofffraktion schließlich teilt sich in „privaten Endverbrauch“ und „nicht privaten Endverbrauch“.

56 Packmittelsegmente
Verpackungsmaterialien unterscheiden sich hauptsächlich in der Anzahl ihrer Packmittelsegmente: Reiner Kunststoff verfügt potentiell über deren neun, reines Papier über acht und Feinblech/Stahl über sechs, während Weißblech nur zwei und Flüssigkeitskartons lediglich über eine mögliche verfügen. Reines Aluminium lässt sich in fünf, Verbunde auf Aluminiumbasis auf vier Segmente gliedern. Alles in allem sind 56 klar abgegrenzte Packmittelsegmente vorgesehen, die weitere Differenzierungen nach Packmittelformen, Barrierematerialien, Nebenbestandteilen oder Füllgrößen erlauben.

Diese Unterteilung hat keine Auswirkung auf die Höhe des Verpackungsverbrauch, wohl aber auf die Verteilung der Materialien im Verpackungsabfall, deren Verwertungsmenge und die jeweilige Recyclingquote. Am deutlichsten wird dies bei Aluminium, dessen bisher berechneter Verbrauch von 137,9 kt nun auf 162,4 kt – also um 17,8 Prozent höher – taxiert wird. Der Materialverbrauch an Kunststoffen liegt um 2,2 Prozent, der von Feinblech/Stahl um 1,7 Prozent höher als bisher berechnet.

Recyclingquote 7,6 Prozent niedriger
Im Ergebnis reduziert diese Berechnungsmethode die Recyclingquote insgesamt um 7,6 Prozent bzw. 1,435 Millionen Tonnen. Am stärksten litt die Verwertungsmenge von Papier mit 813 kt um 9,8 Prozent. Die anrechenbare Menge an Kunststoffe ging um 356 kt und die Quote damit um elf Prozent zurück. Besonders deutlich sanken die Werte für Aluminiumverpackungen: Insbesondere durch die Oxidation von Nicht-Aluminium in der Pyrolyse verringerte sich deren Recyclingrate um 13,6 Punkte.

Gesteckte Ziele für 2025 nicht erreichbar
Dadurch liegen Weißblech mit 95,0 Prozent und Feinblech/Stahl mit 92,9 Prozent (Metalle insgesamt: 91,7 Prozent) an der Spitze der Recyclingquoten, gefolgt von Papier und Pappe mit 90,4 Prozent, Glas mit 84,1 Prozent und Aluminium mit 79,4 Prozent. Kunststoffe erreichen lediglich eine Quote von 54,3 Prozent. Das Schlusslicht bildet Holz mit 24,4 Prozent. Daraus ergibt sich schließlich insgesamt im Bundesgebiet eine Recyclingquote bei den Verpackungsabfällen von 71,6 Prozent. Anders ausgedrückt: Glas, Weißblech, Aluminium und Feinblech/Stahl bewegen sich auch nach der neuen Berechnungsmethode noch innerhalb der Zielvorgaben der EU für 2025 und 2030. Papierrecycling liegt weiterhin unterhalb der Quote für 2030, während Kunststoffe sowie Holz/Kork die gesteckten Ziele für 2025 nicht erreichen werden.

Insgesamt reduziert sich somit nach der neuen Kalkulation die Recyclingmenge der 2019 angefallenen Verpackungsmaterialien im Vergleich zur bisherigen Berechnungsmethode um 1,4 Mio. Tonnen auf 12,1 Mio. Tonnen. Die Menge der energetisch verwerteten Verpackungen erhöht sich um 1,2 Mio. Tonnen auf 6,0 Mio. Tonnen.

Nachsatz
Die Studie gesteht ein, dass die Recyclingmengen nach dem Durchführungsbeschluss ein „virtueller Wert“ sind, da die Recyclingmengen nicht wie bisher durch Wiegescheine überprüft werden können. Daraus „ergibt sich zwangsläufig eine höhere Fehlerbandbreite als bei den Recyclingmengen nach der bisherigen Berechnungsmethode“.

Die komplette 260-seitige Studie kann unter
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_148-2021_aufkommen_und_verwertung_von_verpackungsabfaellen_in_deutschland_im_jahr_2019.pdf heruntergeladen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2022, Seite 34, Foto: didecs / stock.adobe.com)