Solids RegioDay Chemnitz: Neues aus der Schüttgutindustrie in Theorie und Praxis
Nach erfolgreichem Start in Karlsruhe zog die eintägige Fachmesse für die regionale Pulver-, Granulat- und Schüttgutindustrie weiter nach Chemnitz. Der Solids RegioDay Chemnitz am 11. November wurde durch ein hochkarätiges online-Vortragsprogramm mit wissenschaftlichen und praxisbezogenen Beiträgen bereichert.
Die ersten vier Vorträge betrafen innovative Methoden zur Bestimmung von Partikel- und Produkteigenschaften, während die drei folgenden Beiträge praktische Anwenderbeispiele aus der Schüttgutindustrie vorstellten.
3D-Analyse mittels Röntgen-Tomographie
Eines der Verfahren zur Eigenschaftsbestimmung – nach Unterscheidung des Untersuchungsmaterials nach Partikel-Kollektiv oder Einzelpartikel – besteht in einer 3D-Analyse mittels Röntgen-Tomographie. Wie Ralf Ditscherlein (TU Bergakademie Freiberg) in seiner Präsentation darlegte, werden dazu aus einer Quelle Röntgenstrahlen auf die präparierte Materialprobe gesendet und von einem Detektor aufgefangen. Ziel der Probenvorbereitung ist, die Partikel sich möglichst wenig berühren zu lassen, um eine bessere Analyse zu erreichen. Die resultierenden Projektionsbilder dienen zur 3D-Rekonstruktion des Probenmaterials, erlauben die Ermittlung des Konzentrationsgradienten von Ionentausch-Partikeln, ermöglichen Aussagen zur Rauheit einer Partikeloberfläche oder lassen die Abbildung interner Strukturen von Partikeln zu. Darüber hinaus kann das Verfahren bei Druck-/Zug-Versuchen die Belastung eines Partikels verfolgen, um die Entstehung von Rissen zu erkennen und Spannungsfelder zu ermitteln. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in einer Datenbank festgehalten und können heruntergeladen werden.
Bilder dynamisch analysieren
Die Aufgaben einer dynamischen Bildanalyse präsentierte Jan Nicklas (TU Bergakademie Freiberg). Dazu erläuterte er zunächst die wichtigsten Vorbereitungsschritte zur Bildaufnahme sowie die notwendigen Manipulationen während der Bildbearbeitung, der Segmentierung der Objekte und der Analyse. Daraus resultierend lassen sich verschiedene Partikel und Phasen unterscheiden, Äquivalenzdurchmesser ermitteln, Aggregateigenschaften wie zum Beispiel Dichte erfassen und bei guter Bildqualität Formfaktoren berechnen. In der Praxis kann das Verfahren Anwendung in der Metallschmelze finden, indem es ein grundlegendes Verständnis von Agglomeration und Heterokoagulation ermöglicht und die Filtrationseffizienz erhöht. Damit lassen sich maßgeschneiderte Agglomerate erzielen, die die Abscheidung nicht metallischer Einschlüsse effizient erhöhen.
Sortierkriterien neu kombinieren
Über Projekte zur Aufbereitung von Natur- und Kunststoffen berichtete in Chemnitz Maria Schäfer (Verbundinstitut iTN+IOT an der Hochschule Zittau). Eines der Projekte befasst sich mit der Abtrennung von Holz und naturfaserverstärkten Kunststoffen (NFK) aus Ersatzbrennstoffen. Letztere enthalten rund fünf Prozent Restholz, das nach Spektren getrennt ein Holzprodukt von etwa 60 Prozent und ein Kunststoffprodukt von < 0,5 Prozent enthält. Dazu ist das NIR-Verfahren Stand der Technik, doch das Verbundinstitut will die Methodik noch erweitern und eine neue Kombination der Sortierkriterien generieren. Als zweiten Schwerpunkt stellte Maria Schäfer die Trennung von Multi- und Single-User-Folien vor, die aus mehreren PE-Folien, Haftvermittlern, Klebern und einer EVOH-Barriere bestehen. Dazu müssen nach Vorarbeiten die Kunststoffsorten und -mengen per Differential-Thermoanalyse oder FTIR-Spektrometer ermittelt werden. Die Folienmischung wird dann mechanisch in einer Zentrifuge und thermisch durch eingeblasene Hitze behandelt. Im resultierenden „konditionierten Kunststoff“ unterscheiden sich Ein-Lagen- von Mehr-Lagen-Folienreste dadurch, dass die einen sich kräuseln, die anderen aber glatt bleiben. Ein drittes Projekt des Instituts befasst sich mit der Aufbereitung von Naturfasern und der Gewinnung von Spreu-Stroh.
Rodos oder Gradis?
Die Standardisierung von Messmethoden für Staubungsverhalten und Dispergierbarkeit von Schüttgütern waren Thema des Vortrags von Michael Stintz (TU Dresden). Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Beschaffenheit von Pulver durch Bildung von Aerosolen zu analysieren. Dafür stehen standardisierte Methoden wie die rotierende Trommel, der Gegenstrom-Fallschaft und das Fall- und Dispergierschacht-System Gradis zur Verfügung. Bei der standardisierten Staubmessung mit Trommel-Einsatz erfolgt im Dustmeter eine aerodynamische Klassierung im Metallschaum-Tiefenfilter. Für die gesteuerte Dispergierung mit Laserbeugungsmessung bietet sich die Injektordüse mit variabler Scherbelastung ebenso an wie das Gradis-System, das konstanten Fall an steiler Leitfläche bewirkt. Nach zwei Versuchen zur Größenverteilung bei starker Scherstromdispergierung (Rodos) und ebenso vielen zur Größenverteilung bei schwacher Scherstromdispergierung (Gradis) mit zehn unterschiedlichen Titandioxidpulvern wurde deutlich, dass die Dispergierbarkeit sehr gut reproduzierbar aus dem Vergleich der Partikelgrößen-Verteilungen bei unterschiedlicher Belastung bestimmt werden kann: „Die Produkteigenschaft Staubungsverhalten ist anwendungsnäher, aber schlechter reproduzierbar, das Dispergierverhalten ist eher als Merkmal wie die Partikelgrößenverteilung zu verstehen, beinhaltet jedoch zusätzlich die Agglomeratfestigkeit.“
Produktoptimierung per KI
Übersichtliches Design, unterstütze Produkt-Konfiguration, automatische Erstellung einer genehmigungsfähigen 3D-Zeichnung, Echtzeit-Preisberechnung und ein unmittelbar generiertes Produkt-Angebot: Das sind nur einige der Vorteile, die sich für Kunden aus der digitalisierten Präsentation eines mittelständischen Anbieters ergeben. Das versuchte Hanno Jenkel, bei Westeria für Digitale Transformation zuständig, den online-Teilnehmern zu vermitteln. Am Beispiel des DiscSpreaders konnte er darüber hinaus verdeutlichen, inwieweit Künstliche Intelligenz bei der Optimierung eines Produktes nützlich sein kann. Der ursprüngliche Spreader bestand aus zwei rotierenden, nach innen gewölbten Scheiben zur Materialverteilung, die auf das Material jeweils manuell abgestimmt und justiert werden mussten. Mit wissenschaftlicher Unterstützung gelang es, den Disc Spreader automove zu entwickeln, der – selbstlernend – die jeweilige Verteilung auf dem Förderband per Kamera erkennt und die jetzt alleinige Scheibe per KI-Steuerung so ausrichtet, dass das Material optimal verteilt wird. Über automatisierte Verlade- und Wiegeprozesse gab Nico Schröder (Paari GmbH) Auskunft. Dabei veranschaulichte er, wie die Abwicklung eine Anlieferung oder Abholung mithilfe automatisierter Datenübertragung und Selbstbedienerterminals weniger aufwändig, schneller und auch sicherer vonstattengehen kann. Das betrifft alle Stationen wie Disposition, Self Check In, Lkw-Aufruf, Einfahrtkontrolle, Verladung, Ladungssicherung und Ausfahrtkontrolle.
Dosieren und Austragen unter APEX
Viele Schüttgüter bilden in Verbindung mit Luftsauerstoff explosive Gemische. Komponenten, die in entsprechende Fertigungsanlagen eingebaut werden, müssen geprüft und zugelassen sein. ATEX ist die Kurzbezeichnung für die europäische Richtlinie 94/9/EG, die das Inverkehrbringen explosionsgeschützter, elektrischer und nicht-elektrischer Geräte, Komponenten und Schutzsysteme regelt. Wie unter diesen Voraussetzungen das Dosieren und Austragen von Schüttgütern aus Silos und Vorlagebehältern zu erfolgen hat, illustrierte Andreas Kühn (Ebro Application Management). Dazu wies er auf die drei Ebenen von Explosionsschutz hin, die das Vermeiden explosionsfähiger Atmosphären, die wirksame Eliminierung von Zündquellen sowie einen konstruktiven Explosionsschutz vorsehen. Doch sei es nicht in allen Fällen möglich, nur durch Auswahl geeigneter Betriebsmittel die Gefahr einer Explosion auf das geforderte Maß zu reduzieren. Dann müssten zusätzliche Explosionsschutzmaßnahmen ergriffen werden. In diesem Zusammenhang wies Kühn auf die von seinem Unternehmen entwickelten Taktschleusen zum Staubaustrag, Absperrklappen zur Vibrations-Dosierung und eine Flügelschleuse zum gleichmäßigen Austrag hin.
Brandschutz nur mit zertifizierten Produkten
Auch der nächste Vortrag befasste sich mit anlagentechnischem Brandschutz in der Schüttgutindustrie. In diesem Zusammenhang wies René Schwertfeger (T&B electronic GmbH) darauf hin, dass durch Großbrände über 70 Prozent der Betriebe ruiniert sind, indem 43 Prozent den Betrieb nie wieder aufnehmen und 28 Prozent innerhalb eines Jahres ihr Geschäft aufgeben. Daher gelte es, über eine wirksame und zuverlässige Feuerlöschanlage zu verfügen, die durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle nachgewiesen ist, gemäß geltenden Regelwerken betrieben wird und geeignet ist, kritische Zündpotenziale zu detektieren.
Daher empfiehlt Schwertfeger den Hot-Particle-Detektor FST-lt, der heiße Partikel bereits ab einer Temperatur von 150 °C ausmacht, den Glutnestmelder FST für Temperaturen ab 300° C, den Funkenmelder FSK für Temperaturen ab 700 °C oder gleich den Kombimelder FSM, der die Eigenschaften von FSK und FST vereint. In jedem Fall hält der Brandschutzexperte eine ganzheitliche Betrachtung der Risiken für unumgänglich. Umfassende, aber gezielte Schutzkonzepte empfehlen sich besonders beispielsweise für Trocknungsanlagen, Elevatoren mit Silo, Filteranlagen, Hammermühlen oder Pelletierpressen. Denn: „Brandschutz ist nur mit zertifizierten Produkten, Errichtern und mit bewährten Löschanlagen, unter Betrachtung der örtlichen Gegebenheiten, erfolgreich!“
Rückschlagklappen zur Explosionsentkoppelung
Zum Abschluss der Vortragsreihe informierte Alexander Alberg (Fike Deutschland) über „typische Anwendungen für Rückschlagklappen für die Explosionsentkoppelung“. Dabei machte er deutlich, wie Schnellschluss-Schieber die Ausbreitung von Flammen über Rohre in andere Anlagenbereiche verhindern können. Dabei sollten Rückschlagklappen bis zum Zündzeitpunkt vollständig offengehalten, die Rohrleitung im geschützten Bereich berücksichtigt und Explosionsberstscheiben anstelle von Entlüftungsöffnungen verwendet werden sollen. Es ist angeraten, dazu nur ein äußerst zuverlässiges, kompaktes passives Explosionsentkopplungs-Ventil zu verwenden.
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2022, Seite 42, Foto: Easyfairs)