Kühlgeräterecycling mit KI und digitalen Zwillingen

Identifizierung von Altgeräten – eine große Hürde.

Für das fachgerechte Recycling des geschätzten Aufkommens von drei Millionen gebrauchter Kühlgeräte pro Jahr werden in Deutschland derzeit mehr als 20 Anlagen betrieben. Ein großes Problem der Branche stellt der stark schwankende, extrem inhomogene Strom an Kühlgeräten dar. So ist ausgehend vom ursprünglichen Entsorgungsfall der FCKW R11 und R12 ein sprunghafter Anstieg der Anzahl auf circa 15 zu entsorgende, schadhafte Kälte- und Treibmittel unterschiedlichster Gruppen (teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, FCKW, KW) zu verzeichnen. Geräte aus Produktionsausschuss, mit einem Alter von mehr als 25 Jahren, aus Import und Geräte unbekannter oder längst nicht mehr existenter Hersteller treten nebeneinander im Entsorgungsstrom auf.

Die Betreiber haben es daher mit einem stark heterogenen Abfallstrom mit erheblichem Klimapotential, verursacht durch FCKW, sowie erheblichem Gefahrenpotential für Gesundheit und Anlage durch zum Beispiel Explosionen, verursacht durch den Einsatz nicht halogenierter Kohlenwasserstoffe, zu tun. Diese Heterogenität erschwert sowohl die effiziente Steuerung der Behandlungsanlagen als auch den Arbeitsaufwand des Stoffstrom-Monitorings. Dies hat zur Folge, dass immer komplexere Prozessketten etabliert werden müssen und die hohen Qualitätsansprüche der Entsorger ohne einen erheblichen personellen Mehraufwand nicht mehr zu erreichen sind.

Der Frage, wie sich die Effizienz der im Kühlgeräterecycling angewandten Prozesse durch Instrumente der Industrie 4.0 wie digitalen Zwillingen und künstlicher Intelligenz weiter steigern lässt, gehen die Forscher des BMBF-geförderten Projektes DiKueRec nach.

Foto: URT Umwelt- & Recyclingtechnik GmbH

Intelligente Datenerhebung mit fortschrittlicher Informationstechnik
Um die Heterogenität des Stoffstroms ohne erhöhten Personalaufwand trotzdem zu beherrschen, bedarf es robuster automatisierter Methoden der Datenerhebung auf Einzelgerätebasis. Diese Methoden entwickeln die Partner des Projektkonsortiums gemeinsam und schaffen damit Ansätze für künstlichen Intelligenz (KI) im Kühlgeräterecycling.

Das Institut für Umwelt- und Energietechnik e.V. (IUTA, Duisburg) hat umfangreiche Messkampagnen gemeinsam mit den beiden Recyclingunternehmen Alba Electronics Recycling (Eppingen) und Klink-Entsorgung (Rehna) durchgeführt und somit die erforderliche Datenbasis für das Training intelligenter Algorithmen geschaffen. Zur Erstellung der Datenbasis wurden von etwa 1.500 Altgeräten jeweils die Vorder- sowie Rückseite bildtechnisch erfasst. Ein zusätzliches Detailfoto wurde von noch vorhandenen Kompressoren aufgenommen. Um die Kühlgeräte möglichst vollständig zu beschreiben, wurden zudem die äußeren und inneren Abmessungen sowie über das angebrachte Etikett die Kältemittelart und Menge aufgenommen. Weitere vertiefende Einblicke in recyclingrelevante Produktdaten lieferten die beiden assoziierten Partner Liebherr-Hausgeräte GmbH (Ochsenhausen) und Miele & Cie. KG (Gütersloh).

Das RIF Institut für Forschung und Transfer e.V. (RIF, Dortmund) hat in den Daten der analysierten Kühlgeräte relevante Zusammenhänge entdeckt und Regressionsmodelle erstellt, die eine automatisierte Vorhersage der in Kühlgeräten enthaltenen Stoffmassen ermöglichen. Zudem wurden die visuellen Inspektionsaufgaben wie die Detektion von Türen, Kompressoren, Aufklebern und Kältemittelart mithilfe von Deep Learning und optischer Texterkennung automatisiert.

Der nächste Schritt:  praktische Umsetzung
Die bisher manuell aufgenommenen Daten zur Konzeption der digitalen Zwillinge sollen zukünftig automatisiert erhoben und ausgewertet werden. Dieser Aufgabe werden sich im Laufe des Projekts die Praxispartner URT Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH und aprotec GmbH (beide Karlstadt) annehmen. Dabei erproben sie verschiedene Sensorik-Konzepte und deren Integration in den laufenden Betrieb. Parallel dazu wird durch die Forscher des IUTA und des RIF ein adaptives Steuerungskonzept entworfen. Dieses reagiert gerätegenau und ermöglicht über eine Datenvisualisierung eine hochaufgelöste Zustandsbestimmung der Entsorger-Anlagen. Das nach diesen Schritten erarbeitete Automatisierungskonzept soll durch seinen modulhaften Aufbau zukünftig auch in anderen Anlagen des Kühlgeräterecyclings Anwendung finden. Darüber hinaus beteiligen sich alle Projektpartner an der Diskussion um eine einheitliche, maschinenlesbare Kennzeichnung zukünftiger Kühlgeräte zu definieren. Diese soll langlebig und robust gegenüber Umwelteinflüssen sein.

Ausblick: Datengetriebene Steuerung von Recyclinganlagen
Die Technologiefelder aus der Industrie 4.0 wie die cyber-physischen Systeme (CPS) können auf das Recycling erweitert werden und zur Entstehung cyber-physischer Recyclingsysteme (CPRS) führen, in denen die Aufbereitungsprozesse echtzeitnah und inputangepasst gesteuert werden. So können die Methoden der Datenerhebung im Kühlgeräterecycling zur effizienteren Steuerung der Anlagenteile beitragen und somit nicht nur Energieeinsparungen in der Abluftreinigung und den Zerkleinerungsanlagen erzielen, sondern auch die Güte der Stoffbilanzierung weiter erhöhen.

www.iuta.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2022, Seite 52, Foto: URT Umwelt- & Recyclingtechnik GmbH)

 

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