WasteAnt: Abfallqualitäten erfassen und bewerten

In welcher Qualität und Zusammensetzung Abfälle bei Verbrennungs-und Sortieranlagen ankommen, ist meist unbekannt. Die Güte der Reststoffe wird lediglich stichprobenhaft überprüft. Das Bremer Start-up WasteAnt (zu Deutsch: Abfall-Ameise) hingegen arbeitet daran, diesen Prozess zu automatisieren und zu digitalisieren.

„Unser System erfasst und bewertet die Abfallqualität. Wir überprüfen und charakterisieren den Abfallstrom, um unter anderem Störstoffe zu erkennen. Mit dieser neuartigen Transparenz können wir dazu beitragen, die Effizienz in Entsorgungs- und Verwertungsanlagen zu erhöhen“, verdeutlicht Christian A. Müller, einer der Gründer des Unternehmens. Wie, stellte WasteAnt-Geschäftsführer Maximilian Storp im Gespräch mit EU-Recycling klar.

Maximilian Storp (Foto: WasteAnt GmbH)

Herr Storp, wie viele einzelne Abfallstoffarten (Materialsorten mit Abfallschlüssel) erfasst Ihr System?

Da wir unser erstes Produkt auf die Effizienzsteigerung in Müllheizkraftwerken zugeschnitten haben, fokussiert sich unsere KI-basierte Lösung bisher deutlich mehr auf die gesamtstoffliche Analyse als auf die Erfassung einzelner Materialsorten. Hierzu gehören die Bestimmung von in der thermischen Verwertung relevanter Materialcharakteristika wie Homogenität und Heizwert sowie die Erkennung von Störstoffen wie langen Gegenständen, Klumpen, Seilen oder Tauen.

Unser mittelfristiger Fokus liegt aber auch auf der Bestimmung von Materialzusammensetzungen für die anfallenden unstrukturierten Abfälle. Daher trainieren wir unser System speziell mit dem Ziel der Charakterisierung und Analyse einzelner Materialsorten, um Anomalien bis hin zu Trends im Materialstrom zu erfassen. Diese sollen letztendlich auch Abfallschlüsseln zugeordnet werden.

Welche stofflichen/heizwertrelevanten Eigenschaften detektieren Ihre „Messungen“?

Unser System liefert kontinuierlich Informationen in Bezug auf eine Reihe von Abfallcharakteristika wie unter anderem Stückigkeit, Staubigkeit, Homogenität oder auch Heizwert des analysierten Materials.

Worüber geben diesen Daten Aufschlüsse? Welche Erkenntnisse lassen sich für den laufenden Verbrennungsbetrieb daraus ableiten?

Unsere Lösung kommt in einer Müllverbrennungsanlage an mehreren Stellen mit unterschiedlichen Zielen zum Einsatz:

  1. Materialannahme: Durch eine flächendeckende Analyse des eingehenden Materials lassen sich Rückschlüsse auf die Materialqualität der Lieferanten schließen. Die Anlage ist damit imstande, aktives Portfoliomanagement zu betreiben. Auch können hier Störstoffe frühestmöglich erkannt und beseitigt werden.
  2. Am Trichter zur Brennkammer: Die Heizwertbestimmung des Materials am Trichter ermöglicht eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Verbrennungsprozesses, da der tatsächliche Verbrennungsprozess je nach Anlage zwischen 30 und 60 Minuten später eintritt. Durch die Auswertung aller Materialaufgaben in Kombination mit den Verbrennungsparametern gibt unsere Lösung Empfehlungen, ob in nachfolgenden Einspeisungen hoch- oder niederkalorisches Material beigemischt werden sollte. Der gesamte Verbrennungsprozess wird also proaktiver, da unser System eine neuartige Transparenz im Stoffstrom bereitstellt. Zu diesen beiden Use Cases haben wir erfolgreiche Prototypen im Einsatz.
  3. Als weiterer Anwendungsfall ist die Stoffstromanalyse im Stapelbunker geplant, um eine optimale Homogenisierung des Materials zu ermöglichen.

Inwieweit können hieraus künftige Einsparpotenziale einer Anlage quantifiziert werden?

Zusammengefasst wollen wir Anlagenbetreibern einerseits ermöglichen, über einen höheren Materialdurchsatz ihren Umsatz zu erhöhen, und gleichzeitig über proaktivere Prozesse beziehungsweise Automatisierung die Kosten senken.

Einsparpotenziale sind im Wesentlichen:

  • Reduzierte Abweichung vom Auslastungszielwert durch höhere Prozesskontrolle
  • Reduktion von Rauchgasreinigungsmitteln durch bessere, datengestützte Materialhomogenisierung
  • Reduktion des Reinigungs- und Wartungsaufwands am Schredder
  • Arbeitserleichterung durch Dashboard-Statistiken und automatisierte Reports

Falls das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf Verbrennungsanlagen angewandt werden sollte: Inwieweit helfen Ihre Daten, den künftigen CO2-Verbrauch einer Anlage zu quantifizieren?

Wir haben in Versuchen gesehen, dass – durch eine kontinuierliche Überwachung des Stoffstroms in Kombination mit Emissionsmessungen in der Verbrennung – Rückschlüsse auf Emissionswerte von Materialien möglich sind. CO2 ist nur einer der Schadstoffe, zu denen wir sensorbasierte Materialanalysen liefern möchten. Erst kürzlich sind wir in den High-Tech-Inkubator Oldenburg aufgenommen worden, mit dessen Unterstützung wir dieses Thema voranbringen wollen.

Stichwort Vermeidung: Inwieweit wäre Ihr System technisch in der Lage, Störstoffe schon bei der Sammlung beim Verbraucher – also noch vor der Verbrennung in der Anlage – zu erkennen?

Unsere Software wäre bereits heute dazu in der Lage. Die zurzeit in den Anlagen verwendete Sensorbox müsste für den Einsatz beim Verbraucher noch optimiert werden. Wir hatten erste Gespräche mit Herstellern von Mülltonnen bezüglich deren Anforderungen. Doch bis das auch ein wirtschaftlicher Anwendungsfall wird, ist noch ein weiter Weg.

Inwieweit wäre Ihr Detektionssystem auch in der Lage, einzelne Abfallarten beim Verbraucher verursachergerecht zu selektieren und zu quantifizieren?

Unser System soll in Zukunft Abfallarten detektieren können; die Selektion ist aktuell jedoch kein Thema in unserer Planung.

Mittelfristig – schreiben Sie auf Ihrer Webseite – wollen Sie ein „weites Spektrum von Abfallströmen analysieren“. Für welche Bereiche sehen Sie zukünftige Geschäftsmöglichkeiten?

Unser Fokus liegt momentan auf Müllheizkraftwerken. Doch die Technik lässt sich auch auf andere Bereiche anwenden. Beispielsweise sind in der Abfallsortierung, aber auch der Klärschlammverwertung die Anforderungen ähnlich. Auch hier geht es um die Identifikation von Störstoffen und die Bestimmung der Abfallhomogenität oder des Heizwerts. Erste Versuche haben wir bereits unternommen. Mit verbesserter Identifikation einzelner Materialsorten wollen wir unsere Lösung mittel- bis langfristig auch in der Abfallsortierung und im Recycling einsetzen.

Foto: WasteAnt GmbH

Unsere Vision mit WasteAnt ist, möglichst stark zur Kreislaufwirtschaft beizutragen. Dafür kann die optimale Verbrennung von Abfällen allein nicht das Ziel sein. Wir wollen mit unseren KI-Lösungen möglichst viele Informationen aus dem Abfall für die Verwertungsanlagen sichtbar machen, sodass der Abfall bestmöglich verwertet oder recycelt werden kann und somit als wertvolle Ressource weiter genutzt werden kann.

Herr Storp, vielen Dank für das Interview!
(Das Interview führte Dr. Jürgen Kroll)

Das Gründungsteam von WasteAnt besteht aus COO Dr. Szymon Krupinski, CTO Arturo Gomez Chavez, CEO Technik Dr. Christian A. Müller, verstärkt durch CEO Business Maximilian Storp. Zusammengefunden hat das Team an der Jacobs University Bremen. Dort hat WasteAnt auch seinen Sitz. 2019 gewann das Start-Up den „Bremen Project Pitch“ des regionalen Ver- und Entsorgers swb in der Kategorie „Recycling“. Seit Juni 2021 wird WasteAnt mit dem EXIST-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima gefördert. Bei swb läuft seit geraumer Zeit ein Prototyp.

www.wasteant.com

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 09/2022, Seite 20, Foto: DSD)

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