Kraftstoffe aus Klärschlamm: EU-Forschungsprojekt abgeschlossen

Im Projekt „To-Syn-Fuel“ wurde ein vom Fraunhofer Institut Umsicht entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Kraftstoffen aus Biomassereststoffen im Demonstrationsmaßstab umgesetzt. Aus 500 Tonnen Klärschlamm wurden bislang mehr als 50.000 Liter biogenes Rohöl gewonnen.

Der Bau des Großdemonstrators im bayerischen Hohenburg (Landkreis Amberg-Sulzbach) wurde im Rahmen eines EU-Vorhabens elf europäischer Partner mit 12,5 Millionen Euro gefördert. Projektleiter Dr. Robert Daschner von Fraunhofer Umsicht fasst die Ergebnisse zusammen: „Mit To-Syn-Fuel konnten wir erstmals im großtechnischen Maßstab demonstrieren, dass sich biogene Rest- und Abfallstoffe in thermisch stabile, flüssige Bioöle umwandeln lassen. Die Weiterverarbeitung solcher Öle in einer Raffinerie schien vor wenigen Jahren noch undenkbar.“

Die Öle wurden im Projekt über einen Hydrierprozess zu Kraftstoffen umgesetzt. Sie erfüllen bei entsprechender Weiterverarbeitung die wichtigsten Normanforderungen für Benzin (EN 228) und Diesel (EN 590). Sie sind daher mischbar mit herkömmlichen Kraftstoffen und lassen sich ohne Motorumbauten bei gleicher Leistung einsetzen. Der CO2-Fußabdruck je gefahrenem Kilometer reduziert sich um über 85 Prozent. Wird der feste Kohlenstoff (Biokohle), der im Herstellungsprozess anfällt, eingelagert, lassen sich bilanziell CO2-negative Kraftstoffe erzeugen.

Die Fraunhofer-Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Herstellungskosten für den alternativen Kraftstoff je nach Größe der Produktionsanlage, der Art des Endprodukts und der Besteuerung mit denen fossiler Kraftstoffe vergleichbar sein könnten. Sie würden damit oberhalb von Ethanol und Biodiesel aus Energiepflanzen, aber unterhalb anderer alternativer Kraftstoffe beispielsweise aus Power-to-X Verfahren liegen. Im Gegensatz zu Biodiesel stehen sie aber nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Auch andere biogene Reststoffe verwertbar
In der Projektlaufzeit (2017 bis 2022) wurden mehr als 500 Tonnen Klärschlamm zu 50.000 Litern Öl umgesetzt, woraus sich zusammengenommen 40.000 Liter Benzin, Diesel und Kerosin gewinnen lassen. Neben Klärschlamm sind auch andere biogene Rest- und Abfallstoffe in dem Verfahren verwertbar, zum Beispiel Gärreste, Gülle, Bioabfälle oder Minderholz. Nach Berechnungen von Fraunhofer liegt das technische Potenzial solcher Rest- und Abfallstoffe allein in Deutschland bei mehreren Millionen Tonnen. Ein zusätzlicher Vorteil bei der Verwertung von Abfällen: Die Entsorgungskosten für die kommunalen Haushalte könnten gesenkt werden.

Foto: Fraunhofer Umsicht

Die Fraunhofer-Forscher sehen als Anwendungsgebiet vor allem Bereiche der Mobilität, die kurzfristig schwer elektrifizierbar sind, zum Beispiel den Flugverkehr, die Schifffahrt oder den schweren (Schienen-)Güterverkehr. Hier könnten schnell Emissionen eingespart werden. Die Neufassung der EU Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) sieht zudem vor, dass der Mindestanteil an fortschrittschlichen Bio-Kraftstoffen (das heißt zum Beispiel auf Basis von Abfall- und Reststoffen) von 0,1 Prozent im Jahr 2021 auf 1,75 Prozent im Jahr 2030 steigen soll.

Die im Fraunhofer-Verfahren hergestellten Öle können in konventionellen Raffinerieprozessen weiter- oder mitverarbeitet werden. Dadurch lässt sich neben Kraftstoffen das gesamte Produktspektrum einer Raffinerie abdecken. Auf diese Weise könnten zum Beispiel Chemikalien und Zwischenprodukte für Kunststoffe mit einem reduzierten CO2-Fußabdruck hergestellt werden.

Fraunhofer TCR-Technologie
Die Kerntechnologie, die im To-Syn-Fuel-Projekt zum Einsatz kommt, ist das von Fraunhofer entwickelte TCR-Verfahren (Thermo-Katalytisches Reforming). Biogene Reststoffe werden dabei unter Sauerstoffabschluss bei 450 Grad in einem Schneckenreaktor erhitzt. Es entstehen Dampf und ein Feststoff. Der Feststoff, von der Beschaffenheit ähnlich einer Pflanzenkohle, wird gezielt mit dem Dampf in Reaktion gebracht. Dadurch verbessert sich die Qualität der späteren Produkte Gas und Öl erheblich. Der Prozessdampf wird abgekühlt, sodass eine Öl-Wasser-Mischung auskondensiert. Das Wasser wird abgezogen und es verbleibt ein Bio-Rohöl, vergleichbar mit einem fossilen Mineralöl. Das restliche, wasserstoffreiche Synthesegas wird gereinigt und kann für Synthesen oder als Energieträger verwertet werden. Die Kohle lässt sich einlagern oder in anderen Anwendungen nutzen.

Das Fraunhofer Projektteam um Projektleiter Dr. Robert Daschner (3. von rechts) vor einem Serien-Pkw als Testfahrzeug. Der VW Passat absolvierte mit dem klimaneutralen Kraftstoff eine 2.000 Kilometer lange Rundtour durch Europa (Foto: Fraunhofer Umsicht )

2.000 Kilometer Rundtour
Zum Abschluss des Projekts wurde ein Serien-Pkw als Testfahrzeug mit dem erzeugten Kraftstoff auf eine über 2.000 Kilometer lange Rundtour durch Europa geschickt. Beim Stopover in Tschechien traf das Team den deutschen Rallye-Weltmeister Walter Röhrl, der sich von der Technologie beeindruckt zeigte. Beim Stop in München erläuterte Projektleiter Dr. Robert Daschner das Vorhaben dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. In der Folgewoche wurde das Testfahrzeug in Brüssel auf der EUSEW 2022 (European Sustainable Energy Week) präsentiert. Der Projektabschluss in Hohenburg fand Ende September statt.

Weiterentwicklung und Industrialisierung
Die Forschung und Entwicklung zur TCR-Technologie soll weitergehen und wird vom bayerischen Wirtschaftsministerium unterstützt. Aktuell beschäftigen sich die Fraunhofer Wissenschaftler intensiv mit der Nutzung der Kohle, der Verbesserung der Wasserstoffausbeute und der Gewinnung von Ammoniak aus stickstoffreichen Einsatzstoffen.

Die erste industrielle Anwendung der Technologie ist ebenfalls in Planung: Die Raffinerie Bayernoil will die Fraunhofer-Technologie in größerem Maßstab umsetzen und beabsichtigt bis spätestens 2030 bis zu 400.000 Tonnen (100.000 Tonnen Trockensubstanz) Klärschlamm zu verarbeiten. Das wären rund 40 Prozent des bayerischen Aufkommens. Erzeugt werden daraus vorrangig nachhaltige Flugkraftstoffe.

www.umsicht-suro.fraunhofer.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 11/2022, Seite 46, Foto: Fraunhofer Umsicht)