ARN Relatiedag 2022: Wie Elektrofahrzeuge künftig zerlegt werden

Der Verband Auto Recycling Nederland (ARN) veranstaltete nahe Apeldoorn eine Fachtagung zur Entwicklung im Automobilrecycling. Themenschwerpunkt war der Umgang mit zukünftigen End-of-Live-Elektrofahrzeugen, Hochvoltsystemen und Lithium-Ionen-Batterien. Die begleitende Ausstellung präsentierte auch Techniken zur Fahrzeug-Trockenlegung und Entsorgung von Altöl und Betriebsflüssigkeiten.

Der ARN Relatiedag 2022 am 6. Oktober brachte die Branche in der ehemaligen Sendeanlage Radio Kootwijk zusammen. Auf besonderes Interesse stieß der Vortrag von Bernd-Jan de Rooij vom Unternehmen Innovam, der über Möglichkeiten im Bereich der digitalen Ausbildung sprach. Innovam ist auf E-Learning spezialisiert. Zum Produktportfolio gehört auch eine Augmented Reality App, die Anwender Schritt für Schritt anleitet, wie Batteriepacks zu zerlegen sind. Voraussetzung für die Demontage von Antriebsbatterien ist eine gründliche Schulung. Nur dann kann der Prozess sicher ablaufen. Gemeinsam mit Innovam hat ARN ein Training zur Demontage von E-Fahrzeugen entwickelt. Durch die Teilnahme an dieser Schulung erfüllen Demontagebetriebe die aktuellen Anforderungen, die für Arbeiten an Elektrofahrzeugen gemäß der Norm NEN 9140 in den Niederlanden gelten.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen
Die Verbände und Organisationen Stiba, RDW (vergleichbar mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland) und ARN versuchen gemeinsam, gegen den unlauteren Wettbewerb im Automobilrecycling-Sektor vorzugehen. Dabei hilft der neue KZD-Standard in den Niederlanden, über den die Fachtagung informierte. KZD ist weithin als Qualitätssiegel für die Fahrzeug-Demontagebranche anerkannt. Die neue Norm wurde für die Demontage von elektrisch betriebenen Fahrzeugen modernisiert, vereinfacht und aktualisiert.

Wo der alte Standard drei Stufen besitzt, hat der neue Standard zwei: KZD und KZDPlus. Neben einer Reihe gesetzlicher und spezifischer Anforderungen für KZD weist der KZDPlus-Standard eine Reihe von Ergänzungen auf. Zum Beispiel können Demontagebetriebe, die Teile mit dem erhöhten KZDPlus-Level verkaufen, nachweisen, dass sie eine zuverlässige Adresse sind, um kontrolliert rückverfolgbare Gebrauchtteile mit Garantie zu kaufen. Ab dem 1. Januar 2023 können sich Unternehmen nach dem neuen KZD-Standard zertifizieren lassen. Willem Rijnberg, Division Manager Supervision and Assessment bei RDW, berichtete in diesem Zusammenhang über das Autodemontage-Zulassungssystem, das vor 25 Jahren in den Niederlanden eingeführt wurde und nun zum ersten Mal gründlich überarbeitet wird.

Papierbatterien und Superkondensatoren
Harm Bouma, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Kabel Premium Pulp and Paper in Hagen, Deutschland, stellte eine Alternative zur Lithium-Ionen-Akku-Technologie vor, die eine „Batterie-Revolution“ auslösen könnte. Nach Erkenntnis des Referenten „können innerhalb weniger Jahre 15 Millionen Autos nicht mehr gebaut werden, weil das Lithium für die Batterien nicht mehr da ist“. Der Bedarf an erneuerbarer Energie werde sich bis 2050 verzehnfachen.

Mit „Terralyte“ präsentiert Papierhersteller Kabel eine Papiersorte, auf der Energie gespeichert werden kann. „Die Technik, Energie auf Papier zu speichern, ist nicht neu“, erläuterte Bouma. „Neu ist der Maßstab, in dem wir diesen neuen Rohstoff für Batterien und Superkondensatoren produzieren können. Wir stellen gestrichenes Papier her. Das ist eine Technik, die wir normalerweise auch brauchen, um diesen schönen Glanz auf Fotos zu bekommen. Jetzt tragen wir nur noch eine andere Beschichtung auf – auf denselben Maschinen mit einer sehr großen Produktionskapazität.“

Die Hauptbestandteile des patentierten „Energiepapiers“ sind Kalziumkarbonat (oder Ton) und Aktivkohle – Hilfsstoffe, die vollständig biobasiert sind – sowie das Papier selbst. „So wird zukünftiges Recycling zum Kinderspiel“, ist Bouma überzeugt. Für die Produktion des Papiers sei keine kostspielige neue Fabrik erforderlich. Kabel könne buchstäblich morgen mit der Produktion des Halbzeugs beginnen. In einem Testlauf wurde ein Akkupack 30.000 Mal geladen und entladen. Danach scheint eine Restkapazität von über 90 Prozent vorhanden zu sein. Für die Entwicklung und den Vertrieb der eigentlichen Batterien und Superkondensatoren soll eine eigene Gesellschaft mit Partnern gegründet werden. Kabel rechnet 2023 mit der Markteinführung.

Neue europäische Vorschriften
Beim Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus sind vor allem drei Punkte zu beachten: Lagerung, Recycling und die neuen europäischen Vorschriften. Darauf machte Janet Kes, Batteries Manager bei ARN, zum Abschluss des Relatiedag 2022 in ihrem Vortrag aufmerksam: „Die derzeitige europäische Batterierichtlinie wird ab Frühjahr 2023 zu einer Verordnung, die alle Unternehmen betrifft, die irgendetwas mit Li-Ionen-Batterien zu tun haben. Außerdem wird es neue niederländische Vorschriften für die Lagerung geben, die PGS37. Unternehmen, die Batterien verwenden und lagern, müssen Maßnahmen ergreifen, um das Entzündungsrisiko so weit wie möglich zu begrenzen. Von Geschäften, die Hörgeräte verkaufen, bis hin zu Autodemontageunternehmen: Sie alle müssen sich damit auseinandersetzen.

Kes erwartet, dass die Nachfrage nach knappen Rohstoffen in den kommenden Jahren weiter steigen wird. In den Niederlanden müssten mehr Batterierecycling-Kapazitäten geschaffen werden. Die neuen Vorschriften würden dazu beitragen, dass sich das Batterierecycling vom heutigen linearen Bild zu einem Kreis entwickelt. „Die neue europäische Verordnung zielt darauf ab, die Haltbarkeit von Batterien über den gesamten Lebenszyklus zu verbessern – also von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Recycling. Die Idee ist auch, dass ein europäischer Batteriemarkt entsteht, der die europäische Abhängigkeit von den für die grüne Energiewende benötigten Rohstoffen verringert“, fasste Janet Kes zusammen. Die neuen Vorschriften würden der Autoverwertungsbranche einiges abverlangen. Zum Glück bleibe aber noch etwas Zeit, denn die Umsetzung hat einen mehrjährigen Zeitrahmen.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2022, Seite 20, Foto: ARN Auto Recycling Nederland B.V.)

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