Die Ver(mehr)wertung von Altfahrzeugen

Das Altfahrzeug-Recycling in Deutschland läuft schlecht. Denn das Potenzial zur Wiederverwertung von Altfahrzeug-Materialien wird hierzulande bei Weitem nicht ausgeschöpft. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Untersuchung von NRW.Energy4Climate und Wuppertal Institut.

Von den 2,8 Millionen im Jahr 2020 stillgelegter Fahrzeuge wurden rund 80 Prozent als Gebrauchtwagen exportiert, etwa 200.000 statistisch nicht erfasst und nur 400.000 Altfahrzeuge in anerkannten Demontagebetrieben behandelt. Diese rund 1.000 Unternehmen konzentrieren sich nur vereinzelt auf wiederverwendbare Bauteile, die überwiegend an 46 deutsche Schredderbetriebe weitergegeben werden, die die Reststoffe hauptsächlich downcyceln und energetisch verwerten. Ein Teil der potentiellen Sekundärrohstoffe landet in illegalen Demontagebetrieben, sodass sie dem Markt entzogen werden.

Metallanteil von 80 Prozent
Zahlen des Umweltbundesamtes für 2018 zufolge wurden insgesamt 40 Prozent der Altfahrzeuge illegal verwertet. Auf 2020 hochgerechnet, ergibt sich daraus eine Menge von 270.000 Fahrzeugen oder ein Gewicht von 300.000 Tonnen, die unterschiedlich fachgerecht demontiert, exportiert, irgendwo abgestellt oder geschredddert werden. Die in der Schredderanlage entstehende Leichtfraktion geht zu rund zwei Dritteln in die energetische Verwertung, die Mischmetalle der Schwerfraktion lassen sich noch einmal aufbereiten, während rund 70 Prozent des Schredderschrotts Eisen und Stahl ausmachen. Insgesamt besitzen Restkarossen einen Gesamtmetallanteil von 80 Prozent, der überwiegend stofflich behandelt wird; der Rest wird deponiert oder als Bergversatz oder im Deponiebau verwendet.

78 Prozent exportiert
Neuere Zahlen des Umweltministeriums und des Umweltbundesamtes aus 2022 zeigen, dass 78 Prozent der Altfahrzeuge exportiert werden. Hinzu kommen 150.000 statistisch nicht erfasste Gebraucht- und Altfahrzeuge, was mit der nicht anerkannten Demontage in illegalen Verwertungsbetrieben zusammenhängt und dadurch erleichtert wird, dass Behörden keinen Verwertungsnachweis bei Fahrzeugabmeldung verlangen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Demontage unwirtschaftlich ist, da sie die Kosten durch Materialien wie Metalle, Glas, Kunststoffe oder Seltene Erden nicht deckt. Außerdem sinkt seit Jahren die Zahl der Abnehmer, die sich für demontierte Teile interessieren – dahinter ist die durch steigende Komplexität der Fahrzeugtechnik und der Vormarsch der Elektromobilität schlechtere Reparierbarkeit in Eigenregie zu vermuten.

Fehlende Rückgewinnung
Durch unvollständige oder fehlende Demontage von Altfahrzeugen können viele Materialien nicht mehr rückgewonnen werden. So enthält die Schredderleichtfraktion mit Kunststoffen (28 Prozent), Gummi (23 Prozent), Glas (12 Prozent) und Metallen (11 Prozent) potenzielle Mengen an verwertbaren Materialien, die stattdessen als Ersatzbrennstoff in Zementwerken oder in der thermischen Abfallverwertung enden.

Downcycling erfahren Stahl-Legierungen, die zur Herstellung von Baustahl dienen, oder Aluminium-Legierungen, die beim Gießen von Motorblöcken Verwendung finden. Erhebliche Mengen an Neodym, Silber, Platinmetallen, Gold und Tantal und an kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit werden nach Darstellung der Autoren zumeist nicht gezielt zurückgewonnen. Obwohl der Einsatz von Postschredder-Technologie, die Restmetallgehalte unter einem Prozent separieren könn(t)e, technisch als machbar erscheint, ist eine Demontage unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht möglich. Und auch die Gesetzgebung kommt einer gezielten Wiederverwendung nicht entgegen, da sie beim Recycling nur das Gesamtgewicht der Altwagen berücksichtigt, nicht aber einzelne Materialien.

E-Autos mit Potenzial
Noch verfügen in Deutschland erst fünf Prozent der Altfahrzeuge über einen Hybrid-Motor (HEV) und gut zwei Prozent über einen batterieelektrischen Antrieb (BEV). Doch schon im vergangenen Jahr verzeichneten bei ihren Zulassungen die Hybrid-Fahrzeuge einen Zuwachs von 11,3 Prozent und die batteriegetriebenen von 32,2 Prozent.

Für 2030 wird in Deutschland für Neuzulassungen von Elektroautos mit einem Anteil von 35 bis 55 Prozent gerechnet, für 2040 mit 60 bis 80 Prozent. Das bedeutet im Jahr 2040 einen Anstieg auf jährlich 0,7 bis 1,5 Millionen Altbatterien – in BEV nahezu ausschließlich Lithium-Ionen-Batterien. Daraus resultieren gravierende Folgen für die Altfahrzeugverwertung, wird doch die Menge der Lithium-Altbatterien bis 2030 auf 200 bis 800 Kilotonnen und bis 2040 auf 1.100 bis 3.300 Kilotonnen geschätzt, für die entsprechende Recyclingkapazitäten vorgehalten werden sollten. Unter bestimmten Voraussetzungen steckt darin europaweit theoretisch ein wirtschaftliches Potenzial von 0,9 bis 1,3 Milliarden Euro, die Zweitnutzung von Altautobatterien nicht mitgerechnet.

Recycling – eine Kostenfrage
Zur Rückgewinnung aus Lithium-Ionen-Batterien stehen ein pyrometallurgisches Verfahren und eine Kombination aus mechanischer und hydrometallurgischer Behandlung zur Auswahl. Bei der Finanzierung von Batterie-Recyclinganlagen schlagen allerdings die Beschaffungskosten (rund 30 Prozent), die Transportkosten (etwa 30 Prozent) und die Arbeitskosten für manuelle Demontage (25 Prozent) zu Buche. „Diese Kosten müssten erheblich reduziert werden, um ein wirtschaftlich rentables Recycling zu ermöglichen“, rät die Studie und weist auf automatisierte Demontageanlagen hin, die durch erhöhten Mengeneinsatz wirtschaftlich rentabler arbeiten. Auch stehen Second-Life-Konzepte zur Verfügung, die durch Refurbishment, Reconditioning, Remanufacturing oder Umwidmung – das sogenannte Repurposing – einen erneuten Einsatz in Gebrauchtfahrzeugen ermöglichen. Ob benutzte Altauto-Batterien letztendlich zum Einsatz kommen können, hängt davon ab, ob sie die geforderte Recyclingeffizienz – Masse der Inputfraktionen geteilt durch die der Outputfraktionen – erreichen. 2026 soll hinsichtlich Produktion, Recycling und Wiederverwendung von Batterien eine erweiterte Herstellerverantwortung gelten, die gestaffelt steigende Sammelquoten je nach Batterietyp sowie einzelne Verwertungsquoten für wertvolle Materialien wie Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und Blei vorschreibt.

Pro und contra
Wie lässt sich eine effizientere Kreislaufwirtschaft für Altauto-Batterien schaffen? Die Studie schlägt dafür einige Lösungsansätze vor und wiegt deren Für und Wider ab. So spricht für eine Vertiefung der gegenwärtigen Demontagestruktur, die durch Einführung eines digitalen Produktpasses und einer digitalen Plattform zur Vermarktung erreicht werden könnte, beispielsweise die mögliche Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen. Dagegen lässt sich anführen, dass Kooperationen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – insbesondere internationale – herausfordernd bis schwer realisierbar sind.

Ein anderer Lösungsvorschlag betrifft die Möglichkeit, dass die Fahrzeughersteller die Demontage ihrer Produkte selbst übernehmen. Der positive Aspekt: hochwertige Komponenten und Materialien können effizient wiedergewonnen werden. Der negative: hohe Investitionskosten und hoher logistischer Beschaffungsaufwand. Vorgeschlagen wird drittens eine verbesserte Schreddertechnologie, durch die der hochwertige Primärrohstoff TSR40 gewonnen werden könnte. Der Pferdefuß: Kritische Rohstoffe können damit nicht zurückgewonnen werden. Denkbar wäre schließlich auch eine „Fahrzeugverwertungsfabrik, in der Altfahrzeuge in hoher Stückzahl und weitgehend automatisiert zerlegt und nach Möglichkeit in sortenreine Stoffströme sortiert werden“. Dem Argument einer dadurch möglichen Automatisierung von Prozessen und hohen Wirtschaftlichkeit lässt sich unter anderem ein hoher logistischer Aufwand und insgesamt niedrige Mengen an Altfahrzeugen entgegenhalten.

Radikale Änderungen geplant
Seit Juli 2023 liegt ein Vorschlag der EU-Kommission vor, der auf den Einsatz von mehr Sekundärrohstoffen in neuen Fahrzeugen abzielt, aber auch auf eine gesteigerte Sammlung sowie verbesserte Verwertung von Altfahrzeugen. Das Maßnahmenpaket schlägt leicht zugängliche und detaillierte Informationen der Hersteller zur Demontage vor, sieht eine vermehrte Verwendung von Sekundärmaterialien aus Altfahrzeugen vor, befürwortet eine genauere Abgrenzung von Recycling zu Reuse, Remanufacturing und Refurbishment und will eine Methode zur Berechnung und Verifizierung der Wiederverwendbarkeit, Rezyklierbarkeit und Verwertbarkeit von Fahrzeugen einführen. Der Kommission schwebt außerdem eine Überprüfung aller demontierten Komponenten auf Wiederverwendung, Remanufacturing/Refurbishment, Recycling oder gesonderten Behandlung vor. Sie möchte die Ausfuhr von nicht mehr verkehrstauglichen Fahrzeugen verbieten, ein digitales Dokument als Verwertungsnachweis für Altfahrzeuge einführen, eine erweiterte Herstellerverantwortung zur besseren Sammlung und Verwertung festlegen und schließlich schrittweise auch andere Fahrzeugklassen wie Motorräder, Lastkraftwagen, Busse sowie Anhänger von der neuen EU-Altfahrzeug-Richtlinie erfasst sehen.

Es wird nach Ansicht der Autoren der Studie darauf ankommen, inwieweit die geäußerten Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden können und ob die einzelnen Maßnahmen in eine übergeordnete und sektorenübergreifende Kreislaufstrategie einzubetten sind.

Die Studie „Die Verwertung von Altfahrzeugen“ kann unter https://www.rheinisches-revier.nrw/fileadmin/user_upload/2023_Fahrzeugverwertung_im_RR_cr-in4climateRR.pdf heruntergeladen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 10/2023, Seite 30, Foto: Andi Karg)