Anlagenbau Günther GmbH: „Die Wirtschaftlichkeit der Maschinen ist unser vorrangiges Ziel“

In der Mitte Deutschlands verwurzelt, produziert und vertreibt die Anlagenbau Günther GmbH innovative Recyclinglösungen, die für das Qualitätslabel „Made in Germany“ stehen und international gefragt sind. Ihr Portfolio umfasst Separations-, Sieb- und Fördertechnik, die ständig weiterentwickelt wird. EU-Recycling hat mit Geschäftsführer Bernd Günther über die jüngste Entwicklung des Herstellers gesprochen – den Splitter H3 Spiralwellenseparator.

Herr Günther, willkommen zum Interview! Als wir vor zehn Jahren bei Ihnen zu Besuch waren und das Werk in Wartenberg besichtigten, äußerten unsere Gesprächspartner, dass der Spiralwellenseparator Splitter noch einiges bewegen wird. Seit der Markteinführung 2008 ist das patentierte Siebsystem von Anlagenbau Günther in vielen Recyclingbetrieben etabliert.

Wie erklärt sich dieser andauernde Erfolg?

Die Technologie des Splitters ist einfach einzigartig. Das patentierte Siebsystem ist zunehmend verstopfungssicher und kann somit fast jedes Material sieben. Die Technologie beruht auf einer Trennung nach Größe, Gewicht und Form. Damit haben wir ein System, welches sehr leistungsstark, robust, zeitgleich auch verstopfungsfrei und somit wartungsfreundlich ist.

Bernd Günther, Geschäftsführer Anlagenbau Günther GmbH (Foto: Anlagenbau Günther GmbH)

In welchen Recycling-Anwendungsbereichen wird der Splitter besonders nachgefragt?

Der Splitter hat ein weites Einsatzspektrum. Durch die verschiedenen Varianten und Bauweisen kann man den Splitter so gestalten, dass er rein theoretisch überall eingesetzt werden kann, wo hakeliges, scharfkantiges oder wickelndes beziehungsweise klebriges, also kritisches Material getrennt werden soll. Eine der häufigsten Einsatzgebiete ist bei der Aufbereitung von Haus- und Gewerbemüll und bei der von Altholz. Hier wird das System als erste Vorabscheidung bei zerkleinertem, aber auch unzerkleinertem Material eingesetzt.

In welchen Ländermärkten besteht besondere Nachfrage?

Tatsächlich sind wir mit unseren Splittern weltweit vertreten. Die größte Nachfrage beziehungsweise die häufigsten Anfragen haben wir aus Europa.

Die jüngste Entwicklung aus dem Hause Günther ist der Splitter H3. Wodurch unterscheidet sich der neue Spiralwellenseparator von anderen Modellen der Baureihe?

Der Splitter H3 ist grundsätzlich für die Marktbereiche Baumischabfälle und Steine-Erden konzipiert. Hier haben wir es vorrangig mit schweren, teils sehr klebrigen und auch an den Siebflächen anhaftenden Materialien zu tun.

Inwieweit haben Kunden zur Konzeption des neuen Spiralwellenseparators beigetragen?

Der Prototyp des Splitter H3 war in der Konzeptphase regelmäßig bei Kunden zu Vorführungen und Materialtests im Einsatz. In dieser Phase war es uns noch möglich, kundenseitige Anforderungen mit in die Entwicklung einzubeziehen. Dieser Prozess ist fortlaufend. Wir arbeiten trotz Markteinführung weiter eng mit unseren Kunden zusammen, um deren Anforderungen in unsere laufenden Entwicklungen mit einzubeziehen.

Wodurch zeichnet sich der Splitter H3 aus?

Der Splitter H3 zeichnet sich durch mehrere Eigenschaften aus, denn in ihm wurden viele Erkenntnisse und Wünsche vereint. Im Vergleich zu unserem Splitter X2, der mit einem Raupenfahrwerk ausgestattet ist, ist der Splitter H3 eine hakenliftmobile Variante. Es wurden hierbei neben dem neuen, leckagefreien Aufgabebunker zwei weiterentwickelte Siebsysteme aus unserem Haus verbaut. Ebenso können wir nun einteilige, stufenlos mehrfachknickende und schwenkende Austragebänder anbieten, die dem Kunden eine erhebliche Flexibilität und Leistung beim Austrag der drei erzeugten Siebfraktionen sicherstellen.

Foto: Anlagenbau Günther GmbH

Dadurch ist sie kompakter und fast halb so schwer wie unser 2-Fraktionen-Schwerlastsieb Splitter X2. Eine Straßenzulassung ist durch die Hook-Bauart nicht notwendig. Die Maschine kann vorrangig mit einem Bagger bei typischen Löffelgrößen von 1,5 bis 2,0 Kubikmetern von bis zu drei Seiten beschickt werden. Ebenso kann man auch problemlos mit baustellentypischen Radladern von der Stirnseite aufgeben. Die hierfür notwendige praktikable Aufgabenhöhe wurde im Vergleich zu unseren anderen radmobilen Maschinen der L3 Baureihe stark reduziert. Der robuste und leckagefreie Dosierbunker kann mit seiner Spiralwellenfördereinheit schweres Material in der gewünschten Geschwindigkeit dosieren, wie es für den Siebprozess sinnvoll ist. Die abgestimmte Kombination von zwei unterschiedlichen Siebsystemen liefert am Ende drei Nutzfraktionen.

Die erste Siebstufe mit dem Splitter Twin Wave sorgt für eine intensive Verweildauer auf dem Siebdeck und damit verbunden einer optimalen und sicheren Trennung bei hohen Siebleistungen. Das dadurch erzeugte Unterkorn wird direkt auf ein weiterentwickeltes, selbstreinigendes Sternsieb gegeben und in eine zusätzliche Unterkorn-Fraktion getrennt. Die weiterentwickelten Sterne können mit ihrer konischen Form selbst schwierigste Materialien effektiv sieben, ohne sich zuzusetzen. Ihre neue Formgebung verhindert aktiv die Scheibenbildung bei klebrigem Material. Damit ist der Splitter H3 der Experte für schweres, klebriges und teils unzerkleinertes Material, und das bei engsten Platzverhältnissen.

Nahezu alle schwer siebfähigen Materialien können der Maschine aufgegeben werden. Wie erfolgt beispielsweise bei Baumischabfällen die Wertstoffseparation?

Eine Separation ausschließlich nach Wertstoffen ist auch mit dem Splitter nicht möglich. Mit dem Splitter H3 können aber drei Nutzfraktionen durch mechanische Trennung anhand der abgereinigten Korngröße erzeugt werden. Durch eine individuelle Vorauswahl von Siebschnitt und verstellbaren Geschwindigkeiten kann die Maschine auf das aufgegebene Material eingestellt werden.

Welche Stundendurchsätze können – je nach Material – erzielt werden?

Je nach Materialart und Zusammensetzung kann ein maximaler Durchsatz von 100 Tonnen pro Stunde erreicht werden.

Wie können Maschinen-Stillstände durch Störstoffe ausgeschlossen werden?

Tatsächlich können diese nie komplett ausgeschlossen werden. Die Splitter-Technologie ist so konstruiert, dass Störstoffe jeglicher Art kein Problem darstellen, da diese mit der groben Fraktion abgesiebt werden. Selbst große und schwere Steinbrocken sind hier kein Hindernis. Auch die weiterentwickelte Sternsiebtechnik, wie sie im Splitter H3 verbaut ist, sorgt für weniger Maschinen-Stillstände. Durch ihre neue konische Form verhindert sie Scheibenbildung und reinigt sich selbstständig.

Wartungsfreie Maschinen gibt es nicht, aber wartungsarme. Was umfassen Ihre Service- und Support-Leistungen und inwieweit können sich Anwender im Bedarfsfall selbst behelfen?

Unsere Maschinen sind alle so gebaut beziehungsweise optimiert worden, dass man sie als wartungsarm bezeichnen kann. Unter anderem verwenden wir wartungsfreie Lager, die früher häufig zu Serviceeinsätzen geführt haben.

Foto: Anlagenbau Günther GmbH

Generell gilt, dass, sobald ein Problem auftritt, die Kunden auf unser Know-how zurückgreifen können. Unsere Servicemitarbeiter tun alles, was möglich ist, um Stillstände in den Anlagen zu vermeiden. Wenn es trotzdem zu Stillständen kommt, setzen wir alle Hebel in Bewegung, um den Fehler schnellstmöglich zu beheben. Ob elektrisch oder mechanisch: In unserem Kompetenzzentrum analysieren wir und beheben wir vielfältige Fehler. Ob Verschleißteile getauscht werden müssen oder weitere Prozessoptimierungen nötig sind: Bei unserem After-Sales-Service sind unsere Kunden an der richtigen Adresse. Wir beraten unsere Kunden dahingehend, dass durch Einsatz angepasster Teile und Materialien die Verschleißkosten der Anlage und somit auch die Betriebskosten niedrig bleiben. Denn die Wirtschaftlichkeit der Maschinen ist das vorrangige Ziel.

Das Lieferprogramm von Anlagenbau Günther umfasst auch und in Kooperation mit dem österreichischen Hersteller Komptech Stern- und Scheibensiebe, Fördertechnik und nicht zuletzt den Annahmedosierer Taker. Was gibt es in diesen Produktsegmenten Neues?

Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Komptech haben wir die vergangenen eineinhalb Jahre im Bereich der Sternsiebtechnologie an einer Nachfolgemaschine der Multistar L3 gearbeitet. Diese wurde erstmalig auf der diesjährigen IFAT in München vorgestellt. Die Multistar L3 ist eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Multistar-Sternsiebreihe. Eine hohe Durchsatzleistung über einem breiten Anwendungsbereich, verbunden mit einer hervorragenden Trennschärfe dank unserem Reinigungssystem, machen sie zur leistungsstärksten Maschine ihrer Klasse. Verkleidungsteile dienen nicht nur dem Schutz der Komponenten, sondern sorgen als Wartungstüren für einen optimalen Zugang. Weitere Highlights sind eine noch größere Flexibilität durch einfach tauschbare Siebdecks in Kassettenbauweise, höher belastbare Komponenten beim Siebdeckantrieb, dazu ein neues Austragssystem der Materialien und ein Bedienkonzept zur noch intuitiveren Maschinensteuerung.

Welche (bau-)technischen Trends beobachten Sie bei Siebanlagen – wohin geht die Entwicklung?

Bautechnisch sehen wir aktuell einen Trend zur Mobilmaschine in der hakenliftmobilen Variante, also in der Hook-Bauweise. Die Maschinen können flexibel aufgebaut werden und sind nicht ortsgebunden. Hierdurch können Kunden Transportkosten- und -zeiten erheblich reduzieren. Im Vergleich zu stationären Anlagen oder auch zu Maschinen mit Track-Fahrwerk benötigen sie weniger Genehmigungsaufwand und auch keine Straßenzulassung. Als generellen Trend in allen Bereichen beobachten wir weiterhin das Thema Energieeffizienz, welches bei uns natürlich ebenfalls im Fokus steht.

Inwieweit ist Anlagenbau Günther gegenüber Lieferengpässen bei Technik und Materialien gefeit?

Wie bei vielen anderen Marktbegleitern liegen mit Beginn der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg und den daraus resultierenden Folgen herausfordernde Monate hinter uns. Neben einer geänderten Beschaffungsstrategie haben wir unsere Lagerbestände deutlich erhöht, um unsere Lieferfähigkeit zu gewährleisten. Trotz aller Bemühungen unseres gesamten Teams sind auch wir am Ende des Tages nicht vor vereinzelten Lieferengpässen gefeit. Wir sind als mittelständischer Anlagenbauer dennoch sehr gut durch die krisengeprägte Zeit gekommen und konnten unsere Kunden stets bedienen.

Inwieweit haben Faktoren wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Industrie 4.0 zu technischen Weiterentwicklungen und Optimierungen Ihrer Maschinen und Anlagen geführt?

Die Digitalisierung und Industrie 4.0 haben einen hohen Einfluss auf unsere Maschinen und insbesondere auf die hausinternen Prozesse. Hier ist sehr viel im Umbruch, um am Puls der Zeit zu bleiben – sei es die Einführung eines neuen ERP-Systems, die Umstellung der Lagerhaltung auf Lean-Lifte oder auch die Nutzung einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) in unseren Maschinen. Damit sind unter anderem in den letzten Jahren die Grundvoraussetzungen für weitere Digitalisierungsmaßnahmen geschaffen worden. Durch den Einsatz einer netzwerkfähigen SPS haben wir auf Maschinenseite einen großen Schritt in Richtung Industrie 4.0 gemacht. Fernwartung und online-Auswertungsmöglichkeiten sind damit zum Standardprozedere für unsere Maschinen und Anlagen geworden.

Immer mehr mobile Recyclingmaschinen laufen elek­trisch. „Stromer“ sind zunehmend gefragt, und das nicht erst seit der Energiekrise. Welche Lösungen – auch zur Um- und Nachrüstung älterer, dieselbetriebener Kunden-Anlagen – kommen von Anlagenbau Günther?

Wir sind ein Vorreiter im Bereich der dieselelektrisch-betriebenen Maschinen. Diese haben wir mittlerweile bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt. Wir haben unsere Maschinen bereits zu Zeiten dieselelektrisch ausgestattet, als die meisten Marktbegleiter ihre Maschinen noch dieselhydraulisch ausgelegt hatten. Unsere Maschinen haben daher seit jeher einen geringen Verbrauch und können mittels Direktanschluss bereits heute, wenn kundenseitig gewünscht, zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden. Denn elektrische Antriebe haben in puncto Wirkungsgrad, Wartungsaufwand und regelbarer Leistungsentfaltung erhebliche Vorteile gegenüber dieselhydraulischen Systemen. Darüber hinaus emittiert ein Elektroantrieb keine umweltschädlichen Emissionen.

Die Technik wird nicht stehen bleiben. Welche Pläne und Ziele haben Sie für die Zukunft?

Wir werden unsere Technologien noch weiter entwickeln, um diese noch besser, noch effizienter und noch wirtschaftlicher zu machen. Sicher spielen Digitalisierung und auch Künstliche Intelligenz zunehmend eine Rolle. Dabei besteht aus Kundensicht sicher ein Bedarf an einer vorrausschauenden Wartungsüberwachung, um Anlagenstillstände weiter zu reduzieren und die Wartungsintervalle planbarer zu machen. Neben der Weiterentwicklung der Maschinentechnik als solcher werden wir uns auch in weitere, neue Anwendungsgebiete hinein entwickeln, wie zum Beispiel in die Baumischaufbereitung. Hier bauen wir Anfang des kommenden Jahres in Zusammenarbeit einem Schlüsselkunden im süddeutschen Raum eine komplette stationäre Anlage zur Aufbereitung von Baumischabfällen, deren Bauart bis dato einzigartig ist.

Unser übergreifendes Ziel bleibt es weiterhin, technisch-innovative Lösungen für unsere Kunden zu bieten, um die Materialströme in der Abfallwirtschaft zu optimieren.

Herr Günther, vielen Dank für das Interview!
(Das Interview führten Marc Szombathy und Dr. Jürgen Kroll)

www.albg.eu

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 12/2022, Seite 40, Foto: Anlagenbau Günther GmbH)