Containern nicht generell unter Strafe stellen

FDP und Grüne wollen das Strafrecht ändern: Wer noch genießbare Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten und Discountern holt – um sie Hilfsorganisationen und Bedürftigen zu überlassen –, soll in den meisten Fällen nicht mehr belangt werden.

Der Vorstoß der Bundesminister Marco Buschmann (Justiz, FDP) und Cem Özdemir (Ernährung und Landwirtschaft, Bündnis 90/Die Grünen) sieht eine Bestrafung in der Regel nur noch bei Hausfriedensbruch vor, wenn dieser den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Wenn also zum Beispiel auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufgehebelt und beschädigt wird. Wer hingegen über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer eines Supermarktes oder Discounters zu kommen, soll nicht mehr belangt werden. Buschmann und Özdemir greifen hier einen Vorschlag des Landes Hamburg von 2021 auf. Eine ähnliche Initiative gegen Lebensmittelverschwendung scheiterte auf der Justizministerkonferenz 2019.

Gegen die Legalisierung
Der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) spricht sich gegen die Legalisierung des Containerns aus – „unter welchen Voraussetzungen auch immer“. In einer ersten Reaktion zum Vorstoß der Bundesminister äußerte BVLH-Hauptgeschäftsführer Franz-Martin Rausch gegenüber dem „RND Redaktionsnetzwerk Deutschland“, dass es keinen rechtlichen Handlungsbedarf gebe. Es seien ausreichend Möglichkeiten vorhanden, „allen denkbaren Fallkonstellationen im Einzelfall Rechnung zu tragen.“

Bestimmte Lebensmittel in Abfallbehältern würden außerdem eine potenzielle Gesundheitsgefahr darstellen. So könnten mit Glas- oder Metallsplitter verunreinigte Lebensmittel aus Warenrückrufen darunter sein. Für Rausch ist Containern keine wirksame Maßnahme gegen die Lebensmittelverschwendung. Die im Handel in Deutschland entstehenden Lebensmittelverluste bezifferte er mit lediglich sieben Prozent. Franz-Martin Rausch abschließend: „Wenn Staat und Politik wirksam die Lebensmittelverschwendung reduzieren wollen, sollten Lebensmittelunternehmen und gemeinnützige Organisationen dabei unterstützt werden, mehr verzehrfähige Lebensmittel zu spenden und an Bedürftige zu verteilen.“

Hintergrund
Supermärkte und Discounter werfen Lebensmittel meist wegen abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdaten, Druck- und Fäulnisstellen oder als Überschuss weg. Viele dieser Lebensmittel sind jedoch ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen und ohne erhöhtes gesundheitliches Risiko eine gewisse Zeit genießbar. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) fielen im Jahr 2020 in Deutschland rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an: 78 Kilogramm je Einwohner – inklusive Verdorbenem. Die „Nationale Strategie zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung“, die das Bundeswirtschaftsministerium 2019 vorlegte, sieht bis 2030 die Halbierung der pro Kopf weggeworfenen Lebensmittel vor.

In der Rechtspraxis wurde das Containern oder sogenannte Mülltauchen bereits in der dritten Strafinstanz und sogar schon vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Die Suche nach weggeworfener Ware in Abfallcontainern von Supermärkten oder Fabriken kann gemäß § 123 Abs. 1 StGB (Hausfriedensbruch) und/oder nach herrschender Meinung gemäß § 242 StGB (Diebstahl) und gegebenenfalls § 243 StGB verboten sein. Eine Strafbarkeit kommt vor allem bei der Überwindung eines physischen Hindernisses, das einem Container vorgelagert ist, als Hausfriedensbruch oder als mitunter schwerer Diebstahl in Betracht. Nach dem deutschen Abfallrecht sind Abfälle, die in entsprechenden Behältern auf privaten Grundstücken wie zum Beispiel Supermärkten oder Fabriken gesammelt werden, bis zur Abholung durch einen kommunalen oder privaten Entsorgungsträger Eigentum des Abfallbesitzers beziehungsweise Grundstückseigentümers. Juristische Minderheitsmeinungen gehen von einer Straflosigkeit aus und argumentieren das mit einem vorgelagerten Eigentumsverlust durch Dereliktion – das Wegwerfen als konkludente Willenserklärung. Von den meisten Juristen wird das bislang abgelehnt. (Quelle: Wikipedia)

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2023, Seite 7, Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke / pixabay.com)