Der Batteriepass für Elektroautos kommt
Mit dem Batteriepass könnten Recyclingunternehmen die notwendige Infos erhalten, um den Zustand einer Batterie einzuschätzen.
Mehr Transparenz, Nachhaltigkeit, Sicherheit: Der neue Batteriepass soll den Umgang mit Batterien aus E-Autos grundlegend verändern. Gleichzeitig wirft die Umsetzung bei vielen betroffenen Unternehmen nach wie vor Fragezeichen auf. Dr. Dominic Fertig, Physiker und Experte für Batterierecycling bei der Novum engineering GmbH in Dresden, hat die Konzeption eines Entwurfs für den Batteriepass (siehe Kasten) selbst begleitet und erklärt die Hintergründe.
Herr Fertig, warum ist der Batteriepass so wichtig?
Für unsere Novum-Partner, wie das Recyclingunternehmen Umicore, ist der Batteriepass ein absoluter Game Changer. Die Batterien von E-Autos sind heute je nach Hersteller und Modell komplett unterschiedlich. In Hinblick auf das Recycling bedeutet das eine enorme Herausforderung. Wenn eine Batterie zu Umicore kommt, war sie für die Mitarbeiter bisher wie eine Blackbox. Niemand konnte genau wissen, was verbaut wurde, ob die Batterie möglicherweise defekt ist und explodieren oder in einem zweiten Lebenszyklus wieder verwendet werden kann.
Eine Automatisierung des Recyclingprozesses war dadurch nicht möglich. Mit dem Trend zur E-Mobilität werden diese Batterien immer mehr. Schon heute stapeln sich gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien in den Lagern der Hersteller von E-Autos. Das heißt, hier rollt eine riesige Welle an Fragen und Problemen auf uns zu. Mit dem Batteriepass erhalten Recyclingunternehmen – so die Theorie – die notwendigen Infos, um den Zustand einer Batterie einschätzen zu können. Zudem wird dadurch für die Hersteller ein Anreiz geschaffen, ihre Batterien zu vereinheitlichen.
Der neue Batteriepass wurde aber nicht nur in Hinblick auf das Recycling entwickelt, oder?
Richtig! Leider ist vielen relevanten Akteuren noch nicht klar, wie gefährlich die Batterien aus E-Autos auch abseits der Nutzung sein können. Stellen Sie sich vor, ein Laster mit solchen Batterien gerät mitten in der Stadt in Brand, weil eine einzige Batterie defekt war. Das bedeutet, Sie haben einen Metallbrand mit Temperaturen von über 1.000 Grad – inklusive giftiger Dämpfe. Dieser Brand kann nicht gelöscht werden. Die Batteriedaten sind also auch wichtig für den Transport. Oder denken Sie an kleine freie Werkstätten, die ebenfalls mit den neuen E-Autos umgehen müssen. Auch für deren Mitarbeiter sind die Batteriedaten ein wichtiger Sicherheitsfaktor.
Das klingt verständlich. Trotzdem bereitet die Umsetzung aktuell vielen Herstellern noch Kopfzerbrechen. Woran liegt das?
Batterien gibt es zwar schon seit 200 Jahren. Den genauen Zustand von Batterien, den sogenannten „State-of-Health“ zu vermitteln, war dennoch bisher äußerst schwierig. Das Recyclingunternehmen Umicore arbeitet jetzt mit Novum zusammen, um durch Impedanzmessung und die Analyse durch eine Künstliche Intelligenz ein Abbild der Batteriechemie zu erhalten und so wichtige Kenngrößen zu Widerstand, Restkapazität und Transportsicherheit der Batterien zu gewinnen. Viele andere Unternehmen haben diese Möglichkeit noch nicht. Das erschwert die Ermittlung der notwendigen Daten für den Batteriepass enorm. Insofern müssen wir jetzt Lösungen finden, um die neue Technologie von Novum möglichst breit verfügbar zu machen.
Welche Themen im Kontext von Batterien und Nachhaltigkeit werden für Unternehmen aus Ihrer Perspektive ansonsten immer wichtiger?
Bisher wird der Punkt Recycling bei der Herstellung von Batterien für E-Autos nicht ausreichend bedacht. Ich denke, dass die Kosten für die Herstellung steigen werden. Für Recycler lohnt es sich oft gar nicht mehr, die Batterien auseinanderzunehmen und die Reststoffe zu verwerten, weil viel verklebt ist oder wertlose Materialien verbaut wurden. Früher bekamen die Hersteller Geld für die Batterien, die sie ins Recycling gaben. Heute müssen sie bei bestimmten Batterietypen bereits dafür zahlen.
Aber nicht nur das Thema Recycling ist wichtig im Kontext von Batterien. Auch Ressourcenknappheit spielt eine zunehmende Rolle. Die neue Technologie von Novum kann langfristig dazu beitragen, dass Batterien kompakter gebaut werden, weil Hersteller besser einschätzen können, wie sich Restkapazität und Lebensdauer entwickeln.
Über die Novum engineering GmbH
Das Unternehmen mit Sitz in Dresden entwickelt Tools und KI-Lösungen zur Ermittlung der Funktionstüchtigkeit, Kapazität und Lebensdauer von Batterien. Energiespeicher aller Art sollen länger und intensiver genutzt werden können und ein zweites oder sogar drittes „Leben“ erhalten – im eigenen Unternehmen oder als Bestandteil von Großspeichern für Windkrafträder und Solaranlagen.
Quelle: Novum engineering GmbH
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2023, Seite 23, Abb.: Battery Passport / CodeSmith Technology Ltd.)