„Die Abbruchbranche ist gut aufgestellt“

Am 3. März fand erneut die Fachtagung Abbruch in Berlin statt. 117 Aussteller und über 1.200 Teilnehmende waren in diesem Jahr der Einladung des Deutschen Abbruchverbandes (DA) gefolgt und informierten sich in den Veranstaltungshallen der Station-Berlin über aktuelle Entwicklungen, technologische Neuheiten und interessante Projekte. Der Branchen­event bot wieder Gelegenheit zum intensiven Austausch und Netzwerken.

Nachhaltigkeit und Baustoffrecycling waren die vorrangigen Themen. DA-Geschäftsführer Andreas Pocha betonte in seiner Begrüßungsansprache, dass die Abbruchbranche schon lange für den Umweltschutz arbeitet; schließlich würden in Deutschland über 90 Prozent aller mineralischen Bauabfälle bereits wiederverwertet, beim Bauschutt seien es sogar 94 Prozent. Die Europäische Union fordere beim mineralischen Bauschutt gerade mal eine Wiederverwertungsquote von 70 Prozent. „Recycler und Abbrecher sind also die wahren Umweltschützer“, merkte Pocha an. Die Branche sei gut aufgestellt in Hinblick auf die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft.

Dr. Hajo Schumacher plädierte dafür, gut auf unsere Demokratie aufzupassen und die Vorteile nicht aus dem Blick zu verlieren (Foto: Jens Jeske)

Chance für Neues
Die Keynote wurde in diesem Jahr von dem Journalisten und Publizisten Dr. Hajo Schumacher gehalten. Der ehemalige Spiegel-Autor schlug den Bogen von den maroden Brücken in Deutschland zu den großen Krisen dieser Zeit. Schumacher sieht in der Zeit von Ukraine-Krieg und Klimakrise die deutsche Gesellschaft am Scheideweg und plädiert dafür, Politikern mehr Verständnis entgegenzubringen. Die Politik könne nicht besser sein als das Volk, das sie wählt – und Wähler, die in ihrer Mehrheit derzeit zu den Älteren gehören, wollten auch nicht unbedingt dringliche Probleme wie die Klimafrage oder die Digitalisierung als allererstes lösen. Aber Krisen würden Möglichkeiten eröffnen. Schumacher hofft, dass die jetzige Regierung die Chancen nutzt, die sich durch die Krisen ergeben, um Deutschland in eine gute Zukunft zu führen. Auf unsere Demokratie sollten wir gut aufpassen und die Vorteile nicht aus dem Blick verlieren. Denn Demokratien können Fehler korrigieren. Diktaturen können das nicht.

Ersatzbaustoffverordnung in der Kritik
Mehrere der folgenden 13 Fachvorträge gingen darauf ein, welche Herausforderung der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit auch für die Abbruchbranche bedeutet. Sarah Sinnwell und Michael Wagner von BST Becker Sanierungstechnik GmbH in Bottrop beschrieben die aufwändigen Wege, die beschritten werden müssen, wenn ein Gebäudeabbruch durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert werden soll. Der Jurist Dr. Peter Kersandt von der Kanzlei AVR Berlin ging auf die Herausforderungen ein, die durch die am 1. August 2023 in Kraft tretende Ersatzbaustoffverordnung auf die Branche zukommen. Eines der Probleme: Noch immer fehlt es an einer rechtssicheren Regelung zum Thema Abfallende von Ersatzbaustoffen.

Für DA-Geschäftsführer Andreas Pocha sind Recycler und Abbrecher die wahren Umweltschützer (Foto: Jens Jeske)

RC-Baustoffe sind gut, weil sie geprüft sind
Thomas Fischer von der QUBA GmbH legte dar, welche Wege für die Zertifizierung von Sekundärbaustoffen gegangen werden müssen, bevor diese in technischen Bauwerken oder in Bauprodukten verwendet werden dürfen. Die Zertifizierung durch die QUBA ist derzeit die einzige, die bundesweit gültig ist.

Wie dringend diese Baustoffe gebraucht werden, diskutierten Corinna Lee Schmitz und Gianna Kung vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Die gesamte Landesverwaltung NRW will bereits im Jahr 2030 klimaneu­tral wirtschaften. Der Baubereich soll seinen Anteil mithilfe von recycelten Baustoffen, der Wiederverwertung von Bauteilen und der Nutzung von recyceltem und umweltfreundlichem Beton leisten.

Anspruchsvolle Großprojekte
Welche Herausforderungen gerade Großprojekte mit sich bringen, zeigten unter anderem die Vorträge von Robert Oettinger von der Oettinger GmbH über den Rückbau des KSC-Stadions, der bei laufendem Spielbetrieb stattfinden musste, und von Stefan Scholz und Kurt Bicker von der Firma Max Wild GmbH über den Abbruch der Neckartalbrücke bei Heilbronn. Hierfür durfte für gerade mal 48 Stunden der Schiffsverkehr gestoppt werden. Schließlich zeigten die Mitglieder des Sprengausschusses des DA noch eindrucksvoll am Beispiel des „Weiße Riesen“-genannten Wohnkomplexes in Duisburg, dass Sprengen auch in enger Nachbarschaft zu anderen Häusern sicher möglich ist und gegenüber einem herkömmlichen Abbruch einen großen Zeitvorteil hat.

Die nächste Fachtagung Abbruch findet am 22. März 2024 wieder in der Station-Berlin statt.

www.fachtagung-abbruch.de

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2023, Seite 32, Foto: Jens Jeske)