Reform des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) nimmt weitere Hürde

Am 18. April 2023 stimmte das Europäische Parlament der Reform zu. Künftig soll der Ausstoß von Kohlendioxid für Unternehmen und Verbraucher in der EU deutlich teurer werden. Die Europäische Kommission muss 2026 über die mögliche Einbeziehung der thermischen Abfallverwertung in das EU-ETS ab 2028 entscheiden.

Beim EU-ETS handelt es sich um ein Kernstück des EU-Klimapakets „Fit-for 55“, welches das Ziel verfolgt, die Nettotreibhausgasemissionen innerhalb der Europäischen Union bis spätestens 2050 auf null zu reduzieren. Das Emissionshandelssystem sieht dabei vor, dass energieintensive Industrien und Stromerzeuger sogenannte CO2-Zertifikate („Veschmutzungsrechte“) erwerben müssen, um CO2 ausstoßen zu dürfen. Dies soll einen Anreiz dafür schaffen, Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Dieses System wird in entscheidenden Punkten überarbeitet.

Bei der Einigung zur Verringerung der Emissionen um 62 Prozent haben sich die drei beteiligten EU-Institutionen genau in der Mitte getroffen: Kommission und Rat hatten ursprünglich eine Senkung in Höhe von 61 Prozent gefordert, während das Parlament für eine Senkung in Höhe von 63 Prozent geworben hatte.

Thermische Abfallverwertung
In Sachen Einbeziehung der thermischen Verwertung in das EU-ETS sieht die Einigung lediglich vor, dass die EU-Mitgliedstaaten ab 2024 einen Bericht über die im Rahmen der thermischen Verwertung entstandenen Emissionen erstatten müssen. Anhand dieser Angaben soll die Europäische Kommission dann bis Mitte 2026 einen Bericht über die grundsätzliche Möglichkeit der Einbeziehung der thermischen Verwertung in das EU-ETS ab 2028 vorlegen. Zudem muss die Kommission im Rahmen des Berichts festlegen, ob sie für einige Mitgliedstaaten bis maximal Ende 2030 Ausnahmeregelungen in Bezug auf die zwingende Einbeziehung einräumt. Diese Regelung kommt der Forderung des Rates entgegen, der für die Möglichkeit der Einbeziehung der thermischen Verwertung frühestens ab 2031 plädierte. Im ursprünglichen Kommissionsvorschlag war die Einbeziehung der thermischen Abfallverwertung in das EU-ETS zunächst nicht vorgesehen.

CO2-Grenzausgleichsmechanismus
Schließlich wurde auch über das zentrale Thema des Auslaufens der kostenlosen CO2-Zertifikate abgestimmt. Nach dem jetzigen System werden an die europäische Industrie noch kostenlose Zertifikate erteilt, um diese vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber Drittstaaten zu schützen. Die Verteilung kostenloser Zertifikate wird nunmehr ab 2026 nach und nach abgeschafft und 2034 vollständig enden. In exakt demselben Zeitraum wird schrittweise ein sogenannter CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) eingeführt. Danach müssen Importeure CO2-intensiver Waren aus Drittstaaten ohne entsprechende CO2-Abgaben für diese an der EU-Grenze künftig Zollabgaben entrichten. Hierdurch sollen einerseits europä­ische Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber Produzenten aus Drittländern geschützt werden, in denen geringere Umweltstandards als in der EU gelten. Andererseits soll spiegelbildlich verhindert werden, dass europäische Unternehmen ihre Produktion in Drittstaaten mit niedrigeren Klimaambitionen verlagern (Schutz vor Carbon Leakage).

Wäre mehr drin gewesen
Der BDE hat zurückhaltend auf das Votum des Europäischen Parlaments reagiert. Die beschlossene Absenkung der Emissionen sei ein Maßstab, der Entschlossenheit zeige. Bei den Regelungen zur Einbeziehung der thermischen Verwertung in das EU-ETS wäre aber mehr drin gewesen.

BDE-Präsident Peter Kurth: „Ein Bericht zur Einbeziehung der thermischen Abfallbehandlung ist im Ergebnis ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber dennoch hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. Hier wäre die schnellstmögliche Schaffung einheitlicher Regeln im Hinblick auf den CO2-Ausstoß thermischer Abfallbehandlungsanlagen innerhalb der gesamten EU der bessere Weg gewesen. Der gefundene Kompromiss läuft Gefahr, nationale Alleingänge bis mindestens 2028 zu provozieren, die – abhängig von den Ergebnissen des Kommissionsberichtes – zum einen der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU widerspricht und zum anderen die EU-Klimaziele nicht ausreichend unterstützt. Immerhin ist positiv anzumerken, dass sich der europäische Gesetzgeber auf ambitionierte Quoten für die bereits einbezogenen Sektoren im Rahmen der Überarbeitung des EU-ETS geeinigt hat, um die Klimaziele für 2030 respektive 2050 erreichen zu können.“

Keine ausreichende Planungssicherheit
Im neuen ETS II hat das Parlament einen Marktmechanismus eingeführt, der dafür sorgen soll, dass die Preise nicht zu stark ansteigen und bei über 45 Euro pro Zertifikat bis 2030 abgefedert werden. Bei hohen Energiepreisen kann die Einführung des ETS II sogar ausgesetzt und um ein Jahr verschoben werden. So sollen die Energiekosten gedämpft werden. Nach Auffassung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) schafft die Deckelung keine ausreichende Planungssicherheit: Notwendige Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen und der Umstieg auf Erneuerbare Energien könnten dadurch verschoben werden. Die Höhe des Preisdeckels im ETS II spiegele auch nicht die Emissionsreduktionsziele in Deutschland wider. Der Preis für BEHG-Zertifikate werde bereits 2026 deutlich höher liegen. Als Folge müssten in Deutschland ab 2027 – wenn das europaweite ETS II das nationale BEHG ersetzt – zusätzliche Instrumente implementiert werden, damit die in Deutschland angestrebten Emissionsreduktionsziele erreicht werden könnten.

In puncto thermischer Abfallbehandlung wird es aus Sicht des VKU darauf ankommen, dass durch eine solche Ausweitung des Emissionshandels Abfälle nicht in die viel klimaschädlichere Deponierung umgelenkt werden. Als erforderlich erachtet wird entweder ein EU-weites Deponierungsverbot oder die Einbeziehung deponiestämmiger Methanemissionen in den Emissionshandel. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments mache darüber hinaus deutlich, wie problematisch der deutsche Sonderweg bei der CO2-Bepreisung der Siedlungsabfälle bereits ab dem kommenden Jahr im Rahmen des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) sei. Denn das BEHG wird im Jahr 2027 durch den Europäischen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr abgelöst werden, während die Siedlungsabfälle frühestens ab 2028 in den Europäischen Emissionshandel aufgenommen werden: „Die deutschen Müllverbrennungsanlagen fallen damit 2027 in ein Regelungsloch und können so weder Kosten noch Gebühren vernünftig kalkulieren. Dies zeigt, dass gerade für Siedlungsabfälle nur ein einheitlicher europäischer Bepreisungsmechanismus sinnvoll sein kann, der alle abfallstämmigen Treibhausgase gleichermaßen erfasst.“

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2023, Seite 6, Foto: Radovan Zierik / pixabay.com)