camm-Material: Durchbruch bei industrieller Verwendung

Dem Unternehmen Camm Solutions in Hamburg ist es gelungen, einen nachhaltigen Kunststoff auf Basis von Polyvinylalkohol (PVOH) industriell nutzbar zu machen.

„Bislang wurde das Material vorwiegend in der Industrialisierungsvorstufe erprobt“, informiert Nanda Bergstein, Chief Sustainability and Innovation Officer bei Camm Solutions. „In den vergangenen Monaten haben wir es geschafft, letzte Herausforderungen zu überwinden.“ Damit ist nun der Weg frei für die großvolumige Produktion und Anwendung des neuen Materials.

Eine echte Alternative
Polyvinylalkohol (PVOH) ist ein wasserlösliches und vollständig biologisch abbaubares, synthetisches Polymer und bisher vor allem als löslicher Wasch- oder Spülmittel-Pod bekannt. In Bereichen mit hohen Anforderungen an die Reinheit, beispielsweise wegen direktem Lebensmittelkontakt, wurde PVOH bisher jedoch nicht verwendet. Grund hierfür ist die nicht thermoplastische Natur des Polymers: Wird es mit Hitze verarbeitet, zersetzt sich das Polymer teilweise. „Camm Solutions ist es gelungen, ein Material aufzubauen, das über gängige thermische Produktionsverfahren wie etwa Spritzguss oder Blow-/Cast-Film verarbeitet werden kann, ohne die Material-Eigenschaften negativ zu beeinflussen“, erklärt Bergstein. Zugleich bleiben alle positiven Eigenschaften des Polyvinylalkohols wie biologische Abbaubarkeit und Wasserlöslichkeit vollständig erhalten.

Bislang wurde das camm-Material auf Pilotanlagen zusammen mit Partnern aus der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie erprobt. Seit einigen Wochen läuft nun die industrielle Produktion im unternehmenseigenen Werk in Spanien stabil. Sowohl reine Blow- und Cast-Folien wie auch Papierverbundfolien für Verpackungssysteme laufen in einer Bahnbreite von 120 Zentimetern und hoher Qualität vom Band.

Der Durchbruch macht das umweltfreundliche Material erstmals zu einer echten Alternative. „Wir haben das gesamte Ökosystem von den Rohstoffen und deren Aufbereitung über die Produktion der Pellets bis hin zur Fertigung von Produkten fertig aufgebaut. Dadurch ist das camm-Material nun auch in Größenordnungen verfügbar, die einen echten Unterschied ausmachen“, betont Bergstein.

Dieses Jahr sollen im Werk in Spanien rund 1.500 Tonnen des Materials hergestellt und verarbeitet werden. Im kommenden Jahr werden dann voraussichtlich alle Produktionslinien fertig eingefahren sein und die Gesamtjahreskapazität auf 5.000 bis 8.000 Tonnen erhöht.

Über Camm Solutions
Die 2019 von dem deutschen Unternehmer Christoph Bertsch gegründete Greentech-Plattform entwickelt die vollständig nachhaltige und kommerziell nutzbare Materiallösung „camm“. Es kann aus erneuerbaren Materialien wie Bioabfall hergestellt werden, ist wasserlöslich und kompostierbar: Wenn camm in Kombination mit Papier als Verpackung im Papierabfall landet, zersetzt es sich im Recyclingprozess unter Zugabe von Wasser, ohne umweltschädliche Stoffe zu hinterlassen – das Papier kann problemlos und vor allem vollständig recycelt werden, versichert der Entwickler. Aufgrund seiner vielseitigen Eigenschaften und der verschiedenen End-of-Life-Szenarien kann camm herkömmliche Kunststoffe und Verbundwerkstoffe in großem Maßstab in den verschiedensten Branchen und Anwendungen ersetzen. An der Herstellung sind erfahrene Teams aus der chemischen Verfahrenstechnik sowie Experten aus den Bereichen Materialtechnologie, Forschung und Entwicklung, Lieferketten, Produktentwicklung und Nachhaltigkeit beteiligt. Um die Skalierbarkeit und kommerzielle Tragfähigkeit zu gewährleisten, bringt die Plattform führende Partner vom Rohstoff-Bereich bis zur Indus­trie zusammen.

www.camm.org

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 06/2023, Seite 37, Foto: Screenshot Camm Webseite)