Behälterglas: Im Wettstreit mit Aluminium und PET

Erst vor wenigen Wochen wurde die Frage Einweg- oder Mehrweg-Flaschen heiß diskutiert. Jetzt hat Zero Waste Europe eine neue Diskussion angestoßen: Wie zirkulär ist Einweg-Glas? Und: Was ist nachhaltiger – Aluminium, PET oder Glas?

Was die reine Sammlung von Einweg-Behälterglas anlangt, so liegt Deutschland mit 81 Prozent vor dem Vereinigten Königreich (UK) mit 71 Prozent und Frankreich mit 70 Prozent; die USA bringen es nur auf 44 Prozent. Demgegenüber zeigt die Gesamtverwertungsquote („overall recycling rate“) das Aufkommen an Glasverpackungen, das nach der Sortierung in der Recycling-Einrichtung zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung steht – verglichen mit der auf den Markt gekommenen Menge. Hier liegt Deutschland mit 77 Prozent vorne, gefolgt von 71 Prozent in UK, 67 Prozent in Frankreich und 35 Prozent in den Vereinigten Staaten.

Die „closed-loop recycling rate“ – die kreislaufwirtschaftliche Verwertungsquote – drückt das Aufkommen an sortiertem Bruchglas, das zur Herstellung von neuem Glas genutzt werden könnte, im Verhältnis zur auf den Markt gekommenen Menge aus. Auch hier führt Deutschland mit 77 Prozent die Tabelle an; es folgen Frankreich mit 61 Prozent, UK mit 43 Prozent und die USA mit 21 Prozent. Die „recycled content rate“ macht den Anteil an behandeltem Bruchglas, das in der Fabrik für die Herstellung neuer Glasverpackungen eingesetzt wurde, im Verhältnis zum produzierten Volumen neuer Glasbehälter deutlich. Auch hier ist Deutschland mit 65 Prozent Spitzenreiter, gefolgt von Frankreich mit 42 Prozent, UK mit 38 Prozent und den USA mit 30 Prozent.

Relativ effiziente Verwertung
Die vier genannten Nationen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie Einwegglas erfasst und verwertet wird. In Deutschland und Frankreich erfolgt die Sammlung von Glas separat und es wiegt die Verarbeitung des Materials zu Behälterglas vor; nur zwei beziehungsweise neun Prozent des sortierten Glasbruchs finden Verwendung für andere Zwecke als für Behälterglas. Im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten hingegen werden Verpackungsabfälle zum Teil gemeinsam gesammelt, wodurch Glas mit Materialien wie Papier, Kunststoff oder Metall erfasst wird. Dadurch sinkt dort der Anteil an Bruchglas, das in die Herstellung neuer Glasprodukte fließen könnte, auf lediglich 55 bzw. 53 Prozent; 40 bzw. 39 Prozent des Glasbruchs erfahren hingegen eine andere Verwendung.

Insgesamt sind Sortierung und Recycling von Einwegglas in den vier betrachteten Staaten nach Darstellung der Studie „relativ effizient“: Die geschätzte Ausbeute an schmelzbarem Glasbruch beläuft sich bei der separaten Erfassung in Deutschland und Frankreich auf 93 bzw. 87 Prozent, bei der gemischten Erfassung in UK und USA auf 87 bzw. 95 Prozent. Auf Deponien sollen lediglich zwei bis drei Prozent landen, meistens aufgrund falscher Identifizierung als Keramik, Stein oder Porzellan.

Sammelquoten bis zu 98 Prozent
Bis 2030 soll in Europa eine 75-prozentige Recyclingquote für einmalig genutztes Glas erreicht sein. Deutschland, das das Material nach Farben getrennt sammelt, verfügt bereits jetzt über eine Recyclingrate von 79 Prozent. Frankreich gibt eine separate Sammlung aller farbigen Glassorten vor, erreicht allerdings nur eine Recyclingquote von 67 Prozent. Im Vereinigten Königreich wird aktuell Behälterglas aller Farben aus der gemischten Abfallsammlung rückgewonnen und zu 71 Prozent recycelt. Unter den gleichen Umständen sammeln und behandeln die Recyclingunternehmen in den USA ihre Glasabfälle, erreichen aber nur eine Quote von 35 Prozent; die dortige Glashersteller-Industrie hat sich jedoch eine freiwillige Zielmarke von 56 Prozent Wiederverwertung inklusive 50 Prozent Recycling gesetzt.

Weiteres Potenzial liegt in Rücknahmesystemen, die in den Vereinigten Staaten stellenweise für Sammelquoten zwischen 59 und 75 Prozent sorgen. In Europa können deren Margen zwischen 84 und 89 Prozent erreichen; 2021 meldete Finnland sogar eine Sammelquote von 98 Prozent. Als kreislaufwirtschaftliche Alternative zum Einwegglas empfiehlt die Untersuchung Mehrweg-Lösungen mit einer wirkungsvollen Wiederbefüllung, optimierten Transport-Entfernungen und vielen Auffüllungs-Routinen.

Für hohe Treibhausgas-Emissionen verantwortlich
Die Studie – erschienen im September 2022 – wies allerdings auch auf andere Studien hin, die insgesamt deutlich machen, dass Verpackungen im Einwegglas für die höchsten zugehörigen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, verglichen mit anderen Einmal-Getränkeverpackungs-Materialien wie Aluminiumdosen, PET-Flaschen, HDPE-Flaschen und mehrschichtigen Getränkekartons. Eine jetzt erschienene Untersuchung von Eunomia im Aufrag von Zero Waste Europe ist diesem Thema mit Hinblick auf die 1,5 °C-Klimaziele nachgegangen.

Zielvorgaben weit überschritten
Im Ergebnis lassen die Prognosen erkennen, dass alle Materialien für Getränkeverpackungen die jeweiligen Zielvorgaben um 150 Prozent einschließlich Risikoeinschätzung übersteigen, wobei Glas und PET signifikante Beiträge zu diesen Überschreitungen in Höhe von 200 beziehungsweise 150 Prozent liefern. Die Überschreitung der Zielvorgaben durch Aluminium wird auf rund 50 Prozent geschätzt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Nachfrage nach allen im Getränkeverpackungs-Sektor verbrauchten Materialien im Jahr 2050 der von 2020 gleicht, dass der Gesamteinsatz von Getränkebehältern begrenzt ist, und dass die europäische Bevölkerung um 2050 kleiner sein wird als heute. Allerdings zeigen die Resultate, dass – ohne Wachstum im Materialverbrauch – die Getränkebehälter-Industrie wahrscheinlich das vorgeschlagene kumulative Emissionsbudget unterhalb der 1,5 °C-Erwärmung überschreiten wird.

Substantielle Investitionen notwendig
Um die Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen, muss für Aluminium die gesamte Schmelz-Kapazität auf grüne Energie umgestellt sein. Um die hohen Energieanforderungen – rund 15 Megawattstunden pro Tonne – zu erfüllen, sind substantielle Investitionen notwendig. Für PET wird ein fundamentaler Wechsel in der Wertschöpfungskette hin zu einem biobasierten Rohmaterial als unumgänglich erachtet. Jedoch könnten die im Moment bestehenden technischen Hürden in Konflikt mit der auf fossile Rohstoffe fokussierten Natur der Industrie geraten. Die Elektrifizierung der Gasöfen zur Glasherstellung erfordert entweder ein kostspieliges und komplettes Upgrade der Infrastruktur oder einen graduellen Austausch des vorhandenen Systems. Trotz Bemühen wird die Herstellung von Glas weiterhin einen hohen Energieverbrauch von um die zwei Megawattstunden pro Tonne haben.

Vorteile durch Aluminium und PET

  • Alle drei Materialien – am ehesten Glas – werden wie auch der Getränkebehälter-Sektor als ganzer voraussichtlich die jeweiligen Kohlenstoff-Zielvorgaben übertreffen. Eine anhaltende oder steigende Nachfrage nach Getränkeverpackungs-Stoffen verträgt sich nicht mit dem Ziel von weniger als 1,5 °C.
  • Angesichts des spezifischen Gewichts von Glas zeigen die Ergebnisse immer wieder, dass die Herstellung von Glasflaschen drei- bis viermal höhere Treibhausgas-Emissionen als bei Aluminium oder PET verursacht.
  • Für Aluminium und PET sind hinsichtlich Auswirkungen auf die Umwelt verbesserte Recycling- und Kreislauf-Praktiken von äußerster Wichtigkeit: Recyceltes Aluminium ist nachhaltiger, während PET oftmals nur thermisch genutzt wird. Glas bleibt auch mit hohem Recycling-Anteil beständig.
  • Glasrecycling benötigt 75 Prozent der Energie einer fa­brikneuen Produktion, während Aluminium nur etwa zehn Prozent erfordert. Beide brauchen rund 1,5 Megawattstunden pro Tonne. Allerdings erfüllen Aluminium-Dosen – bei deutlich weniger Masse – die gleichen Behälterfunktionen wie Glasflaschen.

Mit Blick auf Wiederverwendung
Es ist offensichtlich, dass sowohl PET wie Aluminium zwingendere Möglichkeiten als Einweg-Glas bieten. Aus Perspektive des Klimawechsels müsste der Übergang zu diesen Materialien bevorzugt werden. Andererseits schafft eine verminderte Nachfrage Probleme, da die Gewichtsreduktion nur bis zu einer bestimmten Grenze gehen kann. Vorausgesetzt, Glas ist hochgradig einsetzbar zur Wiederverwendung, wird ein System, das Wiederverwendung fördert, vermutlich die Nachfrage nach Glas hinsichtlich Masse signifikant verringern, aber seine Verwendung fortsetzen. Daher – so die Autoren der Studie – wäre es informativ, die Entkarbonisierungs-Pfade für Getränkebehälter-Materialien mit Blick auf ihre Wiederverwendung zu untersuchen.

Die Studie „How circular is glass?“ kann unter zerowasteeurope.eu/library/how-circular-is-glass/, die jetzt erschienene Untersuchung über Einweg-Getränkeverpackungen unter eunomia.co.uk/reports-tools/single-use-beverage-packaging/ heruntergeladen werden.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 08/2023, Seite 38, Foto: Bundesverband Glasindustrie e.V.)