Die „Kreislauffabrik“ und die Vision des ewigen innovativen Produkts

Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wollen den bisherigen linearen Wirtschaftsansatz „nehmen, machen, benutzen, entsorgen“ grundlegend verändern. In der „Kreislauffabrik“ werden gebrauchte Produkte möglichst automatisiert so aufgearbeitet, dass sie als Neuprodukte die Fabrik verlassen.

Der neue Sonderforschungsbereich (SFB) 1574 „Kreislauffabrik für das ewige Produkt“ am KIT führt Kompetenzen aus Maschinenbau, Informatik sowie Elektrotechnik und Informationstechnik zusammen. Bislang gilt das Remanufacturing, also das Aufarbeiten gebrauchter Produkte, als Verfahren mit dem höchsten Standard in Bezug auf Qualität und Garantie der aufgearbeiteten Produkte. „Es ist das einzige zirkuläre Verfahren, das in diesen Punkten mit einem Neuprodukt konkurrieren kann. Die Vision des SFB ‚Kreislauffabrik‘ geht jedoch weit darüber hinaus. Sie besteht darin, eine integrierte lineare und zirkuläre Produktion von Neuprodukten mit individuellem Aufarbeitungsanteil in industriellem Maßstab möglich zu machen“, erläutert Professorin Gisela Lanza, Leiterin des wbk Instituts für Produktionstechnik des KIT und Sprecherin des SFB.

Eckpfeiler im Forschungsprogramm
Die „Kreislauffabrik“ soll gebrauchte Produkte in aktuelle Produktgenerationen überführen, um so der Vision des ewigen innovativen Produkts näherzukommen. Auch wenn eine „ewige“ Nutzung gebrauchter Produktsubstanz praktisch nicht realisierbar erscheint, soll die Vision des ewigen innovativen Produkts eingeführt werden. Vergleichbar, so Lanza, sei dies mit dem Nordstern, der den Idealzustand darstellt und auf den alles ausgerichtet werden soll. „Der Sonderforschungsbereich 1574 markiert einen Eckpfeiler in unserem Forschungsprogramm für das nächste Jahrzehnt am wbk Institut für Produktionstechnik. Unsere Grundlagenforschung bildet die Basis für den Wandel der Wirtschaft von linearen zu zirkulären Modellen und der Befähigung einer Kreislauffabrik für das ewige, innovative Produkt.“ Auf dieser Basis möchte Lanza mit ihrem Team zahlreiche anwendungsnahe Verbundprojekte mit der Industrie starten, die den Weg für eine nachhaltige und innovative Zukunft bereiten.

Umfassende Vorarbeiten wurden bereits geleistet, hier zu sehen am Beispiel der vom Menschen lernenden Produktionstechnik (Foto: wbk, KIT)

Themenfelder und Projektbereiche
Um die noch unbekannten Vorgänge und Mechanismen zu erforschen, beschäftigt sich das SFB-Team mit wissenschaftlichen Fragen aus Produktionstechnik, Produktentwicklung und Werkstofftechnik, Arbeitswissenschaft, Robotik, Informatik und Wissensmodellierung. Zentrale Fragestellungen sind: Wie lassen sich aus unikalen Gebrauchtprodukten Neuprodukte generieren? Wie wird ihre Funktionalität im zweiten Nutzungszyklus gewährleistet? Wie können Menschen komplexe Problemlösungsstrategien erlernen, und wie werden diese Strategien auf automatisierte Produktionstechnik übertragen? Wie lässt sich dies in einem wandelbaren, autonomen Produktionssystem wirtschaftlich umsetzen, um zirkuläre Produktion in Großserie am Hochlohnstandort zu ermöglichen? Wie lassen sich Daten und Informationen nutzen, um den Prozess weiter zu verbessern?

Das Vorhaben ist in drei Projektbereiche gegliedert: Projektbereich A erforscht die Planung und Steuerung der Kreislauffabrik, um den maximalen Werterhalt von unikalen Gebrauchtprodukten für den Primärmarkt zu erreichen. Projektbereich B entwirft Messstrategien zur Erfassung, Modellierung und Bewertung des individuellen Produktzustands sowie zur Erfassung und Interpretation der menschlichen Prozessausführung. Projektbereich C erschafft ein voll modulares Produktionssystem, das eine fortlaufende Adaption auf immer neue Produktinstanzen ermöglicht. Geplant ist eine Kreislauffabrik im Labormaßstab. Die DFG unterstützt das Projekt vom 1. April 2024 bis zum 31. Dezember 2027 mit rund elf Millionen Euro.

sfb1574.kit.edu

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 01/2024, Seite 30, Foto: Beckhoff)