EuRIC legt Strategiepapier vor: Recycling stärker in Politik integrieren

Um europaweit Recycling voranzubringen, ist ein Paradigmen-Wechsel in der europäischen Recyclingpolitik notwendig. Das fordert EuRIC, der Verband der europäischen Recyclingindustrie, in seinem jetzt vorgelegten Strategiepapier für die Jahre 2023-2029.

Um Recycling in die europäische Industrie- und Umwelt-Agenda zu integrieren, ist ein Brückenschlag zwischen politischen Ambitionen und industrieller Realität vonnöten. Doch die gegenwärtigen Initiativen der EU-Politik verknüpfen nach Ansicht von EuRIC Klimaneutralität und Zirkularität nicht ausreichend. Spielraum und Umfang bisheriger Instrumente seien zu begrenzt, um die Verwendungsquote von zirkulärem Material zu steigern: Wie Eurostat-Zahlen ausweisen, stammen nur 11,5 Prozent des von der europäischen Industrie genutzten Materials aus dem Recycling. Andererseits unterstützt EuRIC den Grünen Industrie-Plan 2.0, der auf ökonomische Anreize – Marktbasiert, Gebühren-basiert und Politik-basiert – vertraut, um die dringend benötigten Investitionen zu befördern und die Übereinstimmung zwischen verschiedenen EU-Rechtsprechungen zu Ressourceneffizienz, Klima und Chemikalien zu verbessern.

Der Schlüssel zur Dekarbonisierung
Die oberste Priorität sollte nach Ansicht der EuRIC darin bestehen, Recycling im Zentrum der europäischen, grünen Industrie-Agenda zu platzieren. Die CO2-Einsparungen durch Recycling seien der Schlüssel zur Dekarbonisierung der energieintensiven Industrien und somit für das Erreichen der EU-Roadmap für Klimaneutralität. Eine klimaneutrale Lösung braucht freilich weder zirkulär noch technologisch ausgereift zu sein, um so lineare Wertketten und riskanter werdende Versorgungsketten weiterzuführen. Die europäische Stahlindustrie beispielsweise bevorzugt weiterhin den Ersatz von Energiequellen, um ihren ökologischen Fußabdruck bei den Ausgaben für zirkuläre und klimafreundliche Lösungen zu reduzieren: durch steigenden Gebrauch von Recyclingmaterial bei der Stahlherstellung mittels Kapazitätserweiterung von Elektrolichtbogenöfen in Europa und steigendem Zulauf von recyceltem Stahlschrott in Sauerstoff-Hochöfen.

CO2-Einsparungen belohnen
Die Politik sollte – wo möglich – Technologien aufgrund ihres doppelten Übergangs bevorzugen, die einen zweifachen Sprung machen können: Namentlich zirkulär – um somit das Ausgangsmaterial umzustellen und die Qualität des zirkulären Materials zu steigern – und klimafreundlich – durch Reduzierung der CO2-Emissionen.

Aus der politischen Perspektive der Industrie müssen ökonomische Anreize geschaffen werden, um zu sichern, dass die Preise die Umwelteinflüsse besser widerspiegeln. Auf zirkuläres Material angewandt, muss die EU innerhalb des Emissionshandelssystems die CO2-Einsparungen belohnen, die aus dem Einsatz von Recyclingmaterial stammen, und damit Anreize für die zirkulären und klimatischen Effekte von Wertketten bieten. Die Internalisierung solcher CO2-Einsparungen ist ebenso hochgradig relevant, wenn Emissionshandelssysteme in anderen Regionen der Welt entworfen werden. Aus einer erweiterten Perspektive benötigt Europa eine ambitionierte Industriestrategie mit erheblichen Mitteln, um die Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene auszugleichen.

Exporte unbehandelter Abfälle untersagen
Die zweite Priorität sieht die Entfesselung einer wettbewerbsfähigen Recyclingindustrie europa- und weltweit vor. Doch während der neue Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft (CEAP) zu Recht die Wichtigkeit einer „Schaffung eines gut funktionierenden EU-Markts für Sekundärrohstoffe“ erfasst, bleibt ein wichtiger Spielraum für Verbesserungen. Anreize, um Recycling quer durch die Wertschöpfungsketten voranzubringen, sollten zum Abbau von Hindernissen geboten werden. Dazu gehören nach Ansicht von EuRIC Restriktion oder Untersagung von Exporten unbehandelter Abfälle wie Mischkunststoffe, Elektromüll, Altautos oder unbehandelte Reifen. Freier und lauterer Wettbewerb von Rohstoffen aus dem Recycling, der in Produktionsprozessen inner- wie außerhalb der europäischen Grenzen eingesetzt wird, soll geschützt werden.

Notwendig: ein Wettbewerbsgesetz
Der Gebrauch von Recyclingmaterialien in europäischen Kreislauf-Wertschöpfungsketten durch gebrauchsfertige Pull-Maßnahmen sollte intensiviert, andererseits aber auch der EU-Markt vor dem Import von Produkten geschützt werden, die REACH nicht entsprechen oder den europäischen Nachhaltigkeits-Erfordernissen nicht genügen. Angesichts von neuen Geschäftsmodellen muss der zusätzliche Wert beim Wirtschaftsakteur bleiben, der für sein Produkt verantwortlich ist. Vorzugsrechte wie Vorkaufsrecht oder PR-Programme, die andere Recycler benachteiligen, würden der Recyclingindustrie den Wert entziehen, der bei der Umwandlung von Abfall in Ressourcen geschaffen wird. Mehr denn je ist also ein Wettbewerbsgesetz notwendig, um die Interessen der Recyclingunternehmen, darunter viele kleine und mittlere, zu schützen.

Anteil in neuen Produkten steigern
Die dritte Priorität nimmt noch einmal den Gedanken des ausgeglichenen Wettbewerbs-Spielraums auf, der durch effiziente Anreize und Eco-Design den Gebrauch von zirkulären und klimaneutralen Materialien befördern soll. Dazu muss über positive externe Effekte – als Belohnung über den Preis, um die Innovation anzutreiben – nachgedacht werden. Pull-Maßnahmen sind absolut notwendig, um den Anteil von Recyclingmaterialien in neuen Produkten zu steigern. Als Benchmark schlägt EuRIC eine Verdoppelung des Anteils der Nutzungsquote von zirkulärem Material (circular materials use rate, kurz: CMUR) vor – und zwar von 11,5 Prozent in 2022 auf 23 Prozent in 2030 – und eine Verknüpfung mit dem graduellen Zuwachs an Kohlenstoff-Ersparnissen.

Den Spielraum vergrößern
Ein substanzieller Anstieg der CMUR wird außerdem eine treibende Kraft zur Restaurierung der biologischen Vielfalt sein. Das ist der Schlüssel, um den Spielraum von Recycling­inhalt jenseits von Kunststoffen und kritischen Metallen zu Basismetallen, Reifen und Textilien zu vergrößern. Diese Erweiterung ist der Schlüssel zur Innovationsförderung, die Europas Abhängigkeit von extrahierten Rohmaterialien verringert, die meist aus Nicht-EU-Ländern importiert werden, und industrielle Investitionen in Europe fördert.

EuRic schlägt dazu unter anderem eine geringere Umsatzsteuer für Produkte aus Recyclingmaterial vor, möchte gesichert sehen, dass die Öko-Modulation der Gebühren in Systemen zur Erweiterten Produzenten-Verantwortlichkeit den am ehesten zirkulären Produkten zugutekommt und effektiv recycelten Inhalt belohnt, und erwartet eine Garantie dafür, dass diese Systeme zur Erweiterten Produzenten-Verantwortlichkeit im Handelsbereich nicht mit Abfallwirtschafts- und Recycling-Unternehmen konkurrieren können.

Abfallende-Kriterien schneller annehmen
Die vierte Priorität liegt auf dem Wechsel von einer linearen zur zirkulären Rechtsprechung, um Barrieren bei zirkulären Wertschöpfungsketten wegzuräumen. Die EU-Gesetzgebung hat eine Schlüsselrolle beim Erreichen eines internationalen Marktes für Güter gespielt, gerät aber ins Hintertreffen beim Begünstigen zirkulärer Wertschöpfungsketten. Die Diskrepanz zwischen Abfall als praktischer Ressource mit breitem Anwendungsbereich und der restriktiven juristischen Definition ist ein deutliches Beispiel. EuRIC tritt daher für eine schnellere Annahme europaweiter Abfallende-Kriterien ein: Der neue Kreislauf-Aktionsplan hat richtig anerkannt, dass diese Kriterien essenziell sind, um einen gut funktionierenden EU-Markt für Sekundärrohstoffe zu schaffen.

Beschleunigung ist wichtig
Das derzeitige Verfahren, das extrem ressourcen-aufwändig für Kommission und Interessenvertreter ist, behindert die Entwicklung notwendiger Kriterien im großen Stil, um Recycling anzukurbeln. Wenn die Wertschöpfungskette den allgemeinen Kriterien entspricht oder wenn verschiedene Mitgliedstaaten bereits Abfallende-Kriterien zugestimmt haben, die auf ähnlichen Kriterien oder Standards aufbauen, ist Beschleunigung wichtig. Hier ist zu denken an verzögerungsarme Verfahren und harmonisierte digitale Abfallverbringungs-Prozesse: Sie werden grenzüberschreitende Abfalltransporte zu Rückgewinnungszwecken beschleunigen, die Rückverfolgbarkeit verbessern, die Geschäftsvertraulichkeit schützen und illegale Verbringungen bekämpfen.

In Abwesenheit einer EU-weiten Abfallende-Kennzeichnung ist es wesentlich, dass sichergestellt wird, dass nationale Festlegungen für unbelastete Abfälle, die den Kriterien des Artikels 6 der Abfallrahmenrichtlinie entsprechen, wechselseitig anerkannt werden.

Das Strategiepapier steht unter euric.org/images/Position-papers/EuRIC_Priorities_2024-2029.pdf zum Download bereit.

(Erschienen im EU-Recycling Magazin 02/2024, Seite 6, Foto: Summit Art Creations / stock.adobe.com)