Die Rohstoffwende ist im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen
Kreislaufwirtschaft ist sehr viel mehr als das Sammeln, Transportieren, Recyceln oder Beseitigen von Abfällen. Circular Economy hilft bereits jetzt, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und Rohstoffe für den Wirtschaftskreislauf zur Verfügung zu stellen – Tendenz steigend. Das zeigt der neue „Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2024“, an dem 14 Branchenverbände und die IFAT (Messe München) mitgewirkt haben.
Der Bericht erschien am 25. Januar, eine Online-Pressekonferenz informierte vorab über die wichtigsten Eckpunkte. Die Stärke der deutschen Kreislaufwirtschaft lässt sich durch ein paar Eckdaten charakterisieren: Jährlich entstehen rund 400 Millionen Tonnen an Abfällen, für die 14.500 Anlagen zur Verfügung stehen – 60 Prozent davon spezialisiert auf Sortierung und Aufbereitung. In der Branche sind 310.000 Erwerbstätige in 10.400 Unternehmen beschäftigt. Der Umsatz belief sich 2021 auf 105 Milliarden Euro und legte 2022 um 22 Milliarden zu, was auf gesteigertes Recycling, aber auch auf den Verkauf von Rohstoffen sowie deren Volatilität zurückzuführen ist.
Zunehmend an Zirkularität denken
Es sei zu begrüßen, dass neben der Energiewende nun auch die Ressourcen- oder Rohstoffwende im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen ist, kommentierte Prof. Dr. Martin Faulstich vom Institut für die Zukunft der Industriegesellschaft (INZIN). Neben Abfalltrennung müsse die Bevölkerung aber auch zunehmend an Mengenreduktion und Design for Recycling – also an Zirkularität und Wertschöpfungsketten – denken, fügte Prof. Dr. Klaus Gellenbeck vom Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management (INFA) hinzu. Die Kreislaufwirtschaft trage jetzt schon ihren Teil dazu bei: Jede Tonne Recyclingrohstoff sei deutlich weniger klimabelastend als eine Tonne Rohmaterial und erziele somit eine Klimagutschrift.
Allerdings tauchten bislang im Klimaschutzgesetz nur die Deponien auf – der Beitrag der Recyclingwirtschaft hierzu sei aber noch zu wenig im Gesetz verankert, kritisierte Martin Faulstich. Es drehe sich um ein Potenzial von 60 Millionen Tonnen pro Jahr an CO2-Minderung und um mögliche Einsparpotenziale in der und durch die Kreislauftechnik selbst, verdeutlichte Dr. Jochen Hoffmeister (Prognos AG – Europäisches Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung).
Rezyklatanteile nur bei etwa 13 Prozent
Die entsprechende Gesetzgebung und zugehörige Verordnungen sind nach Aussage von Klaus Gellenbeck unterschiedlich zu bewerten. Die Vorschriften zur Herstellerverantwortung beispielsweise hätten sich relativ weit entwickelt. Bei der Gewerbeabfallverordnung hingegen werde diskutiert, ob hier nicht überflüssigerweise in den Markt eingegriffen wird; andererseits müsste der Vollzug aber auch so verbessert werden, dass die Betriebe ihre Aufgaben erfüllen. Martin Faulstich fordert zusätzlich ein adäquateres Design, genormte Produkte sowie erhöhte Rezyklatanteile; zurzeit liege deren Prozentsatz in Deutschland nur bei etwa 13 Prozent.
F&E „sehr weit hinten“
Aufgrund eines Imagewandels ist die Branche als Arbeitgeber „sexy“ und sucht zunehmend attraktive Arbeitskräfte für anspruchsvolle Herausforderungen. Allerdings sei der Fachkräftemangel in der Branche noch größer als ohnehin schon in der Gesellschaft, so Klaus Gellenbeck. Doch werde durch die Künstliche Intelligenz ein neuer Schub erwartet – Stichwort: Startups. Jochen Hoffmeister merkte kritisch an, dass Deutschland, was die Zahl der weltweiten Patentanmeldungen zur Abfallwirtschaftstechnik anlangt, mit 8,5 Prozent hinter Japan, USA, China und Korea auf Platz 5 zurückgefallen ist. Die weltweiten Exporte hätten sich zwar in den letzten zehn Jahren von 30 auf 50 Milliarden Dollar deutlich erhöht, aber der deutsche Anteil sei um drei auf zwölf Prozent gefallen, was Platz 2 bedeutet.
Zum Vergleich: China hat im gleichen Zeitraum um zwölf Prozent zugelegt und nun einen Weltmarktanteil von 30 Prozent erreicht. Auch liege die deutsche Branche mit ihren Ausgaben in Höhe von einem Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung „sehr weit hinten“. Daran – stellte Klaus Gellenbeck fest – sei neben dem Fehlen von Venturekapital die Trennung der Forschung und Entwicklung von der Produktion verantwortlich.
Aus Abhängigkeit vom Ausland lösen
Die zukünftige Rolle der Recyclingwirtschaft werde – um sich von der Abhängigkeit vom Ausland zu lösen – darin bestehen, Rohstoffe zur Verfügung zu stellen und dabei die Zirkularität der Eigenversorgung zu erhöhen. Dazu gehört die Erkenntnis urbaner Minen ebenso wie deren Rückbau und Nutzung in der Produktion. Die neue Ökodesign-Richtlinie – betonte Marin Faulstich – nehme daher nicht nur wie bisher die Energieeffizienz in den Blick, sondern ziele auch auf Reparaturfähigkeit, Langlebigkeit und Rezyklierbarkeit ab.
Die ökologische Wahrheit sagen
Welche Forderungen ergeben sich aus dieser Aufgabenstellung an die Politik? Martin Faulstich schlägt eine Art Ressourcenschutzgesetz vor, das darauf abzielt, den absoluten Verbrauch der Ressourcen zu reduzieren. Die öffentliche Hand sei hier gefordert – sie verfüge über ein riesiges Ausschreibungsvolumen; europaweit würden sich dadurch enorme Chancen ergeben.
Jochen Hoffmeister plädiert für eine striktere Einhaltung der Deponieverbote in einer Vielzahl von EU-Mitgliedstaaten. Schnell und günstig würde sich so ein Einsparpotenzial von 150 bis 250 Millionen Tonnen CO2-äquivalent ergeben und gleichzeitig neue Kreisläufe in Gang setzen.
Und Klaus Gellenbeck zitierte den deutschen Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker: „Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen“, um die entsprechende Steuerungswirkung zu haben. Anders ausgedrückt: Die umweltfreundlicheren Vorgehensweisen müssen auch die wirtschaftlicheren sein.
Der Statusbericht kann hier kostenlos heruntergeladen werden: statusbericht-kreislaufwirtschaft.de
(Erschienen im EU-Recycling Magazin 03/2024, Seite 12, Abb.: Statusbericht Kreislaufwirtschaft 2024)